Neues 586 - 2023-12-03

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Matthias
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Neues 586 - 2023-12-03

Beitragvon Matthias » Sa 2. Dez 2023, 12:57

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Harald
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Re: Neues 586 - 2023-12-03

Beitragvon Harald » Fr 8. Dez 2023, 18:39

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„Als unserem HERRGOTT klar wurde, dass selbstredend NUR DIE BESTEN MÄNNER GUT TANZEN können,
erschuf er aus Mitleid für die NICHTTÄNZER das FUSSBALLSPIEL.“

…heißt es in einem lustigen Sprüchlein, welches eigentlich nur darauf hinweist, dass die fast immer nach MUSIK ausgeführten raschen SCHRITTFOLGEN samt Drehungen & eventuellen Verknotungen eine echte HERAUSFORDERUNG darstellen. Chronische TANZBANAUSEN schauen deshalb lieber ins BIERGLAS, jedoch hin & wieder schon mal ganz verstohlen auf das „Rumgehopse“ der ausgelassenen TANZPAARE, was sie abwertend kommentieren mit: „Wer TANZT, hat bloß kein GELD zum SAUFEN!“
JUNGE BURSCHEN WIE WIR nahmen es natürlich gekonnt mit dem schnellen WIENER & dem langsamen ENGLISCHEN WALZER auf, legten einen zackigen TANGO hin oder kreisten im FOXTROTT durch den Saal…was wir durch eine äußerst günstige Gelegenheit "so ganz nebenbei" erlernten, denn hierzu brauchten wir nicht mal zur obligatorischen TANZSTUNDE gehen, denn die pubertierende SCHÜLERSCHAFT aus HÖRLITZ & SENFTENBERG-WEST wurde Ende der 1950er Jahre zum TANZBEINSCHWINGEN ins >KLUBHAUS MEUROSTOLLN< eingeladen, wo man allerdings erst einmal in einer aus vielen Mädchen & sehr wenigen Jungen bestehenden TANZGRUPPE landete, die sich an unterschiedliche VOLKSTÄNZE, wie an den LÄNDLER, einer Urform des Walzers, oder den in ganz Deutschland populären TAMPET, aber auch sehr vielen STERN~ & KREUZPOLKAS heranwagte. Bei diversen regionalen AUFTRITTEN unserer VOLKSTANZGRUPPE stand auch ein sogenannter SCHMETTERLINGSTANZ auf dem Programmzettel, der bereits um 1900 unter dem Namen „BERLINER POLKA“ populär wurde, bei der Text & Melodie des fränkischen VOLKSLIEDES „Schätzchen, adé“ wie auch des KINDERLIEDES „Winter adé“ als Vorlage dienten. Unsere damalige TANZLEHRERIN, Frau BRODACK, klärte uns auf, dass der SCHMETTERLINGSTANZ ab 1934 auch als im Volksmund geläufige >POLKA von hinten< nach dem VOLKSLIED „LIEBCHEN, ADÈ" – (noch ohne „Annemarie)“ getanzt wurde.

Doch was wir damals nicht wussten:
DIESES LIED HAT EINE ÜBERAUS DUNKLE VERGANGENHEIT!

Im 1.WELTKRIEGwurde dieses volkstümliche ABSCHIEDSLIED von den an die Front fahrenden SOLDATEN gesungen bzw. per LIED-POSTKARTE an die Liebsten daheim geschickt. Der LANDSER zog in die Schlacht, das „LIEBCHEN“ blieb mit den KINDERN am Rockzipfel am Herd zurück. Im 2.WELTKRIEG sind Millionen Soldaten der Wehrmacht mit Liedern wie „Liebchen ade – Annemarie“ in neuer TEXTFASSUNG an die Front gezogen und anschließend für Führer, Volk & Vaterland gefallen...

Annemarie_resize.jpg

Eigentlich schlug erst mit dem Hinzufügen des weiblichen Vornamens ANNEMARIE an „Liebchen, adé“ die Geburtsstunde der nach ihr benannten POLKA, die von einem der in der Nazizeit bekanntesten Komponisten des ‚Dritten Reiches‘ – HERMS NIEL (1888 – 1954) – mit bürgerlichem Namen Hermann Nielebock) – verfasst wurde. Dessen stimmungsgeladene, wie am Fließband getextete, vertonte, öffentlich aufgeführte wie auch auf Schellackplatten aufgenommene, TANZ~ & SOLDATENMUSIK war geprägt von eingängigen Liedtexten & mitreißenden Melodien im stumpfen Marschrhythmus mit charakteristischen, exzessiven Paukenschlägen. Sein Markenzeichen für heimatromantische Kriegs~ & Soldatenseligkeit waren vor allem die zahlreich verwendeten FRAUENNAMEN, getreu seinem Wehrmachts-Werbespruch: „Wenn man ihn ruft, dann ist er da: der Komponist der ‚ERIKA‘!“
Besagter, auf der Heide blühenden „Erika“ folgten „Helga, schöne Helga“ – „Es ist so schön Soldat zu sein, Rosemarie“ – „Antje, mein blondes Kind“ – die „Kleine Elisabeth“ – „Gerda, Ursula, Marie“ – „Rosa, Rosa, mein Mädel“ – „Lieselott“ – „Waltraut ist ein schönes Mädchen“ – „An Renate“ – „Marie, Mara, Maruschkaka“ – oder auch „Wenn ich mich mit der Male im grünen Grase aale“ und „Babette bläst das Hammelbein“…

