Neues 594 - 2024-02-11

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Matthias
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Neues 594 - 2024-02-11

Beitragvon Matthias » Sa 10. Feb 2024, 10:35

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Harald
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Re: Neues 594 - 2024-02-11

Beitragvon Harald » Fr 16. Feb 2024, 20:42

eingemachtes_resize.jpg

Echtes "EINGEMACHTES" steht heute nur noch in den wenigsten KELLERREGALEN herum. Bis vor etwa hundert Jahren, als es noch keine KÜHLSCHRÄNKE in den Wohnungen gab, sah das anders aus: Jede FAMILIE musste für ihre eigenen VORRÄTE sorgen. Um auch im WINTER genügend NAHRUNGSMITTEL zu haben, begann man also schon im HERBST damit, FLEISCH, GEMÜSE, PILZE & OBST durch EINKOCHEN haltbar zu machen. Bis in die 1960er Jahre kochten die meisten Haushalte OBST & GEMÜSE ein – als Vorrat für den Winter oder für Notzeiten. Waren frische Lebensmittel aufgebraucht oder nicht verfügbar, musste man diese letzten Reserven angreifen, die in luftdicht verschlossenen "EINWECKGLÄSERN" auf den Verzehr warteten. Dann wusste die Hausfrau: Es wird ernst und jetzt geht‘s an die Substanz!
Mittlerweile haben KONSERVENDOSEN & TIEFKÜHLTRUHEN das eigene EINKOCHEN weitestgehend ersetzt.
Aber als REDEWENDUNG besitzt es noch immer einen festen Platz in der deutschen Sprache.

Übrigens nutze ich seit Kindertagen sprachlich nicht EINKOCHEN oder EINMACHEN, sondern ausschließlich das „EINWECKEN“ von Obst & Gemüse in „EINWECKGLÄSERN“ und den Verzehr des „EINGEWECKTEN“ nach Bedarf. Erst später erfuhr ich, dass diese >WECK< - Wörter auf die am 1. Januar 1900 gegründete FIRMA „Johann WECK & Co.“ zurückgehen, einem Hersteller von gewindelosen GLÄSERN zur Haltbarmachung von Speisen mittels EINKOCHEN. Diese wurden nach dem Gründer EINWECK~ bzw. WECKGLÄSER genannt.

AKTUELLE >SPRACHBEISPIELE< wären beispielsweise:
- Infolge der Inflation geht es jetzt in vielen Haushalten ans EINGEMACHTE. Doch auch die Ersparnisse werden irgendwann aufgebraucht sein.
- Jetzt geht es so langsam ans EINGEMACHTE. Wir müssen den Gürtel enger schnallen.
- Anfangs ist die Solidarität groß, doch wenn es ans EINGEMACHTE geht, ist sich jeder selbst der Nächste.


Scado TITEL_resize.jpg

Tja; und bei mir geht’s „kommentarmäßig“ in puncto >DAS VERSCHWUNDENE DORF SCADO< auch ans EINGEMACHTE,
weil ich mein thematisches „PULVER“ eigentlich schon im KOMMENTAR unter NEUES 560 „verschossen habe“…
So kann ich mich heute nur noch auf einen kargen REST stützen, der sich aus wenigen historischen >EINZELBEITRÄGEN< zur NAMENSGEBUNG des Dörfchens SCADO rekrutiert:


Das sorbische WORT >SKODA< für „SCHADEN“ wurde aus dem Deutschen entlehnt, der deutsche ORTSNAME >SCADO< (zuweilen auch >SKADO<) ging wiederum aus dem sorbischen hervor. Mit ihm bezeichnete man gewöhnlich eine auf unfruchtbarem Boden gelegene, ärmliche SIEDLUNG. Gern führt man ihn auch auf den sorbischen PERSONENNAMEN >Skoda< zurück, welcher seinerseits dem deutschen >Schade(n)< entsprach.
Hier sind 3 VOLKSTÜMLICHE DEUTUNGSVERSUCHE für den ORTSNAMEN >SCADO<:

(1)„Ehe das Dorf SKADO gebaut wurde, hatten die GEYERSWALDER an demselben ORT ihre beste Hutung, Gräserei, Streu und Holz. Als man nun anfing den Ort zu bauen, sagten die Geyerswalder:
“to jo pakze skoda” - “es ist doch schade, (dass hier ein Dorf gebaut wird)”, wodurch sie großen SCHADEN an HOLZ & VIEHWEIDE erwarten durften. Daher hat der Ort den Namen >SKADO< erhalten.

