Neues 536 - 2022-10-23

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Matthias
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Neues 536 - 2022-10-23

Beitragvon Matthias » Sa 22. Okt 2022, 08:07

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Harald
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Re: Neues 536 - 2022-10-23

Beitragvon Harald » So 23. Okt 2022, 13:54

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ZEITEN VERGEHEN – ERINNERUNGEN BLEIBEN.

Psychologen verweisen gern darauf, dass Menschen, die ab und zu wehmütig in ERINNERUNGEN schwelgen, optimistischer, zufriedener & selbstbewusster sind und ihr LEBEN als sinnvoll empfinden.
Ich bin altersmäßig inzwischen auch schon "etwas betagt" und habe demzufolge sehr viele ERINNERUNGEN, auf die ich zurückgreifen kann. Dennoch vertrete ich nicht den STANDPUNKT, dass früher alles BESSER war – es war einfach nur ANDERS. Sicherlich gab es unzählige DINGE, die tatsächlich BESSER waren als heute; es gab aber auch sehr viel SCHLECHTES in der VERGANGENHEIT, das wir durch unsere verzerrten und verklärten ERINNERUNGEN nicht mehr ganz wahrhaben wollen oder können. Es ist eine TATSACHE, dass die allermeisten Menschen mehr ERINNERUNGEN von ihrer KINDHEIT & JUGEND als von der Zeit danach haben, wobei vor allem die POSITIVEN ERINNERUNGEN so gut im GEHIRN abgespeichert werden, dass sie sogar IM HOHEN ALTER noch abrufbar sind.

HEIMATFORSCHER & IHRE SEHNSUCHT NACH GESTERN

HEIMATFORSCHER leben ja eigentlich mit & von ERINNERUNGEN an die (vermeintlich guten) alten ZEITEN, die unwiederbringlich vergangen sind und deren ZEITZEUGEN, dabei PERSONEN zumeist bzw. BAUWERKE allzu oft, nicht mehr auffindbar sind. Und dennoch macht uns beiden - VATER & SOHN - das Recherchieren, Auffinden, Einordnen & Kommentieren immer noch GLÜCKLICH – und dies hoffentlich auch noch bis zum voraussichtlichen SCHLUSSPUNKT am 2. Januar 2024, zu meinem 80. Geburtstag – so Gott will !
Schon heute aber - postum - ein GROSSES DANKESCHÖN an die einstmaligen Redakteure des >Senftenberger Anzeiger<.
Sie hinterließen uns im Juni 1926 die nachfolgenden

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Wenn man von SENFTENBERG kommend das Werk ELISABETH-GLÜCK und den BAHNHOF SENFTENBERG 2 passiert hat, so steht man rechter Hand, etwa 100 Meter von der CHAUSSEE entfernt, einige MAUERRESTE und noch einen KAMIN eines TROCKENOFENS in die Luft ragen. Beim Nähertreten gewahrt man große TRÜMMERHAUFEN von ganzen und zerbrochenen Mauersteinen, vermischt mit Mörtel und alten Eisenstücken. Man steht vor großen LÖCHERN, die ehemals Aschkanäle und Gänge bildeten. Unwillkürlich wird man beim Anblick dieser Stätte an den Weltkrieg mit seinen kolossalen Verwüstungen in Feindesland erinnert, wo Granaten, Fliegerbomben und Sprengungen in FABRIK~ & WERKSANLAGEN ihre furchtbaren Wirkungen nicht verfehlten und alles niederrissen, was sich ihnen in den Weg stellte; das war eben KRIEGSGESETZ.
Das BILD, welches wir hier sehen, ist FRIEDLICHER NATUR.
Wegen UNRENTABILITÄT, wobei wohl auch die wirtschaftlich schlechte Lage mitspricht, wurde die FABRIK niedergerissen. Hier stand einstmals die >STADTGRUBE<, so wird man der jüngeren Generation später einmal erzählen, und so mancher, der hier sein Brot verdiente, wird noch oftmals beim Vorübergehen an sie zurückdenken.
Jetzt bietet das GELÄNDE, wo vor noch nicht allzu langer Zeit die SCHLOTE rauchten und fleißige Hände tätig waren, ein TRAURIGES BILD. Die Arbeiter einer Senftenberger Baufirma haben, was die SPRENGLADUNGEN der Küstriner Pioniere im April des Jahres noch verschont hatten, bis auf einige Wände ziemlich alles heruntergerissen. Die an die FABRIK angrenzenden GEBÄUDE wie Werkstatt, Magazin, Brikettschuppen, Wiegehäuschen usw. sind der ZERSTÖRUNG zum Opfer gefallen. Aus den KONTOR~ & LAGERRÄUMEN hat man WOHNUNGEN gemacht. An den Mauerresten der ehemaligen FABRIK hängt noch der Teil einer Decke in der Luft, Eisenträger haben sich infolge der freihängenden schweren Last verbogen; OFENSÄULEN liegen von der Sprengung zerstört zwischen den Steinen, nur drei ragen noch wehmütig gen Himmel. Das andere, noch stehende Eisengestänge und Elevatoren warten auf baldiges Abmontieren. Die freigelegten MASCHINEN, KESSEL, BRIKETTPRESSEN usw. wurden abmontiert und auf der an die Fabrik angrenzenden BAHN verladen,
um in anderen BETRIEBEN wieder Verwendung zu finden oder kamen zur VERSCHROTTUNG in das alte Eisen.