An der Spitze marschierte jedoch stets die "unverwüstliche" ANNEMARIE...


Heutzutage vergeht wohl kaum ein STADT~ oder DORFFEST in unserer Region ohne die beliebte „ANNEMARIE-POLKA“. Als vermeintlicher >LAUSITZER KULTTANZ< sorgt sie im Handumdrehen für eine prall gefüllte TANZFLÄCHE, denn sie mobilisiert die Massen, sorgt für ausgelassene Stimmung, Frohsinn & echtes Gemeinschaftsgefühl.
Viele LAUSITZER haben „ihre“ ANNEMARIE und die dazugehörigen TANZSCHRITTE schon mit der Muttermilch aufgesogen, kennen sie von Kindesbeinen an & feiern sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Die außerordentliche BELIEBTHEIT dieser inzwischen schon etwas betagten „POLKA-TANTE“ erklärt ein Tanzpädagoge wie folgt:
„Die Schrittfolge ist kinderleicht, schnell abgeguckt und beigebracht. Selbst Männer mit wenig Tanztalent schaffen das.
Die halten einfach die Hände der Partnerin und latschen ihr irgendwie hinterher“.

In der PRAXIS sieht das dann so aus:
Alles stürmt auf die Tanzfläche, Paare finden sich schnell, es wird wie selbstverständlich ein Kreis gebildet, Männlein steht hinter Fräulein, die Hände fassen sich seitwärts über Schulterhöhe. Alle tanzen im „Gleichschritt“, es gibt keinen Vortänzer und keine Rangordnung.
Die >ANNEMARIE< ist eine POLKA wie jede andere – nur dass sie eben nicht KLASSISCH, sondern >VON HINTEN< getanzt wird…
UND DAS GEHT SO: 2 Tipp links, 2 Tipp rechts, 2 Schritt vorwärts links, 2 Schritt vorwärts rechts. Dann rechter Hand eine Drehung der Dame (ganz mutige Tänzerinnen drehen 2mal),
wobei sie vom Herrn sozusagen "an der Hand geführt" wird. Dann wieder in Ausgangsstellung und wie gehabt: 2 Tipp links...etc.



TATSACHE ist aber, dass die ANNEMARIE-POLKA definitiv kein sorbisch-wendischer Tanz, und „LIEBCHEN, ADÈ“, wie oben erwähnt, auch kein sorbisch-wendisches, sondern ein fränkisches VOLKSLIED ist.
Höchstwahrscheinlich haben aber die SORBEN & WENDEN in ihren markanten TRACHTEN schon in den 1920er-Jahren diese „POLKA VON HINTEN“ getanzt, und möglicherweise dazu die echt SORBISCHEN VOLKSLIEDER „Kataržynka“ oder „Marijanka“ gesungen. Damit aber in der heutigen Zeit das unter DEUTSCHEN so beliebte >ANNEMARIE-LIED< eben auch auf SORBISCHEN FESTEN getanzt und gesungen werden kann, bastelte man flugs 2 – für Erwachsene & Kinder separate – sorbische TEXT-Varianten zusammen, und somit sind alle „Annemarie-FANS“ zufriedengestellt:


(1) „Für mich ist ‚Liebchen ade‘ ein deutsches Volkslied, das von einem Nazi-Komponisten um Text, Idee und Melodie beklaut wurde."
(2) „Es ist viel Unrecht in der Geschichte geschehen. Ich denke, das Lied ist eine einfache Polka und kann besonders gut in Tracht getanzt werden.
Es ist ein Lied, das Menschen, egal ob Sorben, Wenden oder alle anderen, zusammenbringt, singen, tanzen und feiern lässt.“
(3) „Die Annemarie-Polka wurde schon zu DDR-Zeiten bei der Fastnacht auf den Dörfern gespielt.
Das ist schon wieder so ein Versuch, irgendwas madig zu machen, woran die Leute hier ihren Spaß haben.“
(4) „Wer kennt denn die Annemarie-Polka nicht? Gehört auf jedes Dorffest, ist gut zu tanzen, vor allem, wenn man schon einen auf der Lampe hat.“




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