Neues 527 - 2022-08-07

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Matthias
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Neues 527 - 2022-08-07

Beitragvon Matthias » Sa 6. Aug 2022, 08:03

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Harald
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Re: Neues 527 - 2022-08-07

Beitragvon Harald » So 7. Aug 2022, 14:57

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DIE KLEINE STADT liegt abseits vom großen Leben, weshalb sie gelegentlich auch (noch glimpflich) als PROVINZNEST abgewertet wird. Man lernt sie kennen, wenn man auf der Urlaubsreise dort einen Zwischenhalt einlegt. Man kennt vielleicht schon ihren NAMEN, weil vor einigen hundert Jahren auf deren Feldern eine SCHLACHT geschlagen wurde, oder weil der MARKTPLATZ, ein altes SCHLOSS, eine berühmte KIRCHE aus dem Mittelalter von vergangener Größe kündet und deshalb im REISEFÜHRER eine Besichtigung unbedingt empfohlen wird.
Ein REISENDER, der vor langer Zeit, exakt im Jahre 1803, „auf Schusters Rappen“ die deutschen Lande durchstreifte, machte dereinst auch in unserer Heimatstadt Station und vermerkte später in seinem REISEBERICHT folgendes über SENFTENBERG:

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„Ich erreichte SENFTENBERG, eine kleine Stadt an der Schwarzen Elster, die von Dresden 6 und von Großenhain 4 Meilen entfernt ist. Sie hat außer 13 wüsten Baustellen 165 HÄUSER und zählt 979 EINWOHNER, worunter 112 HANDWERKSMEISTER sind. Von ihnen haben nur die Bäcker, Schneider, Schuhmacher, Kürschner, Weißgerber, Zimmermeister, Leinweber, Huf~ & Waffenschmiede, Töpfer & Tischler INNUNGEN. Letztere arbeiten mit 4 Meistern und 2 Gesellen und liefern schöne Arbeit.
Die HAUPTNAHRUNG der Senftenberger Einwohner besteht außer den Handwerken in der Bierbrauerei, im Branntweinbrennen und im Weinschanke; die NEBENGEWERBE aber in Verfertigung & Verkauf des Weinessigs, des Düngers in die hiesigen 16 mit einem schönen Preßhause versehenen churfürstlichen AMTSWEINBERGE und in der LANDWIRTSCHAFT. Jeder Bürger hat von den 15 Hufen Land etwas Feld, Wiesen, Gärten & Weinberge. Insgesamt gibt es in Senftenberg 28 Pferde, 10 Ochsen, 94 Kühe und 150 Schafe. Auch wird FISCHEREI betrieben. Große Vorteile hat die Stadt von den beiden hiesigen VOLLMÄRKTEN und den 5 JAHRMÄRKTEN nebst dem von der Churfürstin Margaretha verliehenen WOCHENMARKTE an den Sonnabenden. Im Jahre 1788 verfertigte man in Senftenberg 886 Stück Leder, 1801 aber 1600 Stück und 125 Weben Leinwand, 150 Hüte und 65 Dutzend wollene Strümpfe & Handschuhe.
Der STADTRATH ist über den dritten Theil der Stadt mit Ober~ & Erbgerichten beliehen und bezahlt jährlich ans Amt 22 Gulden & 18 Groschen Erbschoß nebst 1 Gulden 11 Groschen Zins für 8 Rebhühner.
Auch hat der RATH über die sogenannten Kastenuntertanen in den AMTSDÖRFERN die Gerichtsbarkeit in gleichem Verhältnisse wie über die Bürger. Außer dem churfürstlichen SCHLOSSE nebst der SCHLOSSMÜHLE und einer SCHNEIDEMÜHLE befindet sich in Senftenberg das churfürstliche AMT im Amtshause und das AMTSSCHÜTTHAUS. Für den VERKEHR sorgt eine POSTEXPEDITION.
In den beiden HAUPTKIRCHEN, der deutschen und wendischen, wo auch in beiden Sprachen gepredigt wird, versehen den Gottesdienst 2 Diakonen & 1 Pastor. Die Stadt hat eine LATEINISCHE SCHULE und 3 Freistellen in den Fürstenschulen.
Die AMTSDÖRFER Thamm, Neusorge, Jüttendorf und Buchwalda machen gleichsam die VORSTÄDTE von Senftenberg aus, und sind nebst noch 13 andern DÖRFERN in die wendische Kirche eingepfarrt.
Die HAUPTNAHRUNG AUF DEM LANDE ist in dem Amtsbezirk Senftenberg der ACKERBAU und der Verkauf des eigenen Viehs an die Händler. Das NEBENGEWERBE besteht in Most~ & Weinverkauf von den sich auf etwa 100 belaufenden WEINBERGEN in einigen Dorffluren, im Holzschlagen zur Spiegelfabrik, in den Lohnfuhren & im Handel mit Holz. Auch verdienen sich sehr viele mit der Hand sowohl als mit dem Fuhrwerke ihren Lebensunterhalt bey der SPIEGELHÜTTE FRIEDRICHSTHAL, woselbst der Verdienst durch das künstliche und immer blühender werdende Werk mehr und mehr zunimmt.
Auf dem SCHLOSSE vor der Stadt ist seit dem Jahre 1797 das LANDGESTÜT angelegt, wo 5 Landbescheeler auf herrschaftliche Kosten unterhalten und die Stuten der UNTERTANEN umsonst belegt werden. Im Jahre werden durchschnittlich 60 Stück Fohlen erzeugt, wovon der CHURFÜRST die Hengstfohlen behält und nicht nur sehr gut bezahlt, sondern auch noch PRÄMIEN den Besitzern der schönsten Stuten erteilt. Die Stutenfohlen hingegen bleiben den UNTERTANEN.
Im Jahre 1801 lebten im AMTE SENFTENBERG insgesamt 5550 Menschen.“

