Neues 617 - 2024-09-01

[Matthias]

Hier klicken, um zum entsprechenden Eintrag unter "Neues" zu springen...

[Harald]

Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was (v)erzählen.
Drum nahm ich meinen Stock und Hut und thät das Reisen wählen.

Das ZITAT stammt von dem deutschen Dichter Matthias Claudius (1740 – 1815) und ist heute noch so aktuell wie ehedem – sofern man bereit ist, mit OFFENEN AUGEN & WACHEM GEIST zu reisen.

„ES WIRD IHNEN IN DEM KLEINEN SENFTENBERG, MITTEN IM ALLES ANDERE ALS ROMANTISCH ANMUTENDEN NIEDERLAUSITZER BERGLAND-GEBIET
SICHER NICHT RECHT GEFALLEN…“

– Trotz dieser sehr pessimistischen Voraussage, welche ihr die Einwohner des vorangegangenen Reisezieles beim Abschied zuriefen, wagte VOR 100 JAHREN irgendeine halb-anonyme „Frieda“ einen 8-tägigen AUFENTHALT in unserer STADT, und berichtete danach exklusiv für den >Senftenberger Anzeiger< unter:

„Die verschiedenen Gruseligmacher in >DINGSDA< verdienen eine gehörige ABFUHR. Nach ihrer Gespenstermalerei glaubte ich in ein NEST wie >POSEMUCKEL<, in ein schwarz wie die Nacht aussehendes STÄDTCHEN und in ein >SODOM & GOMORRHA< betreffs TRINKLUST seiner BEWOHNER zu kommen.
Wie sieht die NIEDERLAUSITZER BERGBAUZENTRALE aber in Wirklichkeit aus?
Richtig ist freilich, daß der NATURSCHWÄRMER im ersten Augenblick etwas enttäuscht dreinschaut,
wenn er beim Hineinfahren in die Niederlausitz anstatt WILDROMANTIK
nur riesige [1] KOHLENFELDER & WERKSANLAGEN mit eben solchen SCHORNSTEINEN vorfindet. Darin liegt wiederum, allerdings mit anderen Augen angesehen, wohl auch ein Stück ROMANTIK. Entsprechend dem vermeintlichen BILD VON SENFTENBERG hatte ich mir natürlich seinen [2] BAHNHOF vorgestellt.
OH, DIESE ANGENEHME ENTTÄUSCHUNG !
Hinter ihm müssen sich die BAHNHÖFE vieler bedeutend größerer STÄDTE bei weitem verstecken. Die SENFTENBERGER BAHNHOFSANLAGE imponiert nicht nur durch ihren UMFANG und ihre GROSSZÜGIGKEIT, sondern ebenso durch ihre INNERE & ÄUSSERE SCHÖNHEIT.
Auf diesen BAHNHOF können die SENFTENBERGER mit vollem Recht stolz sein.
Dem ersten Eindruck folgt gleich der zweite. Die früheren Senftenberger STADTVÄTER scheinen bei Anlage der [3] BAHNHOFSTRASSE jedenfalls keine „BAUMKOLLER-isten“ gewesen zu sein, denn sonst fände man nicht die BAUMGRUPPEN an beiden Seiten dieser Straße sowie anderer Straßen vor, welche dem STADTBILD ein poetisch anmutendes SCHMUCKES AUSSEHEN geben und dem gemäße BEACHTUNG verdienen.
Aber auch sonst kann sich SENFTENBERG mit seiner BAHNHOFSTRASSE bezüglich Anlage & Häuserbauten sehen lassen. Da spürt man keineswegs den CHARAKTER DER BERGBAUSTADT. Dagegen hatte ich mir den MARKT doch ein wenig besser vorgestellt. Er gleicht mit seiner HOLPRIGEN PFLASTERUNG einer richtigen BERG~ & TALBAHN und nimmt sich wirklich beschämend aus. Dieses STIEFKIND muß endlich einmal eine bessere Behandlung seitens der STADTVÄTER erfahren.
Weiter wird sicher mancher Fremde vergeblich nach dem [4] RATHAUS suchen.
Das steht natürlich in der Regel auf dem MARKTPLATZ; in Senftenberg ebenfalls, aber hier kann man schwerlich ahnen, daß das unscheinbare Häuschen das RATHAUS darstellt. Mich haben in der Tat dieser Tage wiederholt scheinbar fremde Leute in der SCHLOSSSTRASSE nach dem RATHAUSE gefragt, welches sie auf dem MARKTPLATZ gesucht, aber nicht gefunden hatten, genau wie es anfangs auch mir ergangen ist. Ein ordentliches RATHAUS tut hier dringend not. Nun, der Anfang soll ja gemacht werden durch das >PREISAUSSCHREIBEN< für Entwürfe zu einem VERWALTUNGSGEBÄUDE. Hoffentlich kommt dabei etwas ordentliches heraus. Noch eine kleine ENTTÄUSCHUNG: Man scheint hier zu denken „im Dunkeln ist gut munkeln“. Wenigstens muß man das als FREMDER angesichts der primitiven STRASSENBELEUCHTUNG glauben. „MEHR LICHT“ heißt da die Parole.

