Neues 579 - 2023-09-24

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Matthias
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Neues 579 - 2023-09-24

Beitragvon Matthias » Sa 23. Sep 2023, 08:14

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Harald
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Re: Neues 579 - 2023-09-24

Beitragvon Harald » Fr 29. Sep 2023, 17:27

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Sir Ebenezer HOWARD, ein britischer STADTPLANER, gilt als der ERFINDER DER GARTENSTADT.
Im Jahre 1898 stellte er ein städtebauliches LEITBILD mit nachhaltigem Einfluss auf die STADTPLANUNG vor. Um die GROSSSTADT zu entlasten, sollten neue städtische SIEDLUNGEN in ihrem UMKREIS errichtet werden. Das KONZEPT beinhaltete eine von GRÜNFLÄCHEN durchzogene, aufgelockerte und planmäßig durch radiale RINGSTRASSEN & BOULEVARDS gegliederte SIEDLUNGSSTRUKTUR mit räumlicher Trennung wichtiger FUNKTIONEN, einem umlaufenden GRÜNGÜRTEL und einer ausreichenden Ausstattung mit ARBEITSPLÄTZEN sowie VERSORGUNGSEINRICHTUNGEN für eine Bevölkerung von 32.000 Personen. Das ZENTRUM war für die wichtigsten öffentlichen GEBÄUDE und einen ZENTRALEN PARK vorgesehen. Nachfolgend standen separat zwei~/ dreigeschossige FAMILIENHÄUSER mit GÄRTEN, die der Erholung, Ernährung & naturnaher Tätigkeit dienen sollten. Auf diese Weise wurden die Vorzüge des LAND~ & STADTLEBENS miteinander kombiniert.
Die GARTENSTADT propagierte ländliches, billiges & sicheres WOHNEN in einem kleinen, auch für die oberen Schichten des Arbeiterstandes erschwinglichen EIGENHEIM mit GARTEN.

Letchworth 2_resize.jpg

Gemäß diesem LEITBILD entstand die erste englische GARTENSTADT LETCHWORTH 40 Meilen nördlich von London. Man verfolgte hierbei den Zweck, für ungelernte & unbemittelte Arbeiter HÄUSER mit einem guten Wohnraum, Aufwaschküche mit Badevorrichtung im Erdgeschoß und 3 Schlafräumen im Obergeschoß zu bauen. (Miete pro Woche: 5 Mark)
Nach 6-jähriger Bauzeit (1898 – 1904) zählte man bereits rund 9000 EINWOHNER, 100 LÄDEN und darüber hinaus auch 30 FABRIKEN, deren TERRAIN allerdings günstig im Osten der Stadt gewählt wurde, damit die Westwinde den RAUCH von der Stadt wegführen.
Der BEBAUUNGSPLAN wurde „in einem Geist der Achtung vor dem, was vorhanden ist“ und ohne die ZERSTÖRUNG auch nur eines der vorhandenen BÄUME, PARKS & GEHÖLZES entworfen. Dieser RESPEKT VOR ALTEN BÄUMEN ist ein sympathischer Zug der Engländer, während deutsche STÄDTEBAUER oft in ganz rücksichtsloser & unnötiger Weise vorhandene schöne, große Bäume schlagen, wenn sie auch nur ½ Meter in die angrenzende STRASSE bzw. geplante BAULINIE hineinragen, um sie später durch Koniferen, Sträucher u.dgl. zu ersetzen.
(Unseliges Beispiel hierfür ist das SENFTENBERGER Wohnprojekt „AM SCHLOSSPARK“)
Auf dem ZENTRALEN PLATZ stehen 3 große EICHENBÄUME, von denen strahlenförmige STRASSEN nach verschiedenen WOHNGEBIETEN laufen.

ENGLAND ist die Heimat des KLEINHAUSES, das für den Segen des eigenen, abgeschlossenen Heims steht und an dem der englische ARBEITER aus Liverpool, Birmingham, Sheffield u.a. Industriestädten mit großer Zähigkeit hängt. In unendlichen Reihen und tödlicher Monotonie stehen die EINFAMILIENHÄUSER nebeneinander hingestellt, ein Meer von gleichen Erkern, Giebeln, Dächern, Kaminröhren & Vorgärten. Für den Arbeiter zählt am HAUS nicht die FASSADE, sondern der GRUNDRISS und die INNENEINRICHTUNG.

Der erste große Erfolg der DEUTSCHEN GARTENSTADTBEWEGUNG
war die Gründung der GARTENSTADT HELLERAU bei DRESDEN im Jahre 1906, die heute eine ansehnliche, künstlerisch & kulturell wertvolle SIEDLUNG darstellt, und wie ein Magnet stadtmüde und doch zukunftsfrohe Menschen an sich zieht. Der kleinste HAUSTYP, der einstmals im Erdgeschoß WOHNSTUBE & KÜCHE, im Obergeschoß 2 SCHLAFZIMMER & BODENRAUM, außerdem WASCHKÜCHE & KELLER enthielt, wurde gegen eine Jahresmiete von 250 Mark abgegeben. In BERLIN erhielt man zur gleichen Zeit für diesen Preis kaum mehr als eine dumpfige HOFWOHNUNG.