(>Senftenberger Anzeiger< 4.08.1937)

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Dieser BESUCHER hatte auf seinem >SENFTENBERGER ERKUNDIGUNGSSTREIFZUG< ganz offensichtlich „ein wahrlich gerüttelt Maß an ZAHLEN & FAKTEN“ eingeholt, bei dem sich mancher Leser eventuell fragt: „…und WER will DAS alles wissen?“
Zumindest der „Verlag einer Buchhandlung< wollte es, denn der etwas erweiterte REISEBERICHT unseres in Statistiken verliebten Wandersmanns hielt 2 Jahre später sogar Einzug in ein mehrbändiges LEXIKON und untermauerte somit den touristischen Werbeslogan, dass >REISEN BILDET< !

Aber auch HEIMATFORSCHER sind diesen ZAHLENKOLONNEN durchaus zugetan, denn sie sehen dahinter auch den zwar eng umgrenzten, jedoch vertrauten & umhegten LEBENSKREIS unserer Altvorderen, als noch einer den anderen kannte und jeder jeden grüßte. Stark wurden sie in der mittelalterlichen Blütezeit, als man sich zu BÜNDEN & GILDEN zusammenschloss, die eine straffe Disziplin, Ordnung & Sicherheit gewährleisteten, und in denen sie sich vor allen Dingen gegenseitig vertrauten & respektierten.
Apropos RESPEKT: da fällt mir gleich das momentane wahlkämpferische >Hauen & Stechen< im SENFTENBERGER RATHAUS ein,
weshalb ich als ABLENKUNG die Beschäftigung mit der ÜBERSETZUNG der im o.a. TEXT enthaltenen altertümlichen BEGRIFFE empfehle, wie z.B.:
wüste Baustellen / Hauptnahrung / Amtsschütthaus / Postexpedition / Preßhaus / Vollmarkt / Hufe Land / Erbschoß / Kastenuntertane / Landbescheeler etc.
mittels derer man auf WERTVOLLERE GEDANKEN kommt…
ICH WÜNSCHE VIEL SPASS BEI DER WEITERBILDUNG! ;)

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