Neues 557 - 2023-03-19

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Matthias
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Neues 557 - 2023-03-19

Beitragvon Matthias » Sa 18. Mär 2023, 09:25

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Harald
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Re: Neues 557 - 2023-03-19

Beitragvon Harald » Mi 22. Mär 2023, 17:23

Kürzlich machte ein FDP-Politiker „WERBUNG FÜR PFLEGE DER SORBISCHEN SPRACHE IM ALLTAG“. Er verwies darauf, dass „die sorbische KULTUR nicht nur durch TRACHTEN & STRASSENSCHILDER sichtbar sein“, sondern auch dadurch, dass „die sorbische Sprache mehr in der alltäglichen KOMMUNIKATION verwendet wird – in der FAMILIE genauso wie in der SCHULE, in FIRMEN und öffentlicher VERWALTUNG.“
Auch soll ein >Änderungsgesetz< verheirateten SORBINNEN erlauben, die weibliche Abwandlung ihres Namens auf „owa“ im Pass eintragen zu lassen…
Bei derartigen ZEITUNGSMELDUNGEN frage ich mich stets, ob die kärgliche Zahl der „echten“ WENDEN überhaupt schon Kenntnis davon hat bzw. DAMIT konform geht, WAS hier in ihrem NAMEN eingefordert, und dann – womöglich über ihre Köpfe hinweg – etwas übereifrig & vorschnell angeordnet wird.
WIE DEM AUCH SEI - gönnen wir uns stattdessen heute mal einen BLICK durch ein imaginäres >WENDISCHES TOR< in die

Wendisches Tor_resize.jpg

GESCHICHTE DER WENDEN UM SENFTENBERG:


Schon die Bedeutung des am TOR angebrachten wendischen Namens >ZLY KOMOROW< wird in den Lexika unterschiedlich gedeutet,
weil auch die ÜBERSETZUNG der beiden Teilwörter Verwirrung stiftete:

WB_resize.jpg

„Die WENDEN nannten diesen Ort COMERAU, ohne Zweifel darum, weil sie wegen seiner ziemlichen Befestigung bey instehender Kriegs-Gefahr ihre besten Güter gemeiniglich dahin flüchteten, und ihn also gleichsam als eine SCHATZ-CAMMER gebrauchten.“ (Universal-Lexikon 1743)

„SENFTENBERG, von den Wenden KOMOROW genannt. Die Senftenberger handschriftliche Chronik leitet dieses Wort von KAMMER ab, wozu man aber den Grund nicht einsieht, wahrscheinlich kommt der Name von KOMAR, Mücke her, und würde also so viel als MÜCKENHAIN bedeuten, was um so mehr Wahrscheinlichkeit erhält, als in der Nähe ein ähnlicher Ort MÜCKENBERG liegt.“
(>Beiträge zur Geschichts~ & Alterthumskunde der NL< 1838)

„SENFTENBERG führt schon seit vielen Jahrhunderten den wendischen Beinamen >ZLY – das BÖSE<, wegen der vielen Unruhen und Raufereien, die theils von den Rittern, theils von den deutschen Bürgern verübt wurden.“ (>Landbuch der Niederlausitz< 1861 )

Karte Komorow_resize.jpg

Anfang des 12. Jh. herrschte im alten LAUSITZGAU das WENDISCHE vor. Nur die KLEINSTÄDTE wurden hier zunächst ganz von DEUTSCHEN bewohnt.
Sehr gering war auch die Zahl der DEUTSCHEN BAUERN, die sich zu beiden Seiten der SCHWARZEN ELSTER, von Hoyerswerda bis Ruhland, niederließen.
Bezeichnend ist allerdings, dass sich unter den FAMILIENNAMEN der 28 Amtsdörfer von SENFTENBERG um die Mitte des 16. Jh. verschwindend wenig DEUTSCHE NAMEN finden.
Vermutlich ging die geringe DEUTSCHE BEVÖLKERUNG um Senftenberg im Laufe einiger Menschenalter in der zahlenmäßig überlegenen WENDISCHEN auf.
Um die Mitte des 16. Jh. war das platte Land des AMTES SENFTENBERG so gut wie ganz von einer WENDISCH-SPRECHENDEN BEVÖLKERUNG bewohnt.
Jedoch darf man nicht aus dem WENDISCHEN ORTSNAMEN auf die Volkszugehörigkeit der BEWOHNER schließen. Manche ORTSCHAFTEN, in denen die WENDEN gesondert von den DEUTSCHEN wohnten, wurden noch jahrhundertelang als WENDISCHE bezeichnet – gelegentlich mit dem Zusatz „wendisch“. Der UNTERSCHIED zwischen deutsch & wendisch wurde namentlich da hervorgehoben, wo eine DEUTSCHE und eine WENDISCHE ANSIEDLUNG beieinander lagen, wie bei DEUTSCH & WENDISCH SORNO. Später wurden dafür auch die Bezeichnungen NEU & ALT (Welzow) GROSS & KLEIN (Koschen) verwendet.
Das WENDISCHE blieb im Amt SENFTENBERG über das ganze 16./17.Jh. hindurch vorherrschend.
Die EINDEUTSCHUNGSBEWEGUNG ging dann im Laufe des 18. Jh. von der STADT und vom SCHLOSS als Sitz der Landesbehörde aus. Die VERWALTUNGS~ & GERICHTSSPRACHE war nun DEUTSCH und die meisten BEAMTEN & STÄDTER verstanden und sprachen natürlich WENDISCH, sodass eine Verständigung keine Schwierigkeiten machte. Umgekehrt blieb aber bei den WENDEN die Kenntnis der DEUTSCHEN SPRACHE äußerst gering. DEUTSCHES & WENDISCHES VOLKSTUM entfernten sich immer mehr voneinander; um 1818 sprach in der Stadt SENFTENBERG kaum noch jemand WENDISCH.