Von den insgesamt 62 DEUTSCHEN WOHNSIEDLUNGEN & GARTENSTÄDTEN mit einer nachhaltigen Entwicklung möchte ich die nachfolgenden 6 bildlich vorstellen:
Der GARTENSTADT HELLERAU folgten im Herbst 1908 die GARTENSTADT NÜRNBERG, 1909 HÜTTENAU nahe Hattingen in NRW, WANDSBEK Hamburg 1910, FALKENBERG Berlin-Treptow 1911/12, MARGA 1907/15 und schließlich STAAKEN bei Spandau 1914/17;

Bei der Anlage dieser ARBEITERKOLONIEN wurde für ein gutes Äußeres der HÄUSER Sorge getragen. Von den alten, allzu gleichmäßigen, kasernenartig angelegten ZIEGELSTEINBAUTEN der Gründerzeit ist man zu BAUARTEN im Schweizer, Thüringer u.a. Stilformen, vielfach auch mit VORGÄRTEN neben den hinter dem HAUSE liegenden GEMÜSEGÄRTEN, übergegangen.

In jedem HÄUSCHEN wohnten 1 - 2 Arbeiterfamilien, von denen jede ihren besonderen HAUSEINGANG & HOFRAUM hatte. Im Erdgeschoß lagen KÜCHE & 2 geräumige ZIMMER,
die mit Kachelöfen, elektrischer Beleuchtung, Wasserleitung & Ausguss ausgestattet waren. Unter dem Dach befand sich ein großer, hoher BODEN; ebenso wurde für einen trockenen KELLER gesorgt. Ein KOHLEN~ & VIEHSTÄLLCHEN, über dem sich ein kleiner HEUBODEN befand, stand im HOF, an den sich ein großer GARTEN anschloss. An diese Arbeiterkolonien reihten sich vielfach noch parkartig ausgestattete GARTENANLAGEN, die den Arbeitern nach schwerer Arbeit einen angenehmen Aufenthalt im Freien ermöglichten. Sie erhielten diese GÄRTEN entweder umsonst oder gegen einen geringen Pachtzins zur Gemüse~, Blumen~, Beeren~ & Obstbaumzucht überwiesen. Von vielen GARTENINGABERN wurde nebenbei mit gutem Erfolg Hühner~, Kaninchen~, Ziegen~ & selbst Schweinezucht betrieben.

Gartenstaedte final_resize.jpg

Aber nicht allein das ÄUSSERE, sondern auch das INNERE eines solchen ARBEITERHÄUSCHENS bot vielfach ein recht anheimelndes BILD und ließ eine gewisse WOHNUNGSKULTUR erkennen: das unten befindliche ZIMMER wurde meist als „Gute Stube“ eingerichtet, in der sich ein recht behagliches MOBILIAR und bunter BILDERSCHMUCK an den Wänden befand, nicht zu vergessen die schönen GARDINEN, die ein ganz besonderer Ehrgeiz der HAUSFRAU war.
Für die künstlerische Gestaltung des ARBEITERHAUSES waren einige KOLONIEN vorbildlich geworden, die von FABRIKANTEN angelegt wurden,
wie die GARTENSTADT MARGA durch die ILSE AG.

Modell Marga_resize.jpg

Auf den ersten Blick wirkt MARGA wie eine ganz normale KLEINSTADT:
gepflegt, bürgerlich, heimelig. Doch MARGA IST EIN KUNSTWERK – von dem Architekten Georg Heinsius von Mayenburg auf dem Reißbrett entworfen und innerhalb weniger Jahre von einem einzigen Bauherrn errichtet. Die Ilse Bergbau AG hat zwischen 1907 und 1915 die kühne Vision von einer lebenswerten Werkssiedlung realisiert.
Ziel war es, eine zweckmäßige und zugleich menschenfreundliche Wohngegend für die Bergleute und ihre Familien zu schaffen.
So entstand DEUTSCHLANDS ERSTE GARTENSTADT – eigentlich im weiteren Sinne – als „WOHNKOLONIE mit gartenmäßiger Bebauung“ – d.h. mit grünen Alleen, Gärten, blühenden Obstbäumen & HÄUSERN von individueller Architektur mit handwerklichen Elementen.
Doch HALT ! War nun MARGA tatsächlich die ERSTE deutsche Gartenstadt ?
Mag sein…wenn man jedoch einen prüfenden Blick auf die GRÜNDUNGSJAHRE der o.a. Mitbewerber wirft…?


Was soll’s? Auch die ÖSTERREICHER waren ja von MARGA begeistert, obwohl sie nur das MODELL gesehen hatten,
wie man in ihrer >Zeitschrift für Berg~ & Hüttenwesen< von 1911 lesen konnte… ;)


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