Neues 505 - 2022-02-13

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Matthias
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Neues 505 - 2022-02-13

Beitragvon Matthias » Sa 12. Feb 2022, 10:45

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Harald
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Re: Neues 505 - 2022-02-13

Beitragvon Harald » So 13. Feb 2022, 15:58

Dorfbarbier_resize.jpg

"DER DEUTSCHE ERFREUT SICH EINES KRÄFTIGEN HAARWUCHSES UND LIEFERT DIE SCHÖNSTEN BLONDEN HAARE, sodass der VERKAUF der eigenen Haare, namentlich bei BAUERNMÄDCHEN, mitunter ein angenehmer NEBENERWERB ist."
- las ich in einer alten CHRONIK, konnte dem aber, angesichts meines sehr licht gewordenen HAUPTHAARES, nur bedingt Glauben schenken.
Das Gewerbe der BARTSCHEERER, FRISEURE & PERRÜCKENMACHER ging aus dem der BADER hervor, das Geschäft des HAARSCHNITTS & der HAARZURICHTUNG nach der jeweiligen MODE, bereits im ausgehenden Mittelalter um 1518 von den gewöhnlichen BARBIERSTUBEN an professionelle FRISEURE über, die über die Jahrhunderte hinweg bis heute getreulich ihr Handwerk ausüben.

Frisur 1_resize.jpg

Im Jahre 1849 zählte man im ganzen preußischen Staate insgesamt nur 396 FRISEURE mit 208 GEHILFEN, welche sämtlich in den Städten, und zwar vorzugsweise in Großstädten wohnten.
Bei der 1882 erfolgten Berufszählung im deutschen Reiche bestanden bereits 8769 HAUPT~ & 62 NEBENBETRIEBE, davon 67 ohne Gehilfen. Insgesamt 36668 Personen waren bei diesem Beruf verzeichnet, davon 20947 SELBSTSTÄNDIGE & 15552 LEHRLINGE & GEHILFEN.
Von letzteren waren 8,7% unter 15 Jahren, 55,6% 15 – 20 Jahre, 29,9% 20 – 30 Jahre, 3,8% 30 – 40 Jahre, 334 über 40 Jahre alt.
Über deren HARTE ARBEITSBEDINGUNGEN hat das >Kaiserliche Gesundheitsamt< im Jahre 1900 folgendes aufgelistet:

gesundheit_resize.jpg

„Die ARBEITER werden meistentheils sehr frühzeitig selbstständig, da die ARBEITGEBER nur ausnahmsweise ÄLTERE GEHILFEN beschäftigen wollen, weshalb GEHILFEN über 25 Jahre selten BESCHÄFTIGUNG finden. Das Durchschnittsalter der BARBIERGEHILFEN beträgt in Deutschland 21½ Jahre. Die ARBEITGEBER bilden eine unverhältnismäßig große Anzahl LEHRLINGE aus, woraus eine beständig große ARBEITSLOSIGKEIT im Barbiergewerbe resultiert.
Deswegen sind auch die LÖHNE & ARBEITSVERHÄLTNISSE überaus ungünstige:
Die GEHILFEN haben fast ausnahmslos KOST & LOGIS beim ARBEITGEBER – beides ist äußerst mangelhaft. Die ARBEITSZEIT beträgt durchschnittlich 14 – 16 Stunden pro Tag, an den Sonnabenden 20 Stunden. Sonntags wird 6 – 10 Stunden gearbeitet. Die PREISE für die einzelnen DIENSTLEISTUNGEN sind von alters her unverändert. Nur das HAARSCHNEIDEN am Sonntag kostet, um dieses zeitraubende Geschäft möglichst auf den Alltag zu verlegen und so die etwas kürzere Arbeitszeit der Sonntage zu entlasten, 10 Pfennig mehr.
Nur wenige ARBEITGEBER gewähren ihren GEHILFEN an Stelle des Sonntags einen FREIEN Wochentag bzw. Nachmittag. Die ARBEITSZEIT beginnt morgens um 6 Uhr, in einzelnen Geschäften schon um 5 Uhr, und dauert bis abends 10, ausnahmsweise bis 9 Uhr. Bestimmte RUHEPAUSEN, auch für die Einnahme der MAHLZEITEN, gibt es nicht.
Vielfach müssen die GEHILFEN während des Essens ihre Arbeit verrichten.
An LOHN wird BEI FREIER STATION (d.h. Kost & Logis) 1 – 8 Mark pro Woche,[b] OHNE STATION höchstens 18 Mark gezahlt. Vielfach arbeiten die GEHILFEN bei HALBER KOST[/b], wobei der ARBEITGEBER den Kaffee und das Mittagessen liefert, die weiteren Nahrungsmittel sich der GEHILFE aber von seinem eigenen Lohn von 2,50 – 5 Mark beschaffen muß.
Wie in allen GEWERBEN, in denen LANGE ARBEITSZEIT & SCHLECHTE LÖHNE vorherrschend sind, ist auch bei den FRISEUREN die Organisation der Arbeitgeber eine gute, während die Arbeitnehmer nur mangelhaft organisiert sind.“