Die >STADTGRUBE< gehörte zum Werk „MARIE 3“ der ANHALTISCHEN KOHLENWERKE in SAUO, die dieselbe mit ROHKOHLE versah. Im Jahre 1874 wurde sie inmitten der SENFTENBERGER WEINBERGE – auch wohl das „PARADIES“ Senftenbergs genannt – erbaut und gehörte der FIRMA LEUTERT.
Der STOLLENEINGANG war dort, wo heute die BRÜCKE sich befindet, die die >STADTGRUBE< mit SAUO verband. Ebenso war auch der TAGEBAU in unmittelbarer Nähe der Fabrik. In den 1890er Jahren übernahm die FIRMA WILHELM LEDER die FABRIK, und im Jahre 1913 ging sie in den Besitz der ANHALTISCHEN KOHLENWERKE über.
Auf der >STADTGRUBE< waren über 50 Arbeiter beschäftig, von denen so mancher hier sein DIENSTJUBILÄUM feiern konnte.
Tag und Nacht waren 4 BRIKETTPRESSEN, davon eine Doppelpresse, in Betrieb.
Die FABRIK war immer abhängig von dem WERK „MARIE 3“. Trat in SAUO eine BETRIEBSSTÖRUNG ein, stockte auch sehr oft infolge der ausbleibenden KOHLENZUFUHR der Betrieb in der >STADTGRUBE<, die aber nur vorübergehend war. Die PRESSEN stellten SALON~ & INDUSTRIEBRIKETTS her. Etwa 25 EISENBAHNWAGGONS wurden täglich mit den „schwarzen Diamanten“ gefüllt und in alle Welt verschickt.
6 große TROCKENÖFEN sorgten für die Zubereitung der Rohkohle zur Brikettherstellung. Tag und Nacht rollte der schwere KOHLENZUG, bestehend aus zehn 20-TONNENWAGEN, bespannt mit einer DAMPFLOKOMOTIVE oder elektrischen Maschine, von „MARIE 3“ kommend, mit ROHKOHLE in langsamer Fahrt den Berg von SAUO kommend heran, um auf dem SILO sich seiner braunen Last zu entledigen. Im Geiste sieht man noch den KOHLENZUG auf dem SILO stehen, wo das Ohr so oft das zischende Geräusch, hervorgerufen von der Luftdruckleitung des Zuges, beim Entladen vernahm. Heute zanken sich auf dem z.T. abgerissenen SILO die Spatzen herum. –

Das HERANBRINGEN DER ROHKOHLE verlief nicht immer ohne ZWISCHENFÄLLE. Vor Jahren verlor einstmals der FÜHRER des Kohlenzuges die Gewalt über seine MASCHINE und somit auf der ABSCHÜSSIGEN STRECKE auch über den ganzen ZUG, sodaß die MASCHINE über den ENDPUNKT hinausfuhr und in die TIEFE sauste; glücklicherweise war hier außer MATERIALSCHADEN Verlust an Menschenleben nicht zu beklagen. Im großen und ganzen waren auf der >STADTGRUBE< größere UNGLÜCKSFÄLLE nicht zu verzeichnen.

Im vergangenen Jahre (1925) wurde nun das TODESURTEIL über die >STADTGRUBE< gefällt und Anfang dieses Jahres (1926) das Urteil an ihr vollstreckt. Wie noch erinnerlich sein wird, brachten wir am 10. April einen BERICHT über die NIEDERLEGUNG des großen SCHORNSTEINS. Eine große ZUSCHAUERMENGE hatte sich trotz Geheimhaltung der Sprengung eingefunden, um den Schornstein, das LETZTE WAHRZEICHEN DER >STADTGRUBE<, fallen zu sehen.
Ein SPRENG-KOMMANDO der Küstriner Pioniere, unter Führung eines Oberleutnants, brachte ihn nachmittags 1,30 Uhr zu Fall. Nachdem sich Pulverdampf, Gesteinsstaub & Flugasche verzogen hatten, lag der stolze RIESE, der viele Jahre Sturm & Wetter getrotzt hatte, zermalmt am Boden und gehört heute mit zu dem SCHUTTHAUFEN. –
Man sieht noch die alten ASCHKANÄLE, wo im Winter so mancher „FECHTBRUDER“ sein NACHTQUARTIER aufgeschlagen hatte und hin und wieder recht unsanft von der kontrollierenden WERKSPOLIZEI in seiner nächtlichen Ruhe gestört wurde.

In absehbarer Zeit werden auch die letzten MAUERRESTE fallen und der PLATZ von dem dann noch verwendbaren Material und Schutt geräumt sein. Man kann dann wohl mit Recht sagen: „NEUES LEBEN BLÜHT AUS DEN RUINEN“.

Auch den o.a. SPRENGUNGSBERICHT vom 10. April förderte ich zutage und beende damit meinen KOMMENTAR :) :

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