In meiner Kindheit habe ich in fast jeder freien Stunde mit meinem
METALLBAUKASTEN herumgeschraubt, und dies mit wachsender Begeisterung, da mir im Alltag ständig neue, nachbauwürdige technische Konstruktionen begegneten. Dabei zählten in erster Linie Kräne, Bagger und lenkbare Lastautos zu meinem Bauprogramm. Aber ich kann mich auch noch gut daran erinnern, dereinst mit einem Schulkameraden aus der Nachbarwohnung eine
SEILBAHN gebaut zu haben, mit der wir uns von einem Fenster zum anderen abwechselnd Nachrichtenzettel zustellten.
Unser "technisches Wunderwerk" funktionierte auf Anhieb, obwohl wir zuvor keine SEILBAHN in natura zu Gesicht bekommen hatten. Da wir aber eifrige Leser der Werksbibliothek waren, fanden wir das Vorbild sehr schnell in einschlägiger Literatur. Wir hatten uns selbstredend für die "älteste & primitivste Konstruktion" entschieden:
VARIANTE 1:Diese besteht bekanntlich aus einem oder zwei parallel nebeneinander gespannten Seilen, deren Enden fest verankert sind oder auch auf einer Seite mit einer Spannvorrichtung versehen sind. An einem Seil hängt das "TRANSPORTGEFÄSS" an kleinen Rollen und wird mittels des zweiten Seiles einfach hin~ und zurückgezogen.
Nach einigem Hin & Her unseres "Depeschenwagens" probierten wir dann die
VARIANTE 2:Bei dieser fällt das Zugseil für die Transportbehälter fort, indem das tragende Seil selbst bewegt wird. Es ist endlos und wird an den Endpunkten um horizontale Rollen geschlungen, sodass sogar zwei oder noch mehr aufgehängte Kästen auf der einen Seite hin~, auf der anderen Seite zurück laufen...
Nach Betrachtung der Postkarte bin ich mir sicher, dass letztere Variante auch für die SEILBAHN von der Grube bei SAUO bis zur Brikettfabrik der PFÄNNERSCHAFT Verwendung fand.
Man sollte allerdings nicht denken, dass Seilbahnen willkürlich über fremdes Territorium geführt werden konnten. Die Hallesche Pfännerschaft hatte mit Sicherheit nach damals geltendem Recht nicht nur die Stellen für die Pfeiler kaufen müssen, sondern den ganzen Streifen, über den die Seiltrasse verlief. Die Anlage einer Grubenbahn, wie sie später erfolgte, empfahl sich da von selbst und ist wahrscheinlich auch auf der gleichen Trasse erfolgt.
Da mir nähere Angaben zu dieser Seilbahn fehlen, kann ich nur vergleichbares Zahlenmaterial aus dem Mansfelder Kupferschiefer-Bergbau anführen:
"Die ganze Länge des Seilbetriebes ist 1880 m, auf welche Entfernung das Seil durch 26 Lagerungen getragen wird...der größte Abstand zweier Ständer beträgt 113 m...der höchste Ständer mißt vom Boden bis zu der Führungsrolle 15,7 m...auf dem Seile befinden sich im Hin~ und Hergange stets 72 Kübel...das Gewicht eines Kübels beträgt 60 Pfd., das des Inhaltes 120 Pfd. Die Gesammtleistung beträgt 1500 Ztr. für den Tag in 9 1/2 Arbeitsstunden...die vom Erfinder garantirte Leistung liegt bei 2400 Ztr. - das Seil ist 15 mm stark, die Seilscheiben haben einen Durchmesser von 1,9 m...die Geschwindigkeit beträgt 1,8 bis 2,5 m pro Sekunde..."
Die hier zitierten Zahlen & Fakten aus den Anfängen des Bergbaus um 1870 müssen keinesfalls mit den uns bislang unbekannten Daten der abgebildeten Seilbahn übereinstimmen. Auch die angefügten Seilbahn-Fotos aus früherer Zeit sollen lediglich das "Transportsystem an sich" veranschaulichen. Vielleicht erfahren wir ja doch noch Genaueres durch einen "Augenzeugen" bzw. aus dessen bildlicher oder schriftlicher Hinterlassenschaft...