Frisuren 2_resize.jpg

Die Menschheit hatte schon immer mit den stetig wechselnden HAARMODEN zu kämpfen: die GALLIER trugen ihre Haare ziemlich kurz, die FRANKEN als „Überleger“ und mit Knoten im Nacken, erlauchte KÖNIGE trugen die Haare so lang als möglich, meist bis auf die Schultern, und böhmische RITTER bleichten ihre nassen Haare in der Sonne bzw. drehten & brannten sich mit einem heißen Eisen Löckchen ein. BILL HALEY hatte eine Schmalzlocke in die Stirn gezogen, ELVIS PRESLEY eine hohe Stirntolle und die BEATLES kreierten den PILZKOPF und John, Paul, George & Ringo ließen dann ihre Haare „wild wachsen“.
Alle anderen zeitgenössischen FRISUREN wechselten laufend, verschwanden & kamen wieder, wie oben BLAU = Herren / ROT = Damen zu sehen.

Beim Durchlesen der umseitigen AUFZÄHLUNG stachen mir prompt die Namen zweier FRISEURE aus SENFTENBERG II ins Auge,
denen ich in meinen Kindertagen mein HAUPTHAAR anvertrauen durfte:
Erste ERFAHRUNGEN sammelte ich mit herabbaumelnden Beinen auf dem hohen DREHSTUHL bei einem „Friseurmeister der alten Garde“, ARTHUR HANDRICH in der Fabrikstraße 4, nur wenige Schritte vom Gasthaus "ZUR EICHE" entfernt.
Er verpasste mir einmal pro Monat mit Kamm, Schere und ewig ziepender Haarschneidemaschine für 40 Pfennige einen „gescheitelten“ KURZHAARSCHNITT, der meine abstehenden OHREN so richtig zur Geltung kommen ließ. Meine Oma nannte diese FRISUR, wie sie der englische König Heinrich V. und seine Diener einst trugen, liebevoll einen königlichen „PAGENSCHNITT“. In Wirklichkeit ähnelte er eher dem sogenannten TOPFSCHNITT, welcher dem SOHN meist von überaus sparsamen Eltern oder Bekannten „verpasst wurde“, indem sie ihm kurzerhand einen KOCHTOPF über den KOPF stülpten und dann entlang der Ränder das HAAR abschnitten – daher der Name.
Als mich die Pubertät packte, in der ich vor allem den MÄDCHEN gefallen wollte, wechselte ich zu FRANZ RUPRECHT, einem etwas jüngeren „Friseurmeister der neuen Schule“ in der Klettwitzer Straße 62, der mir für 65 Pfennige einen FASSONSCHNITT – „halblang“ zauberte.

Preisliste_resize.jpg

Als ich im Jahre 1966 meine Lehrtätigkeit an der POS BRIESKE-OST aufnahm, knüpfte ich auch Kontakte zur ebenfalls am MARKT liegenden Filiale der PGH FIGARO, um mich, wie auch schon viele meiner KollegInnen, bei der routinierten FRISEUSE Frau MARIKA KOCH für eine unbefristete HAARPFLEGE anzumelden, was, da ich auch ihren Sohn unterrichtete, gut klappte. Ich bemerkte sehr bald, dass „DER LADEN BRUMMTE“, also die Frisierstühle ständig besetzt waren, was ganz sicher am qualifizierten PERSONAL und der angenehm sauberen EINRICHTUNG lag. Umso mehr empörte mich die unbedarfte KRITIK eines Briesker Nörgelers in der >Lausitzer Rundschau<, (der übrigens nicht LEHRER sondern nur LESER war ! = Druckfehler)
welche sich aber durch die 2 Jahre später erfolgte AUSZEICHNUNG der CHEFIN erübrigte.

skandal_resize.jpg

Die SECHZIGER JAHRE waren überhaupt eine >DEN FRISEUREN IN DER DDR FREUNDLICH GESINNTE ZEIT<. Die PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) „FIGARO“ war sehr aktiv, baute in verhältnismäßig kurzer Zeit alte Filialen aus oder richtete vollkommen neue ein, wogegen heute oft nur RÜCKBAU oder SCHLIESSUNG anliegt…Ich wünsche dennoch allen noch MIT FREMDER HAARTRACHT BESCHÄFTIGTEN vor allem:
KAMM & SCHERE GUT !