(2) Ein SCHÄFER fand die alle hundert Jahre blühende WUNDERBLUME, die als SCHLÜSSEL zum KOSCHENBERG galt und durch welchen man in das Innere des Berges zu den dort ruhenden, von Zwergen bewachten, unermesslichen SCHÄTZEN gelangte. Nachdem er von den ZWERGEN an reichbesetzter TAFEL gespeist und getränkt worden war, wurden ihm die SCHÄTZE gezeigt und gesagt: “Hier kannst Du nehmen so viel Du willst, aber vergiss das Beste nicht”. Reich von Schätzen beladen kehrte er dann wieder ins FREIE zurück. Vom Glück berauscht, hatte er aber seinen HUT mit der WUNDERBLUME vergessen. Als er jedoch zurückkehrte, um beides zu holen, war der BERG geschlossen. Da rief er sehr verärgert aus: “O skodow!” (oh wie schade). Für die reichen Schätze kaufte er sich aber in der Nähe ein RITTERGUT, welches nach seinem Ausrufe >SKADO< genannt wurde.

blaue Blume.jpg

(3) Zwischen BAUTZEN & KAMENZ gab es in alter Zeit sehr viele RITTERGUTSBESITZER oder JUNKER, welche die armen BAUERN unterdrückten und quälten. Die BAUERN seufzten daher oft und wünschten, der TEUFEL möge all die feinen Herren holen. Der TEUFEL, über die ewigen Klagen ergrimmt, nahm eines Tages einen großen SACK, steckte so viele JUNKER, wie nur darin Platz hatten, hinein und flog mit ihnen der NIEDERLAUSITZ zu. Über dem Walde bei SCHWARZKOLLM wurde ihm der SACK doch etwas zu schwer. Er rastete daher auf einem STEIN, in dem sich sogleich seine HUFE abdrückten. Dann flog er weiter nach SENFTENBERG zu. Dort, wo heute das Dorf SCADO liegt, kam ihm in den Sinn, doch einmal nachzusehen, wie es seiner noblen Gesellschaft ginge. Er band den SACK auf, und hopp! entwischte ihm einer. Der Teufel rief erbost: »Um den war es schade !« Der JUNKER gründete an dieser Stelle den Ort SCADO, was auf deutsch »SCHADENDORF« bedeutet.
Als der Teufel dann über ALTDÖBERN flog, war er der Sache überdrüssig, band den SACK auf, schüttete das ganze Gelichter aus und verstreute es über das Land. So säte er JUNKER von CALAU bis nach DREBKAU. Bis zum Jahre 1945 war dort die ganze Gegend voll von RITTERGÜTERN, so daß es in manchem DORF gleich zwei oder drei gab. In SCADO jedoch gab es nur den einen JUNKER, der dem TEUFEL aus dem SACK entwischt war.


DORF sage_resize.jpg

Was mich allerdings etwas verwirrt, ist der Umstand, dass man „SKODA“ („Schade“) sagte und daraus „SKADO“ ableitete, was im Wendisch-Lausitzischen WÖRTERBUCH nicht auffindbar ist.
An anderer Stelle war zu lesen: „SKADO hieß auf Sorbisch ŠKODOW“.
Aber andererseits: Wen – außer uns HEIMATFORSCHERN – interessiert das eigentlich noch, wo doch das DÖRFCHEN schon seit 1964 nur mehr in der Erinnerung einiger weniger Zeitzeugen existiert ? Die über die Jahrhunderte hinweg stets um 240 DORFBEWOHNER pendelnde BEVÖLKERUNGSZAHL sorgte dennoch für eine beachtenswerte UMBENENNUNGSLISTE:

1410 Schkada / 1448 Scado / 1461 Skado / 1474 Scchadow / 1551 Schkada, Schkado & Schcada /
1555 Szkadaw / 1563 Skado / 1692 Sckado / 1791 Scado / 1843 Škodow !


Den sich über 10 Jahre hinziehenden, allmählichen UNTERGANG IHRER HEIMAT beschrieb die ehemalige Lehrerin INGRID RADOCHLA wie folgt:

„1953 begann nordwestlich von GEIERSWALDE der Aufschluss des TAGEBAU KOSCHEN. Dazu wurden die riesigen Bagger und Förderbrücken dorthin umgesetzt. Ein beeindruckendes Spektakel, das ich mir als Kind nicht entgehen ließ. Langsam wanderte die Grube auf unseren Nachbarort SCADO zu. Zwischen SCADO & GEIERSWALDE existierte seit jeher eine enge Verbindung. Die Kinder aus SCADO gingen mit uns in die Schule in GEIERSWALDE, ihre Toten begruben die SCADOER auf dem GEIERSWALDER Friedhof. Nun erzählten wir in der Grundschule: »SCADO ist bald weg. Bald frisst der Bagger das Dorf.« Erst 1964 wurde der Ort endgültig geräumt. Bis dahin konnten wir uns alle darauf einstellen, dass SCADO verschwindet. Nach und nach verließen die Bewohner ihre Höfe und Häuser. Nur eine einsame Seele wollte nicht weichen. Zuletzt lebte dieser Mann für einige Monate in seinem Haus ohne Strom und Wasser. Schließlich eskortierte ihn die Polizei von seinem Grundstück. Anschließend wurde das Haus gesprengt.
Bevor SCADO endgültig verschwand, holten sich die Dorfbewohner aus den alten Häusern Baumaterialien. Meine Eltern bauten ihr Haus in den Sechzigerjahren zum Teil aus »Scadoer« Steinen. Man könnte sagen, die Orte sind somit auf ganz besondere Art und Weise miteinander vereint. Einige ehemalige SCADOER leben heute hier im Ort als unsere Nachbarn und auch das SCADOER KRIEGERDENKMAL erinnert in GEIERSWALDE an die Gefallenen und damit an die Schrecken des Krieges…“


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