Neues 139 - 2014-07-27

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Matthias
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Neues 139 - 2014-07-27

Beitragvon Matthias » So 27. Jul 2014, 08:29

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Harald
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Re: Neues 139 - 2014-07-27

Beitragvon Harald » So 27. Jul 2014, 11:41

gute alte Zeit_resize.jpg

Es ist schon recht sonderbar: Man spricht immer von der
GUTEN ALTEN ZEIT
und jedes aussterbende Geschlecht vermacht die Sage davon an das gegenwärtige, doch die GUTE ALTE ZEIT selbst lässt sich vor keinem sterblichen Auge sehen, ist immer einige Jahrzehnte älter, als die ältesten Menschen um uns herum.
Ich musste früher immer lächeln, wenn meine Großeltern von diesem, ihrem auserwählten, kleinen, glänzenden Lebensabschnitt erzählten und ich muss eingestehen, dass ich sehr gern zuhörte und sie immer mit meiner Aufforderung löcherte:
"Oma (Opa), erzähl doch mal von FRÜHER !"
Und wenn sie sich ab & an hierzu bereit erklärten, verschwanden unter ihrem nostalgischen Blick meist alle Erinnerungen an schlechte Zeiten, obwohl sie ja u.a. auch zwei Weltkriege überstehen mussten.
Mit der NOSTALGIE ist das eben nicht so einfach.
Die Vergangenheit wird oft verklärt – aber dieser freudige Blick zurück ist durchaus berechtigt: Nostalgie gibt dem eigenen Leben einen Sinn, verleiht ein Gefühl von Sicherheit und macht glücklich. Nostalgie ist ein Gefühl, das uns von der Kindheit bis zum Alter in seinen Bann zieht.

Heute schauen wir nun auf den Senftenberger MARKTPLATZ in der GUTEN ALTEN ZEIT, als ihn noch ein (inzwischen wegradierter) Handkarren bzw. eins der ersten Automobile bevölkerten.
MARKTPLÄTZE ziehen mich stets an, wenn ich auf Reisen bin und eigentümlicherweise versetze ich mich dann in Gedanken sogleich ins Mittelalter. Dabei denke ich mehr an das bunte MARKTTREIBEN mit vielen illustren STÄNDEN der Landbevölkerung und MARKTBUDEN der verschiedenartigsten Gewerbetreibenden als an die ebenfalls dazu gehörenden Bettler & Spitzbuben. NOSTALGIE eben... !

Doch wie sah es nun wirklich um 1500 am
MARKTTAG aus ?
Hier ein sehr detailreicher Bericht aus der Historiensammlung
>Bilder aus deutscher Vergangenheit< (1871):

Markttag im MA_resize.jpg

"Die Stadt hat ihren MARKTTAG.
Am Rathhause ist die rothe Fahne ausgesteckt, so lange sie hängt, haben die fremden Verkäufer das Marktrecht. Zu allen Thoren ziehen die Landleute der Umgegend herein, auch die Landbäcker und Metzger, welche heute an besonderen Plätzen feil halten dürfen.
An dem STADTTHOR ist Aufenthalt und Gedränge, denn jeder Wagen, der den engen Durchgang passiren soll, wird von den Thorhütern sorglich beschaut wegen der Waaren und daß keine Arglist eingefahren werde. Der Fuhrmann zahlt einen Thorzoll und eine Abgabe von den Waaren, die Lebensmittel aber, welche die Stadt nicht entbehren kann, werden - zum Theil - frei eingeführt, auch einzelne Rohstoffe, welche eine begünstigte Innung für ihre Arbeiten bedarf.
Den Karren der Landleute folgen große Frachtwagen, ihr Inhalt ist unter einer Leinwanddecke verborgen, es ist werthvolles Kaufmannsgut, eine schwere Ladung, denn viele Pferde waren nöthig, um die Wagen auf den schlechten Wegen fortzuschaffen; bewaffnete Reiter des nächsten Landesherrn haben der Karawane das Geleit bis an die STADTMARK gegeben.
Der Zug windet sich mühsam durch die Straßen bis zu der RATHSWAGE, wo die Waaren gewogen werden und ihre Steuer entrichtet.
Auf Ständen, Tischen und in Krambuden sind die Waaren ausgelegt, das kleine Handwerk der Stadt zeigt heut im Gewühl der Fremden und Einheimischen, was der Fleiß des Bürgers in der Woche geschaffen.
Hundert Geräthe und Erfindungen, die wir noch heut gebrauchen, waren auf dem mittelalterlichen STADTMARKT feil. Schaufenster gab es nicht; nur der Goldschmied stellte vielleicht kleine Becherlein und Ketten hinter die Fensterrauten der Werkstatt, vorsichtig und unter Aufsicht, damit nicht ein fremder Strolch hineinschlage und mit der Beute entlaufe.
Und wer damals vom Lande kam, der staunte über die Pracht und Fülle begehrungswerther Dinge und fühlte tief den Zauber des Geldes.