Damen-Herren_resize.jpg

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Harald
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Re: Neues 505 - 2022-02-13

Beitragvon Harald » Mo 14. Feb 2022, 18:43

KURZER NACHTRAG,
denn ich hatte vergessen, das DORFBARBIER – BILD zu erklären:

EINS STEHT NÄMLICH FELSENFEST:
Ob einst der DORFBARBIER oder heute der/die FRISEUR*IN
– sie zählen seit jeher zu den WICHTIGSTEN & EINFLUSSREICHSTEN PERSÖNLICHKEITEN auf dem DORF, wie in der STADT, denn in ihren >FRISIERSTUBEN< wird seit einer gefühlten Ewigkeit nicht nur eifrig frisiert & rasiert, sondern ganz nebenbei auch noch der gesamte lokale KLATSCH & TRATSCH „durchgekaut“,
kurzum „Lokalpolitik im Kleinen“ betrieben. Und das geschieht folgendermaßen:
Während FRISEURE & ~INNEN ihrer weiblichen bzw. männlichen KUNDSCHAFT, meist in separaten SALONS auf dem KOPF herumkrabbeln, lauschen sie aufmerksam, fragen auch mal ganz diskret nach, wägen ihre Antworten diplomatisch ab, verhalten sich gern neutral und hüllen sich bei heiklen Themen lieber gänzlich in Schweigen.
Die besten ZUHÖRER*INNEN sind allerdings im Nachhinein durchaus in der Lage, alle aufgeschnappten NEUIGKEITEN in ihrer gesamten Meinungsvielfalt haarklein wiederzugeben.

SOMIT SPRICHT EIGENTLICH ALLES FÜR DEN >TRAUMBERUF FRISEUR<… :)

dietmar
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Re: Neues 505 - 2022-02-13

Beitragvon dietmar » Mi 16. Feb 2022, 14:23

Harald hat das Wesentliche und auch Besonderes zu den Haarkünstlern schon geschrieben.
Ich will das noch hinzufügen:
Der Friseurberuf entwickelte sich in Deutschland aus den mittelalterlichen Berufen des Barbiers und auch des Baders. Der Barbier war Wundheiler, Krankenpfleger, Haar- und Bartschneider sowie Zahnzieher. Der Bader Betreiber einer Badestube mit Körperpflege und Heilbehandlung.
In dem Chemnitzer Vorort, wo ich lange Zeit wohnte, boten noch im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts drei Barbiere die Leistung Zahnziehen an.
Dazu hat uns Jörg Amman aus dem Mittelalter in seinem Ständebuch diese Bilder und Berufsbeschreibungen überlassen:
Friseur.jpg

Auch ich möchte meinem Senftenberger "Leibfriseur" aus der Kinder- und Jugendzeit ein kleines digitales Denkmal setzen.
Es war Dieter Schneider im Friseursalon Schneider an der Kreuzstraße 34. Seine "Mutti" und wahrscheinlich ihre Schwester betrieben in zwei Räumen einen Damen- und Herrensalon, den ich 1941 als Alfred Schneiders Friseurgeschäft erwähnt fand. Vorher war dort Eduard Waldow Friseur. Dieter war ein sehr freundlicher "Schaber", wie der Friseur in unserem jugendlichen Sprachgebrauch genannt wurde, der auch den kleinsten Kunden auf dessen drehenden Hochsitz immer zuvorkommend behandelte. Es schmeichelte uns besonders als Jugendliche, wenn er uns nach dem westlich anmutenden Igelschnitt für 60 Pfennige plus vielleicht 10 Pfennige in die Kitteltasche gestecktes Trinkgeld bis zur Tür sich dankend verbeugend begleitete und noch die Haarreste abbürstete.
Neben dem Wohnsitz von Matthias an der Felix-Spiro-Str. wohnte in der 26 der Friseurmeister Herbert Just. Er soll dort auch sein Friseurgeschäft betrieben haben. Als Anwohner gegenüber ab 1952 kann ich mich daran nicht erinnern, sondern nur an sein Geschäft an der Moritzstr. 4. Das Geschäft scheint gut gegangen zu sein, denn er war einer der Ersten, die sich im Viertel ein neues Auto leisten konnten. Einen tollen IFA F9. Deswegen in Erinnerung geblieben, weil er mit uns Kindern damit Spazierfahrten machte. Eine Autofahrt damals ein Riesenerlebnis für uns. Leider hat Just mit seiner Familie den Arbeiter-, Bauern-und Funktionärsstaat vor 1961 verlassen und sich dahin begeben, wo wir heute auch sind - in die Bundesrepublik Deutschland.
Es war aus dieser Zeit dann noch ein weiter Weg, bis aus Friseuren Coiffeurs und sogar Prominente wurden.


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