Das waren einige SCHATTENSEITEN von Senftenberg. Aber deswegen nichts für ungut, ihr verehrten Einwohner. Die LICHTSEITEN eurer Stadt machen mindestens 75% aus. Einige sind eingangs schon erwähnt worden. Ganz besonders stolz darf Senftenberg auf seinen [5] SCHLOSSPARK sein. Er macht dem SCHÖPFER, Herrn Stadtrat N e u m a n n, alle Ehre und rückt hinsichtlich der wundervollen Anlage mit der vollendeten wirkungsvollen Verquickung von NATUR & KUNST die Stadt SENFTENBERG weit über andere Städte empor. Das ist eine feststehende Tatsache. In diesen herrlichen ANLAGEN wandert es sich wie im PARADIES, über dem jetzt allerdings der HERBSTZAUBER liegt, was indessen auch poesie~ & reizvolle BILDER sind.
Wenn später noch auf jenem für einen HELDENHAIN wie geschaffenen RONDELL
sich das Senftenberger [6] HELDENDENKMAL, das leider sehr lange auf sich warten ließ, erheben wird, dann gewinnt das SCHLOSSPARK-KLEINOD noch mehr.

Die ZEITUNGSLESER von 1924 werden diese recht kritische BESTANDSAUFNAHME mehr als REISEBERICHT denn als REISEFÜHRER akzeptiert und sich an den sehr subjektiven SCHILDERUNGEN & EINSCHÄTZUNGEN wenig gestört haben, da sie ja „GEHARNISCHTE“ KRITIK aus der eigenen BÜRGERSCHAFT hinlänglich gewohnt waren,
wie die folgende LESERZUSCHRIFT „von mehreren Bürgern der Lindenstraße“ beweist:

„UNSER SENFTENBERG IST EIN GANZ SCHÖNES STÄDTCHEN; nur manche STRASSEN lassen viel zu wünschen übrig. Sehen wir uns einmal außerhalb der Stadt die auch noch zu ihr gehörige sogenannte LINDENSTRASSE an. Ein schöner Name, den diese Straße aber nicht verdient. Es wäre besser, sie hieße SCHLAMMSTRASSE.
Hat sich denn der SENFTENBERGER MAGISTRAT diese SCHÖNE STRASSE schon einmalanschaut ?
Die hier wohnenden HAUSBESITZER & BÜRGER bezahlen doch auch STEUERN! Kein FUSSGÄNGER kann mehr richtig gehen; die FUHRWERKE getrauen sich gar nicht mehr zu fahren, weil sie mit schwerer Last stecken bleiben. Was gedenkt der MAGISTRAT zu tun ?
Dasselbe ist es mit dem ABLAUFEN DES WASSERS aus den HÄUSERN; am schlimmsten bei Herrn Fleischermeister Sch. und Bäckermeister Sch. Den ganzen Tag steht das WASSER auf der STRASSE und verbreitet im Sommer SCHLECHTE DÜFTE. Ist das gesundheitsfördernd ? Dasselbe trifft auch oberhalb der LINDENSTRASSE zu. Wir HAUSBESITZER & BÜRGER DER STADT SENFTENBERG verlangen, daß nun endlich einmal Vorbereitungen zum NEUBAU DER LINDENSTRASSE getroffen werden. Sehen wir uns die neue FREISESTRASSE an. Die NEUBAUTEN sind noch nicht einmal richtig fertiggestellt, und schon wird an den NEUBAU der Straße geschritten. Hoffentlich finden diese Zeilen an maßgebender Stelle Gehör."