Neues 434 - 2020-08-09

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Matthias
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Neues 434 - 2020-08-09

Beitragvon Matthias » Sa 8. Aug 2020, 08:24

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Harald
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Re: Neues 434 - 2020-08-09

Beitragvon Harald » So 9. Aug 2020, 12:26

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KAUFHALLE
ist eines der wenigen WORTE, die es bis in die Gegenwart geschafft haben, denn immer noch werden die SUPERMÄRKTE im Volksmund der zwischen Elbe und Oder lebenden, ehemaligen DDR-Bürger gern als KAUFHALLEN bezeichnet.
Darunter verstand man größere, räumlich nicht unterteilte eingeschossige SELBSTBEDIENUNGSLÄDEN, in denen überwiegend Lebensmittel und sogenannte Waren täglicher Bedarf (WtB) wie Drogerieartikel und Reinigungsmittel angeboten wurden. KAUFHALLEN gab es überwiegend in STÄDTEN,
wo sie entweder von der >HO< (staatliche Handelsorganisation) als Volkseigentum, oder dem >KONSUM< als genossenschaftliches Eigentum betrieben wurden. Da es für alle Waren einheitliche feste Verkaufspreise gab, spielte sich zwischen verschiedenen Läden keine Preiskonkurrenz ab.

Vor der in den 1990er Jahren startenden SUPERMARKT-OFFENSIVE mit heute etwa einem Dutzend größerer Einkaufsmöglichkeiten für
WAREN DES TÄGLICHEN BEDARFS hatte SENFTENBERG, bei einstmals deutlich mehr Einwohnern als heute,
nur 5 KAUFHALLEN: See - Süd - Brecht - Stumpf - R.Breitscheidstraße.
Allerdings waren diese, je nach ENGAGEMENT des VERKAUFSSTELLENLEITERS, das SORTIMENT, vor allem aber auch die VERKAUFSKULTUR sehr unterschiedlich, wie es speziell eine von ihnen sehr deutlich unter Beweis stellte:

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„Hallo, Frau Nachbarin, Beeilung, in der >STUMPF-KAUFHALLE< gibt es APFELSINEN !“
So oder ähnlich machten sich in der Vorweihnachtszeit die Hausbewohner auf den Verkauf von SÜDFRÜCHTEN in Senftenberger Verkaufsstellen aufmerksam. Dieser Höhepunkt setzte alljährlich immer um den Nikolaustag herum ein. Und dann musste man ganz fix sein und die ganze Familie einspannen, um eine RUNDREISE durch alle einschlägigen GESCHÄFTE zu organisieren, damit man sich wenigstens einmal im Jahr an diesen begehrten Früchten so halbwegs satt essen konnte. Mit „Kind & Kegel“, denen man je einen Geldschein überreichte und einschärfte, sich in der Warteschlange nach Möglichkeit völlig „unverwandtschaftlich“ zu verhalten, machten die Eltern sich auf den Weg zur KAUFHALLE und kehrten mit ihrer Ausbeute überglücklich heim, um es anschließend in der >VITAMINQUELLE< im Stadtzentrum erneut zu versuchen…In meinem Geburtsort Senftenberg II ging das allerdings schon in den 50er Jahren nicht ganz so einfach ab, denn es gab nur einen KONSUM und das Verkaufspersonal kannte die Familienverhältnisse im Ort ziemlich genau, um dann je nach Kunde milde oder überlegen lächelnd pro Kopf eine Banane über den Ladentisch zu reichen.
Eine von vielen „APFELSINEN – ANLAUFSTELLEN“ war die auf dem Foto abgebildete, vom KONSUM bewirtschaftete KATHRIN-KAUFHALLE in der Wilhelm-Pieck-Straße, die am 24. August 1967 erstmals ihre Pforten öffnete. Sie trug im Volksmund aber schon bald darauf den Namen des damals sehr rührigen Geschäftsleiters MANFRED STUMPF, dessen energische, aber freundliche Art das gesamte Verkaufspersonal ansteckte.
Ihn hielt es nicht hinter dem Schreibtisch. Wenn nicht gerade auf Großmarkt-Einkaufstour unterwegs, war er die meiste Zeit im Verkaufsbereich präsent und stand den Kunden mit Rat und Tat zur Seite.
Schon bald galt diese EINKAUFSSTÄTTE wegen ihrer hohen VERKAUFSKULTUR, des vielfältigen und übersichtlich präsentierten WARENANGEBOTS, des sehr freundlichen und zuvorkommenden PERSONALS, der peinlichen SAUBERKEIT und der gut organisierten Flaschen-Rücknahme als beliebteste Einkaufsstätte und Geheimtip.
Ab Mitte der 1970er Jahre konnten gerade BERUFSTÄTIGE FRAUEN sehr viel Zeit einsparen, weil sie morgens bei „STUMPF“ ihre BESTELLUNG aufgeben und abends ihre WAREN abholen konnten.

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Das FOTO von 1968 zeigt den populären VERKAUFSSTELLENLEITER mit den 26 VERKÄUFERINNEN (im LR-Artikel wurden nur 15 angegeben),
darunter auch seine Gattin, in schmucken, weißen Leinenkitteln & Häubchen, die damals laut Hygiene-Verordnung Pflicht waren.
Vom Antlitz her sind mir einige VERKÄUFERINNEN noch in guter Erinnerung, vor allem die für mich beste „Fleisch~ & Wurst – Spezialistin“ (4. v.r.), die das Portionieren, immer wieder verblüffend, „mit dem ersten Schnitt (fast immer) auf‘s Gramm genau“ schaffte. Toll !

