Neues 144 - 2014-08-31

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Matthias
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Neues 144 - 2014-08-31

Beitragvon Matthias » So 31. Aug 2014, 11:13

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Harald
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Re: Neues 144 - 2014-08-31

Beitragvon Harald » So 31. Aug 2014, 12:42

Jazz_resize.jpg
Die GOLDENEN 20er JAHRE bescherten den auf Lustbarkeiten versessenen jüngeren Senftenbergern Kabaretts, Nacht~ und Tanzlokale, sowie große Tanzsäle wie das GESELLSCHAFTSHAUS auf der städtischen & das Buchwalder "Gasthaus zu den DREI LINDEN" auf der dörflichen Seite, in denen zunehmend auch JAZZKAPELLEN musizierten.
Trotz Unkenntnis ihrer damaligen Nummernprogramme nehme ich stark an, dass darin auch moderne Tänze enthalten waren, die überwiegend aus den USA importiert wurden.

Charleston - Rock'n Roll_resize.jpg

Auch der CHARLESTON gehörte mit seinen grotesken Bewegungen, dem beherzten Einsatz von Hüften, Hintern und Beinen dazu. Er wurde meist von Paaren getrennt, ohne gegenseitige Berührungen getanzt.
"Scheibenwischerfüße", abwechselnde X- und O-Beine, damit verbunden die nach außen und innen verdrehten Knie und Füße, Hockstellungen etc. riefen natürlich prompt die Kritikaster auf den Plan, welche diesen Tanz als "Triumph der Geilheit & Rückkehr zu den Sitten der Urzeit" abwerteten.
Auch der Leiter der in unserer Stadt sehr beliebten TANZSCHULE BROSATIS aus Cottbus tönte in einem "offenen Brief an das tanzende Publikum" gegen ausländische Tänze im >Senftenberger Anzeiger< (1932) - und zwar unter der markigen Überschrift:
DEUTSCHE, TANZT DEUTSCH !

"In letzter Zeit sind vielfach die Tänze der kommenden Saison und die Neuerscheinungen TAPTROT und CHARLESTEP behandelt worden.
Beide Tänze sind das Ergebnis eines Tanzwettbewerbs in London und werden ebenso wie alle Neuerscheinungen der letzten Jahre - ich erinnere nur an RUMBA, SIX-EIGHT, PASO DOBLO, SHIMMY, CATSTEP, SLINGAN usw. - schnell wieder verschwinden.
Es liegt absolut kein Bedarf an neuen Tänzen vor. Die große tanzlustige Welt nimmt fast keine Notiz davon, und mit Recht.
Durch den ewigen Wechsel kann der vorjährige Schüler nicht mit der jüngeren Dame tanzen. Die Folge davon ist: das Publikum wird unzufrieden, ärgerlich und tanzmüde. Von berufener Seite muß einmal gesagt werden: Schluß damit !
Es ist Wahnsinn, in jedem Jahre zu Beginn der Saison mit neuen Tänzen, hauptsächlich ausländischen Ursprungs, in Erscheinung zu treten, doppelt töricht in der heutigen Zeit, in der durch Deutschland eine Sturmflut nationaler Gedanken und Gefühle wogt.
Gegen die stabilen Gesellschaftstänze FOXTROTT, TANGO, ONESTEP, moderner WALZER, die seit langer Zeit die Ballsäle beherrschen und der deutschen Eigenart angepaßt sind, läßt sich nichts einwenden. Wir können uns nicht tänzerisch abschließen und dürfen den natürlichen Zusammenhang mit dem Auslande nicht verlieren.
Aber Propaganda zu machen für ausländische Tänze, die an den Haaren herbeigezogen, sinnlos und zwecklos sind, sollte jeder ordentliche, ernsthafte Tanzlehrer glatt ablehnen.
Aussicht, vom Publikum angenommen zu werden, hat lediglich der herausgebrachte VIERECKTANZ für vier Paare, Ersatz für die leider aus der Mode gekommene QUADRILLE. Dieser Gesellschaftstanz, DEUTSCHLÄNDER benannt, ist mit modernen Schritten versehen, leicht faßlich und in gefälligen Figuren zusammengestellt."

Brosatis_resize.jpg

Sprichwörtlich "das Kraut fett" machten noch einige musikalisch angehauchten Mediziner, die zu folgender wissenschaftlichen Erkenntnis kamen:

"JAZZ BEIM ESSEN führt leicht zu Verdauungsstörungen.
Am schlimmsten ist es drüben in der Heimat des Jazz, in den Vereinigten Staaten. Da herrscht in den meisten Gaststätten die Sitte, zum Abendessen nicht nur die Jazzkapelle spielen zu lassen, sondern die Gäste stehen dann und wann mitten während des Mahls auf, tanzen - während ihr Magen sich mit den Speisen abquält - und setzen dann das Essen fort. Und am nächsten Tage beschweren sich die Leute, sie hätten eine schlaflose Nacht gehabt, was sicher an den Speisen gelegen habe. Die Schuld an solchen Magenverstimmungen trägt aber in diesen Fällen der JAZZ, der den Körper am meisten zu unwillkürlichen Bewegungen reizt. Letztere können natürlich während des Essens nicht vorteilhaft wirken."

Irgendwie erinnert mich dies alles an die sogar überaus hasserfüllte Diskriminierung des ROCK'N ROLL in der ehemaligen DDR.
Heute bei Wikipedia sehr lapidar beschrieben als "ein fröhlicher, schneller und sportlicher Tanz, der stark zuschauerorientiert ist und auf Grund seiner spektakulären Akrobatik teilweise mit den Ängsten des Zuschauers spielt" - äußerte sich die Zeitung >JUNGE WELT< einst so:

"...und Hunderte junge Menschen begannen zu zucken, zu toben im wahnsinnigen, ewig gleichförmigen Rhythmus jenes teuflischen ROCK'N ROLL, der nichts neben sich duldet als Stumpfsinn und Raserei; der den Verstand zum Kopfe hinausjagt und in den Ohren nichts anderes klingen läßt als das Geheul eines Besessenen."
(Damit war das legendäre Bill-Haley-Konzert (1958) im Berliner Sportpalast gemeint.)

Gottlob haben die einstigen Anhänger des Rock'n Roll und späterhin des TWIST keine bleibenden Schäden davon getragen, erfreuen sich mit mir gemeinsam hoffentlich alle noch bester Gesundheit und denken mit seligem Verzücken an diese tolle Zeit, als wir uns noch schwungvoll die Beine verbiegen durften...;-)


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