KAUFHALLE
ist eines der wenigen
WORTE, die es bis in die Gegenwart geschafft haben, denn immer noch werden die
SUPERMÄRKTE im Volksmund der zwischen Elbe und Oder lebenden, ehemaligen DDR-Bürger gern als
KAUFHALLEN bezeichnet.
Darunter verstand man größere, räumlich nicht unterteilte eingeschossige
SELBSTBEDIENUNGSLÄDEN, in denen überwiegend Lebensmittel und sogenannte Waren täglicher Bedarf (WtB) wie Drogerieartikel und Reinigungsmittel angeboten wurden.
KAUFHALLEN gab es überwiegend in
STÄDTEN,
wo sie entweder von der
>HO< (staatliche Handelsorganisation) als Volkseigentum, oder dem
>KONSUM< als genossenschaftliches Eigentum betrieben wurden. Da es für alle Waren einheitliche feste Verkaufspreise gab, spielte sich zwischen verschiedenen Läden keine Preiskonkurrenz ab.
Vor der in den 1990er Jahren startenden
SUPERMARKT-OFFENSIVE mit heute etwa einem Dutzend größerer Einkaufsmöglichkeiten für
WAREN DES TÄGLICHEN BEDARFS hatte
SENFTENBERG, bei einstmals deutlich mehr Einwohnern als heute,
nur
5 KAUFHALLEN: See - Süd - Brecht - Stumpf - R.Breitscheidstraße.
Allerdings waren diese, je nach
ENGAGEMENT des
VERKAUFSSTELLENLEITERS, das
SORTIMENT, vor allem aber auch die
VERKAUFSKULTUR sehr unterschiedlich, wie es speziell eine von ihnen sehr deutlich unter Beweis stellte:
„Hallo, Frau Nachbarin, Beeilung, in der >STUMPF-KAUFHALLE< gibt es APFELSINEN !“So oder ähnlich machten sich in der Vorweihnachtszeit die Hausbewohner auf den Verkauf von
SÜDFRÜCHTEN in Senftenberger Verkaufsstellen aufmerksam. Dieser Höhepunkt setzte alljährlich immer um den Nikolaustag herum ein. Und dann musste man ganz fix sein und die ganze Familie einspannen, um eine
RUNDREISE durch alle einschlägigen
GESCHÄFTE zu organisieren, damit man sich wenigstens einmal im Jahr an diesen begehrten Früchten so halbwegs satt essen konnte. Mit „Kind & Kegel“, denen man je einen Geldschein überreichte und einschärfte, sich in der Warteschlange nach Möglichkeit völlig „unverwandtschaftlich“ zu verhalten, machten die Eltern sich auf den Weg zur
KAUFHALLE und kehrten mit ihrer Ausbeute überglücklich heim, um es anschließend in der
>VITAMINQUELLE< im Stadtzentrum erneut zu versuchen…In meinem Geburtsort Senftenberg II ging das allerdings schon in den 50er Jahren nicht ganz so einfach ab, denn es gab nur einen
KONSUM und das Verkaufspersonal kannte die Familienverhältnisse im Ort ziemlich genau, um dann je nach Kunde milde oder überlegen lächelnd pro Kopf eine Banane über den Ladentisch zu reichen.
Eine von vielen
„APFELSINEN – ANLAUFSTELLEN“ war die auf dem Foto abgebildete, vom
KONSUM bewirtschaftete
KATHRIN-KAUFHALLE in der Wilhelm-Pieck-Straße, die am 24. August 1967 erstmals ihre Pforten öffnete. Sie trug im Volksmund aber schon bald darauf den Namen des damals sehr rührigen Geschäftsleiters
MANFRED STUMPF, dessen energische, aber freundliche Art das gesamte Verkaufspersonal ansteckte.
Ihn hielt es nicht hinter dem Schreibtisch. Wenn nicht gerade auf Großmarkt-Einkaufstour unterwegs, war er die meiste Zeit im Verkaufsbereich präsent und stand den Kunden mit Rat und Tat zur Seite.
Schon bald galt diese
EINKAUFSSTÄTTE wegen ihrer hohen
VERKAUFSKULTUR, des vielfältigen und übersichtlich präsentierten
WARENANGEBOTS, des sehr freundlichen und zuvorkommenden
PERSONALS, der peinlichen
SAUBERKEIT und der gut organisierten Flaschen-Rücknahme als beliebteste Einkaufsstätte und Geheimtip.
Ab Mitte der 1970er Jahre konnten gerade
BERUFSTÄTIGE FRAUEN sehr viel Zeit einsparen, weil sie morgens bei
„STUMPF“ ihre
BESTELLUNG aufgeben und abends ihre
WAREN abholen konnten.
Das
FOTO von 1968 zeigt den populären
VERKAUFSSTELLENLEITER mit den
26 VERKÄUFERINNEN (im LR-Artikel wurden nur 15 angegeben),
darunter auch seine Gattin, in schmucken, weißen Leinenkitteln & Häubchen, die damals laut Hygiene-Verordnung Pflicht waren.
Vom Antlitz her sind mir einige
VERKÄUFERINNEN noch in guter Erinnerung, vor allem die für mich beste „Fleisch~ & Wurst – Spezialistin“ (4. v.r.), die das Portionieren, immer wieder verblüffend, „mit dem ersten Schnitt (fast immer) auf‘s Gramm genau“ schaffte. Toll !