Wenn ich heute die WILHELM-PIECK-STRASSE in Richtung Eisenbahnbrücke entlang fahre, geht oft mein vertrauter Blick nach links . . .
ach ja, die >STUMPF-KAUFHALLE< und sofort taucht dann der alte Schlager „Ein Schiff wird kommen“ aus der Erinnerung auf. Da war doch noch was ? Richtig: Dezember – Vorweihnachtszeit – in Rostock ging damals der lang herbeigesehnte APFELSINEN-DAMPFER vor Anker…
und unser stets zuverlässiger Senftenberger Kaufmann MANFRED STUMPF stand damals zwar nicht an der Pier, aber schon in den Startlöchern.

Damit man den enormen Kundenstrom, also die meist überlange >SOZIALISTISCHE WARTEGEMEINSCHAFT< nach Südfrüchten, sowie dem begehrten „Weihnachts-Geflügel“ einigermaßen regulieren konnte, wurde einige Zeit später im Außenbereich an der linken Frontseite ein separater >GEMÜSESTAND< eingerichtet, an dem regionale, auch von Kleingärtnern aufgekaufte Produkte, vor allem massenhaft WEISSKRAUTKÖPFE, wie auf dem Foto ersichtlich, angeboten wurden.
Im Laden hatte auch der BACKSTAND das auf dem vorderseitigen FOTO zu sehende Angebot aktualisiert: WEIHNACHTS-STOLLEN !

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Der KUNDE IN DER DDR war mit Sicherheit KEIN KÖNIG, denn er musste oft flexibel, geduldig und überaus freundlich sein, um etwas von „unter dem Ladentisch“ zu bekommen. In Zeiten des Mangels war die Freude umso größer, wenn man tatsächlich etwas bekam.
War er nicht erfolgreich, richtete sich sein UNMUT zwangsläufig gegen das VERKAUFSPERSONAL, das die Kritik in voller Breitseite abbekam und so zum Buhmann der Nation wurde, obwohl es sich stets als Versorger & Dienstleister sah und seine Kunden auch schon deshalb „glücklich machen“ wollte, weil in der DDR sehr viel Wert auf hohe UMSATZZAHLEN gelegt wurde. Dies prägte natürlich auch den ZUSAMMENHALT der MitarbeiterInnen im Bereich „Handel & Versorgung“.

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"Das ist ein Schandfleck mitten im Wohngebiet", regte sich eine Anwohnerin am 21. Januar 2015 in der >Lausitzer Rundschau< auf und kritisierte heftig den seit Jahren immer schlimmer werdenden Bauzustand. Viele FENSTERSCHEIBEN hatte man eingeschlagen, alle ÖFFNUNGEN zugemauert. Da aber angeblich von dem ansonsten baulich sicheren OBJEKT und dessen, bis auf ein vor der Kaufhalle geparktes, ausgebranntes AUTOWRACK, ziemlich unratfreiem UMFELD keine Gefahr ausginge, hätte die Stadt auch keine Handhabe.
Die ehemalige STUMPF -KAUFHALLE läge in privaten Händen.
Gegenüber der Presse erklärte der damals 37-jährige Eigentümer, dass er die Immobilie 2011 von einem Privatmann, der weggezogen sei, erworben habe.
Die KAUFHALLE wollte er ausbauen und vermieten.
"Diese Pläne ließen sich nicht mehr verwirklichen", bedauerte er. Deswegen wolle er das Objekt so schnell wie möglich weiterverkaufen. Im Prinzip würden dann 800 qm Grund und Boden veräußert werden. Die HALLE samt Anbau mit rund 500 qm Grundfläche sei sanierungsbedürftig,
gebe es aber gratis dazu. Momentan liegt das einstige Vorzeigeobjekt allerdings noch im tiefsten Dornröschenschlaf,
sollte aber nun doch wohl endlich verschwinden…

ÜBRIGENS: Unsere ENKELKINDER schauen etwas ungläubig, wenn wir ihnen erzählen, dass es selbstverständlich gewesen sei, dass die BABYS tagsüber im KINDERWAGEN vor den Eingängen der Wohnblöcke für 2 – 4 Stunden an die frische Luft gestellt wurden, wo sie tief eingemummelt schliefen. Die Mütter machten derweil den Haushalt, denn sie hatten genug zu tun: Windeln auskochen & auf dem Wäscheplatz aufhängen.
Und kaum begreifen werden die Enkel, dass die BABYS im KINDERWAGEN auch während des Einkaufs in der KAUFHALLE bzw. dem KAUFHAUS im Senftenberger Stadtzentrum draußen blieben. Alle machten es so, das war selbstverständlich und keiner dachte dabei an „Kindesentführung“.
UNSER LEBEN WAR DAMALS UM EIN VIELFACHES SICHERER,
was man im Nachhinein durchaus wertschätzen sollte !


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BILDQUELLE: Die Kaufhallen-Privat-Fotos entstammen dem Buch >SENFTENBERG VON NORD NACH SÜD< von Erika Jantzen & Norbert Jurk.


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