Wendische Kirche_resize.jpg

DIE SITUATION DER WENDEN, ihrer Kultur & Sprache, in SENFTENBERG & den umliegenden DÖRFERN um 1880
(von Gymnasialprofessor Dr. Ernst Mucke)

„Die SENFTENBERGER KIRCHGEMEINDE ist noch völlig WENDISCH, obwohl dort seit 1878 kein WENDISCHER Pfarrer mehr ist. Auf Wunsch hat der in Sedlitz tätige Herr Archidiakon Kózlik in SENFTENBERG noch bis 1881 jeden Sonntag freiwillig WENDISCH gepredigt, die CHORÄLE wurden jedoch immer DEUTSCH gesungen, weil die LEHRER in den Schulen nicht WENDISCH lehrten. Überhaupt wurde in den SCHULEN der SENFTENBERGER KIRCHGEMEINDE schon vom Anfang dieses Jahrhunderts zumeist weder ein einziges Wörtchen WENDISCH gelehrt noch gesprochen, in der STADT SENFTENBERG überhaupt nicht.

SENFTENBERG mit den Vorstädten hat 2100 Einwohner, in der Stadt selbst sind 60 WENDISCHE WIRTSCHAFTEN und ungefähr 250 WENDISCHE DIENSTLEUTE.
Von den Vorstädten hat NEUSORGE 250 und JÜTTENDORF etwas über 300 Einwohner; von ihnen ist nur 1 Zehntel deutsch, in den WENDISCHEN FAMILIEN spricht man auch mit den Kindern WENDISCH; auf den von den Deutschen gegründeten WEINBERGEN ist aber kaum 1 Fünftel WENDISCH.

BUCHWALDE, ein Dorf mit vielen neuen massiven Gebäuden und ohne Herrenhof, zählt 290 Leute in 44 Gehöften – 14 bäuerliche, 7 neuhäuslerische & 23 gärtnerische. ALLE EINWOHNER sind WENDEN mit Ausnahme von 23 Männern; diese aber haben WENDISCHE FRAUEN und ihre KINDER sprechen WENDISCH; überhaupt sprechen die KINDER daheim alle WENDISCH. Auf dem DORFANGER hörte ich spielende kleine KINDER sich WENDISCH vergnügen. SCHREIBEN, wie man mir bezeugte, kann WENDISCH niemand – weder von den Erwachsenen noch von den Schulkindern, LESEN aber können sie sehr schlecht, was auch nicht so seltsam ist wie anderswo, weil BUCHWALDE in die Senftenberger DEUTSCHE (städtische) SCHULE eingeschult ist.
Die FRAUEN tragen auf dem Kopf WENDISCHE KÄPPCHEN, die unverheirateten MÄDCHEN aber DEUTSCHE KOPFTÜCHER.

KLEINKOSCHEN, ein gänzlich neues Dorf, umfasst 225 Einwohner in 26 Wirtschaften, mit 18 Bauerngütern, deren BESITZER zumeist wohlhabend sind. Das Dorf ist VÖLLIG WENDISCH.

BRIESKE ist ein Dorf mit 300 Einwohnern, welche noch WENDISCH sind und hat eine SCHULE. Von den 50 Schulkindern spricht nur die Hälfte heute noch WENDISCH, wird auch in der Schule nicht unterrichtet. Auch die ältesten Leute haben dort nur DEUTSCH gelernt; WENDISCH lesen kann im Dorf niemand, es hat angeblich auch niemand WENDISCHE BÜCHER, deutsche aber wohl auch nicht. Die JUNGE GENERATION unter 30 Jahre spricht schon unter sich lieber DEUTSCH, wenngleich sehr schlecht. Die KINDER reden mit den älteren Leuten WENDISCH, mit den jüngeren aber DEUTSCH. Fast in der Hälfte der Familien wird mit den Kindern nur gemischtes & verstümmeltes DEUTSCH gesprochen, was sehr lächerlich, aber ebenso traurig ist.