So knarren die Wagen und handeln die Menschen, bis die Marktfahne am Rathhaus abgenommen wird oder ein Glöcklein den Markt ausläutet.
Da ziehen auf allen Straßen die Karren und Menschen zu den Thoren hinaus, Stadt und Land haben ihren Bedarf ausgetauscht, die Sonne hat freundlich geschienen, der Handwerksmann hat manches Geldstück in seinen Kasten hinter das kupferne Zahlbret geschoben, auch der Rath ist zufrieden, es ist nur Einer tödlich verwundet worden, dagegen einige Marktdiebe gefangen, schlechtes Volk, das hier und da daheim ist, der Nachrichter wird keine große Arbeit haben.

Doch das Leben auf dem Marktplatz und auf den Straßen der Stadt ging am Abend weiter, der Handwerksgesell und der junge Schreiber gassirten und zeigten sich den Mädchen, die an Fenster und Thüre standen und die Grüße und Scherzreden empfingen. Bei solchem Durcheinander der Männer wurden die Neuigkeiten ausgetauscht, was ein Reisender aus der Ferne zugetragen hatte. Diese große Börse für Neuigkeiten verbreitete auch kleinen Familienklatsch, der in der abgeschlossenen Stadt die größte Bedeutung hatte.
Bis die Sonne sank, spielten die Kinder vor den Straßenthüren und auf den Kirchhöfen, auch die Erwachsenen vergaßen die Würde des Friedhofes, wenn ein Spielmann mit Geige oder Sackpfeife [Dudelsack] an dem Zaune lehnte oder ein lustiger Geselle die Weise pfiff.
Dann tanzte Alt und Jung neben den Gräbern, jauchzte heidnisch um das Gotteshaus und sprang den Reien. Dagegen half kein Verbot.
War die Sonne gesunken, dann wurde es finster und leer in den Straßen der Stadt, denn Beleuchtung gab es noch nicht.

Wer am Abend Geld im Beutel hatte, ging in die TRINKSTUBEN. Sie waren zahlreich und für jede Art von Ansprüchen:
die Vornehmen schritten in die GESCHLECHTERSTUBEN,
dort war geschlossene Gesellschaft, seltene Speise und theurer Wein.
Der Handwerker suchte die ZECHSTUBE seiner Innung.
Wer in eine öffentliche SCHENKE trat, fand laute Geselligkeit und allerlei Gäste. Dort saß die Wirthin des Dorfgeistlichen und vielleicht neben ihr ein Schüler der Lateinschule; am andern Tisch rittermäßige Leute und ihre Knechte, wildes Volk, wenn man sich neben sie setzen wollte, mußte man sein Messer an der Seite haben.
Und wieder gesondert Bürger und Bauern mit ihren Frauen.
Dazwischen zweideutige Gesellen, von denen der Verständige wegrückte, fahrende Strolche und wüste Gesichter.
Es war arger Lärm in dem gefüllten Raum um die dicken Holztische,
ein unablässiges Kommen und Gehen. Der Wirth aber kommt nicht zu Schaden, denn es ist Gesetz der Schenke, daß kein Fremder, und sei er noch so gut bekleidet, einen Trunk bekommt, wenn er nicht das Geld hinlegt; eine Zechschuld aber muß den nächsten Tag eingefordert werden.
Das lustige Leben der Schenke hört auf, sobald die Rathsglocke zum ersten Male läutet, dann müssen alle Häuser geschlossen sein und kein Wirth darf im Hause schenken, nur über die Straße. Nach dem letzten Läuten soll niemand auf der Straße sein, er wird angehalten und auf die Wache geführt, nur der Rath ist frei. Der Lärm war vorüber, nur der Nachtwächter, dessen Amt zu den ältesten der deutschen Städte gehörte, schritt durch die menschenleeren Gassen - bis das Frühgeläut der kleinen Glocken das Anbrechen eines neuen Arbeitstages verkündete."

Die Erzählungen meiner Oma endeten meist mit einem lang anhaltenden Seufzer und dem Satz: "Ja, früher war alles nicht nur anders, sondern auch besser...und die heutige Jugend ? Ach, lassen wir das lieber...!"
Wie wahr - wie wahr ! ;-)


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