DIE HÖHERE BILDUNG DER WEIBLICHEN JUGEND
...wurde lange Zeit bevorzugt in
PENSIONATEN gesucht, wobei der ausdrückliche Elternwunsch auf die Gewandtheit in
BENEHMEN & AUFTRETEN in der Gesellschaft zielte. Ein bisschen auf dem Klavier klimpern und französisch plaudern galt vielen Familien als Nonplusultra
WEIBLICHER VOLLKOMMENHEIT.
Erst die
HÖHEREN TÖCHTER~, MÄDCHEN~ oder BÜRGERTÖCHTERSCHULEN setzten auf eine möglichst harmonische
ALLGEMEINE AUSBILDUNG mit besonderer Ausrichtung auf einheitliche Bildung in Wissenschaften & Sprachen und forderten,
dass die SCHÜLERINNEN diese Schule vom 6. bis zum 16. Lebensjahr besuchten, wo sie in mindestens 7 selbständigen KLASSEN, auf der Unterstufe in max. 24, der Oberstufe in 30 Stunden, (1) von DIREKTOREN, REKTOREN oder DIRIGENTEN (2) OBERLEHRERN, ORDENTLICHEN bzw. WISSENSCHAFTLICHEN LEHRERN (3) LEHRERINNEN in den FÄCHERN Religion / Deutsch (Lesen, Schreiben, Literatur) / Fremdsprachen (Französisch & Englisch) / Rechnen & Geometrie / Naturkunde (Botanik, Zoologie, Physik, Chemie) / Geschichte / Geographie / Gesang / Zeichnen / Handarbeiten / Turnen unterrichtet wurden. Zur Erfüllung dieser Aufgabe bedurfte es aber der
GEMEINSAMEN TÄTIGKEIT MÄNNLICHER & WEIBLICHER LEHRKRÄFTE, wobei letztere, vor allem dank ihrer geringeren Besoldung beschäftigt, und zumeist im Handarbeits~ oder Turn-Unterricht eingesetzt wurden.
Was die
SCHULDISZIPLIN betrifft, so ist es eine irrige Meinung, dass sie in den
MÄDCHENSCHULEN leichter durchzusetzen war, als in
KNABENSCHULEN. Neben mancherlei
UNARTEN & UNTUGENDEN, welche beiden Geschlechtern eigen sind, hatte man zwar in der
KNABENSCHULE mehr oder weniger mit
WILDHEIT, DERBHEIT, UNORDENTLICHKEIT, ÜBERMUT & TROTZ zu kämpfen, was in
MÄDCHENSCHULEN nur selten vorkam.
Dagegen waren es bei den
MÄDCHEN mehr
ZERSTREUTHEIT & SCHWATZHAFTIGKEIT, EITELKEIT & EMPFINDLICHKEIT, LAUNENHAFTIGKEIT & EIGENSINN, welche die Zucht und Erziehung erschwerten.
KENNTNISSE bezüglich guten
BENEHMENS & Herausbildung positiver
CHARAKTEREIGENSCHAFTEN wurden mittels
>BILDERBUCH< schon während der „Vorschulzeit“ belehrend vermittelt, wie nachfolgend zu sehen ist:
TRAUMBERUF >MÄDCHENLEHRER< "
DAS WÄR'S !" dachten sicher viele junge
REFERENDARE . Allerdings sparte die einschlägige Literatur nicht an
WOHLGEMEINTEN RATSCHLÄGEN:
"Der LEHRER AN MÄDCHENSCHULEN muss neben SANFTMUT, MILDE & FREUNDLICHKEIT auch FEST & KONSEQUENT, also ein MANN sein, wenn er geachtet, und nicht verhöhnt werden will. Er muss in seinen HANDLUNGEN, WORTEN, GEBÄRDEN & BLICKEN auf strenge sittliche SELBSTBEHERRSCHUNG achten und sich vor „geschlechtlichen Verirrungen“ hüten, wie z.B. solchen BERÜHRUNGEN der Mädchen, die nur Zeichen der FREUNDLICHKEIT & LIEBE sein sollen bzw. ZÜCHTIGUNGEN, durch welche ihre SCHAMHAFTIGKEIT verletzt wird.
Speziell der UNTERRICHT bei den ÄLTEREN MÄDCHEN, denen eine schnelle Auffassungsgabe und persönliche LEHRERVEREHRUNG eigen sind, birgt natürlich ANNEHMLICHKEITEN: was kann schon anziehender sein, als von einer aufblühenden MÄDCHENSCHAR voller Anmut, Jugend & lebensfrischer Heiterkeit umschwärmt zu werden ?