Wenn ich heute die
WILHELM-PIECK-STRASSE in Richtung Eisenbahnbrücke entlang fahre, geht oft mein vertrauter Blick nach links . . .
ach ja, die
>STUMPF-KAUFHALLE< und sofort taucht dann der alte Schlager
„Ein Schiff wird kommen“ aus der Erinnerung auf. Da war doch noch was ? Richtig: Dezember – Vorweihnachtszeit – in Rostock ging damals der lang herbeigesehnte
APFELSINEN-DAMPFER vor Anker…
und unser stets zuverlässiger Senftenberger Kaufmann
MANFRED STUMPF stand damals zwar nicht an der Pier, aber schon in den Startlöchern.
Damit man den enormen Kundenstrom, also die meist überlange
>SOZIALISTISCHE WARTEGEMEINSCHAFT< nach Südfrüchten, sowie dem begehrten „Weihnachts-Geflügel“ einigermaßen regulieren konnte, wurde einige Zeit später im Außenbereich an der linken Frontseite ein separater
>GEMÜSESTAND< eingerichtet, an dem regionale, auch von Kleingärtnern aufgekaufte Produkte, vor allem massenhaft
WEISSKRAUTKÖPFE, wie auf dem Foto ersichtlich, angeboten wurden.
Im Laden hatte auch der
BACKSTAND das auf dem vorderseitigen
FOTO zu sehende Angebot aktualisiert:
WEIHNACHTS-STOLLEN !Der
KUNDE IN DER DDR war mit Sicherheit
KEIN KÖNIG, denn er musste oft flexibel, geduldig und überaus freundlich sein, um etwas von „unter dem Ladentisch“ zu bekommen. In Zeiten des Mangels war die Freude umso größer, wenn man tatsächlich etwas bekam.
War er nicht erfolgreich, richtete sich sein
UNMUT zwangsläufig gegen das
VERKAUFSPERSONAL, das die Kritik in voller Breitseite abbekam und so zum Buhmann der Nation wurde, obwohl es sich stets als Versorger & Dienstleister sah und seine Kunden auch schon deshalb „glücklich machen“ wollte, weil in der DDR sehr viel Wert auf hohe
UMSATZZAHLEN gelegt wurde. Dies prägte natürlich auch den
ZUSAMMENHALT der MitarbeiterInnen im Bereich „Handel & Versorgung“.
"Das ist ein Schandfleck mitten im Wohngebiet", regte sich eine Anwohnerin am 21. Januar 2015 in der >Lausitzer Rundschau< auf und kritisierte heftig den seit Jahren immer schlimmer werdenden Bauzustand. Viele
FENSTERSCHEIBEN hatte man eingeschlagen, alle
ÖFFNUNGEN zugemauert. Da aber angeblich von dem ansonsten baulich sicheren
OBJEKT und dessen, bis auf ein vor der Kaufhalle geparktes, ausgebranntes
AUTOWRACK, ziemlich unratfreiem
UMFELD keine Gefahr ausginge, hätte die Stadt auch keine Handhabe.
Die ehemalige
STUMPF -KAUFHALLE läge in privaten Händen.
Gegenüber der Presse erklärte der damals 37-jährige Eigentümer, dass er die Immobilie 2011 von einem Privatmann, der weggezogen sei, erworben habe.
Die
KAUFHALLE wollte er ausbauen und vermieten.
"Diese Pläne ließen sich nicht mehr verwirklichen", bedauerte er. Deswegen wolle er das Objekt so schnell wie möglich weiterverkaufen. Im Prinzip würden dann 800 qm Grund und Boden veräußert werden. Die
HALLE samt Anbau mit rund 500 qm Grundfläche sei sanierungsbedürftig,
gebe es aber gratis dazu. Momentan liegt das einstige Vorzeigeobjekt allerdings noch im tiefsten Dornröschenschlaf,
sollte aber nun doch wohl endlich verschwinden…
ÜBRIGENS: Unsere
ENKELKINDER schauen etwas ungläubig, wenn wir ihnen erzählen, dass es selbstverständlich gewesen sei, dass die
BABYS tagsüber im
KINDERWAGEN vor den Eingängen der Wohnblöcke für 2 – 4 Stunden an die frische Luft gestellt wurden, wo sie tief eingemummelt schliefen. Die Mütter machten derweil den Haushalt, denn sie hatten genug zu tun: Windeln auskochen & auf dem Wäscheplatz aufhängen.
Und kaum begreifen werden die Enkel, dass die
BABYS im
KINDERWAGEN auch während des Einkaufs in der
KAUFHALLE bzw. dem
KAUFHAUS im Senftenberger Stadtzentrum draußen blieben. Alle machten es so, das war selbstverständlich und keiner dachte dabei an „Kindesentführung“.
UNSER LEBEN WAR DAMALS UM EIN VIELFACHES SICHERER,
was man im Nachhinein durchaus wertschätzen sollte ! BILDQUELLE: Die Kaufhallen-Privat-Fotos entstammen dem Buch >SENFTENBERG VON NORD NACH SÜD< von Erika Jantzen & Norbert Jurk.