HÖRLITZ hat in 28 WIRTSCHAFTEN (16 Bauerngehöfte, 7 gärtnerische, 5 Häuslerstellen) 250 Einwohner, die ALLE WENDISCH sind, alte & junge. Die nahe dem Dorf liegenden Hörlitzer WEINBERGE sind eine DEUTSCHE KOLONIE mit 20 Häusern. In der 1827 gegründeten DORFSCHULE wurde bisweilen etwas WENDISCH unterrichtet.

RAUNO, ein Dorf mit großen Braunkohlegruben ist nach dem Zeugnis des Dorfschulzen noch zu ¼ WENDISCH. Von den 20-jährigen im Dorf geborenen Leuten verstehen fast alle noch WENDISCH; viele von ihnen reden aber lieber DEUTSCH wegen des Umgangs mit den Fremdarbeitern. Von den SCHULKINDERN der 1851 neuerbauten DORFSCHULE, in der WENDISCH nie unterrichtet wurde, spricht wenigstens 1/10 noch WENDISCH, verstehen können es aber mehr von ihnen.

REPPIST, ein Dorf mit großen Braunkohlegruben & Brikettfabriken, ist voller FREMDEN VOLKS, welche das einheimische etwas verderben. Außer den Fabrikarbeitern wohnen dort ungefähr 200 WENDISCHE LEUTE in 16 bäuerlichen und 6 gärtnerischen Familien, welche sich allesamt noch ART & SPRACHE ihrer Vorfahren bewahrt haben.
Die um 1849 gegründete Reppister SCHULE hat nie WENDISCH-UNTERRICHT gehabt.

Im Jahre 1868 machte der >PRAKTISCHE SCHULMANN< die Schüler der VOLKSSCHULE mit dem geheimnisumwobenen WENDENVOLK bekannt:

„Dieses VÖLKLEIN in unserer Nähe, welches sich so gut zu bewahren verstand vor den Einflüssen der „modernen Kultur“, sind die SORBENWENDEN, von denen sich die MILCZENER in der heutigen OBERLAUSITZ, die LUSICZER in der NIEDERLAUSITZ ausbreiteten.
Diesen Bewohnern der beiden LAUSITZE (von „Luza“ = Sumpfland) pflegt man gewöhnlich den Namen >WENDEN< zu geben. Die WENDEN selbst geben sich am liebsten den Namen >SORBEN<.
Sie waren ein mildthätiges, bis zur Verschwendung gastfreundliches Volk von kindlich naiver Fröhlichkeit – und ihre NACHKOMMEN sind es getreulich bis heute geblieben.
Die alten WENDEN besaßen einen gar geselligen Sinn, der sie auch dazu trieb, sich eng aneinander anzubauen. So entstanden bald DÖRFER & STÄDTE, in denen sich Haus an Haus reihte, in denen der Hausvater mit absoluter Macht – als kleiner KÖNIG, als Herr sogar über Leben & Tod der Seinen – herrschte.
Die WENDEN lieben die Freuden der GESELLIGKEIT, und ihre Heiterkeit & Fröhlichkeit ist unverwüstlich, ob bei Hochzeiten, dem Kirchweih~ und Erntefest, bei Kirmesschmaus & ~tanz, beim Umzug in der Osternacht oder dem Zamperfest zur „Wendischen Fastnacht“.
Leider zeigt sich im Volke der WENDEN ein gewisses MISSTRAUEN gegen die DEUTSCHEN und gegen alles DEUTSCHTUM, welches selbst die gegenwärtige tolerante Zeitrichtung nicht zu zerstören vermocht hat. Das VÖLKLEIN DER WENDEN zeigt sich noch heute, mit mehr oder weniger Abweichungen, in den verschiedenen Dörfern als eine "RUINE" aus alter grauer Zeit, aber einer Ruine, auf der das AUGE gern und mit Wohlgefallen weilt. Möge dieses harmlose VÖLKCHEN mit seiner reichen LIEBE zu stiller HEIDE & grünen TÄLERN, zu den alten, geheiligten GEBRÄUCHEN seiner Altvorderen und zur ererbten MUTTERSPRACHE sich lange noch bewahrt halten vor der „ÜBERTÜNCHTEN HÖFLICHKEIT DEUTSCHER NACHBARN“…

Tracht_resize.jpg


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