Aber es ist dennoch nicht so leicht, ein guter MÄDCHENLEHRER zu sein.
Bei der geringsten TAKTLOSIGKEIT, insbesondere PARTEILICHKEIT oder gar UNGERECHTIGKEIT kann die so leicht hervorzurufende EIFERSUCHT jene ACHTUNG & VEREHRUNG in STÖRRIGKEIT & HASS verwandeln, was umso bedauerlicher ist, da MÄDCHEN oft gerade DEM LEHRER ZULIEBE lernen.
Auch sieht ein MÄDCHEN manches schärfer als ein gleichaltriger KNABE; es fühlt sich durch SCHLECHTEN AUSDRUCK, VORTRAG & BENEHMEN des LEHRERS oft auf das unangenehmste berührt. Steht der LEHRER über seinem LEHRSTOFF, so verzeihen KNABEN ihm einen mangelhaften VORTRAG oder einen altmodischen & nachlässigen ANZUG leicht, wogegen MÄDCHEN dies nicht tun und vor allem gegen PLUMPE MANIEREN rebellieren, wenn z.B. ein LEHRER regelmäßig unleidlichen, an ihm haftenden TABAKGESTANK ins Klassenzimmer bringt…"
Am
NAMEN der Senftenberger
„HÖHEREN BÜRGERSCHULE“ wurde ab & an „herumgeschraubt“:
1895 Höhere Schule für Knaben & Mädchen
1896 Höhere Töchterschule
1899 Privat-Töchterschule
1909 Höhere Privat-Töchterschule
1918 Höhere Mädchenschule
1919 Städtische Höhere Mädchenschule Beispielgebend war die Zusammensetzung des
LEHRERKOLLEGIUMS: es gab im Laufe der Geschichte
KEINE DIREKTOREN, dafür aber
3 SCHULVORSTEHERINNEN.
Die
SCHÜLERLISTE des 1. Jahrgangs 1895 unterstreicht sehr eindrucksvoll, dass sowohl sehr viele
TÖCHTER, als auch vereinzelt die
SÖHNE bekannter Senftenberger
GESCHÄFTSLEUTE unter den
ZÖGLINGEN zu finden waren, die sich im
SCHULALLTAG ganz sicher an die schön gereimten
VORGABEN ihres
LESEBUCHES hielten:
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die offizielle >Baurichtlinie< bei der
KLEINEN STADTVILLA-SCHULE eingehalten werden konnte, die folgendes vorschrieb:
„Bei der GRUNDRISSEINTEILUNG ist auf die Lage der KLASSEN zu achten. Diese sind vor allem gut zu legen und nach der HIMMELSRICHTUNG zu orientieren. Die ZUGÄNGE müssen klar und nicht versteckt liegen, die KLEIDERABLAGEN bequem erreichbar sein. Die FLURE sind so anzuordnen, daß nirgends GEDRÄNGE entstehen kann und keine Verkehrswege sich kreuzen. Es ist daran zu denken, daß überall die BEAUFSICHTIGUNG möglich wird. RÄUME für ruhiges Arbeiten, wie LESE~, KONFERENZ~ & DIREKTORZIMMER, sollen etwas aus dem SCHÜLERVERKEHR entrückt sein.“ Alles in allem waren die
ZÖGLINGE mit ihrer
SCHULE zufrieden, wie Auszüge aus
TAFELLIEDERN anlässlich des 30-jährigen Jubiläums von 1925 beweisen:
In SENFTENBERG, in Senftenberg, da gibt’s gar viele Straßen.
Die schönste doch, damit ihrs wißt, gewiß die PROMENADE ist.
DAS SCHÖNSTE HAUS, das liebste Haus an dieser Promenade
muß ganz gewiß die SCHULE sein, drin geh’n wir fröhlich aus und ein.
Die KLASSE, weiß und blau gemalt, die sieht uns treu beisammen;
Dort warten mit vergnügtem Sinn wir schwatzend auf die LEHRERIN.
Wir MÄDELS, lustig, nett, patent, an weißen MÜTZEN man uns kennt.
Aus allen Augen lacht die FREUDE.
JA, AUCH MÜTZEN MACHEN LEUTE !
…und ich bin mir fast sicher, dass die
MÜTZENTRÄGER VON DAMALS in den 1960er Jahren den folgenden
SPRUCH losgelassen hätten: