Schon immer trat die LEBENSFREUDE DER WENDEN zu keiner Festzeit deutlicher in Erscheinung als am >ZAPUST<,
wie die wendische Bezeichnung für FASTNACHT heißt. Obwohl nicht zu vergleichen mit dem großen Umfang der „Rheinischen Fastnacht“,
ist sie jedoch in ihrer schlichten Aufmachung eine herausragende LÄNDLICHE VERGNÜGUNG,
an der auch heute noch viele Dörfer und ländlichen Gemeinden ihre Freude haben.
Dies gilt nicht nur für die DORFJUGEND, sondern auch für verheiratete Paare und sogar die ALTEN werden in den Strudel der FASTNACHT gezogen.
Es scheint so, als hätten sich die DÖRFLER im ruhigen Verlauf der Wintertage alle leiblichen und geistigen Genüsse nur für die FASTNACHT aufgespart.
JÜTTENDORF, ein Amtsdorf der Stadt SENFTENBERG , war mit seiner überwiegend wendischen Bevölkerung prädestiniert für derartige VOLKSBRÄUCHE.
Die Traditionsgaststätte >ZUM DAMHIRSCH< war das kulturelle Zentrum, von dem aus ZAMPERTOUREN gestartet
und FASTNACHTSTÄNZE organisiert wurden. Vor allem der sog. "LATSCHENBALL", zu dem alle in Filzpantoffeln bzw. Holzpantinen "antanzen" mussten,
erfreute sich großer Beliebtheit.
Sehr detailliert schildert ein gewisser EWALD MÜLLER, dem man eine sehr gute Beobachtungsgabe bescheinigen muss,
in einer Beilage zum >Senftenberger Anzeiger< aus dem Jahre 1932 die
WENDISCHE FASTNACHT
„Als bedeutendster
FESTTAG bei der
FASTNACHTSFEIER erscheint der 2. Tag, an dem das
ZAMPERN stattfindet.
Eine Schar Kinder Minderbemittelter zieht, mit dem ‚
FASTNACHTSSPIESS‘ bewaffnet, von Haus zu Haus. Dieser
SPIESS besteht aus einem oben zugespitzten, mit bunten Bändern geschmückten
STOCKE, an dem mehrere kreuzweise stehende Hölzer befestigt sind, oder er ist durch eine blankgeputzte
HEUGABEL oder eine
HARKE ersetzt. Die jugendlichen
TRÄGER des Spießes singen vor den Haustüren der Bauern besondere
FASTNACHTSLIEDER, um Gaben zu erlangen, die man sodann an den Spieß bindet.
Ihren besonderen
UMZUG halten die Mitglieder der
SPINNGESELLSCHAFTEN, Burschen und Mädchen; und das ist die eigentliche
FASCHINGSPARADE.
Zur Erlangung von
ESSWAREN und
GELD ziehen sie mit einer meist nur aus 4 Personen bestehenden, bunt kostümierten
MUSIKKAPELLE die belebte
DORFSTRASSE entlang und sammeln durch Bitten und anzügliche Neckereien in
KÖRBE und
KOBER, was sie nur immer erlangen können.
Die männliche Jugend bindet gewöhnlich die erhaltenen Gaben, soweit es deren Beschaffenheit zuläßt, an
WEIDENKNÜTTEL, von denen riemenartige Streifen spiralförmig abgelöst sind. Während des ergötzlichen
UMZUGES spricht man der
PALENZFLASCHE eifrig zu und bietet jedermann davon an,
natürlich, um ein
GESCHENK zu erlangen.
Die
BURSCHEN treten in verschiedenen
VERKLEIDUNGEN und vielfach maskiert auf, als Soldaten, Schornsteinfeger, Zigeuner usw.,
oder sie stellen den
SCHIMMELREITER und den
EISBÄREN dar.
Der
ERSTE wird folgendermaßen gebildet: eine männliche Person trägt auf der Brust und auf dem Rücken mehrere, mit einem Leinentuche bedeckte Siebränder. Kopf und Hals formt man aus einem ausgestopften Frauenstrumpf oder einem mit Werg umwickelten Wockenstocke, den Schweif gleichfalls aus Werg.
Der
BÄR wird veranschaulicht durch einen vollständig mit Erbsenstroh umwickelten Mann, der, an eine Kette gefesselt, tanzend und brummend seinem Führer folgt.
Mit einem Kuchenbleche, einer Gießkanne, mit Topfdeckeln und einer verstimmten Geige oder Klarinette wird die ohrenzerreißende
MUSIK hergestellt,
mit der ein kläffender Hund, den man beständig auf den Bären hetzt, seine Stimme vereint.
Flüchtende Gänse, Enten und Hühner tragen durch Schreien, Quaken und Gackern zur Verstärkung dieses
FASCHINGSKONZERTS bei.
Bei diesem lärmenden
UMZUGE der wunderlichen Gestalten öffnen sich Tor und Tür der Hütten, und alt und jung erscheint,
um sich teilweise der seltsamen Schar anzuschließen. Mädchen und Burschen der
SPINNTE vereinigen sich sodann zu einer gemeinsamen
FESTLICHKEIT.
Die angesammelten
GABEN werden von den Mädchen, die Eßvorräte für mehrere Tage zu beschaffen haben, zu den
MAHLZEITEN verwendet.
Auch für
GETRÄNKE sorgen sie. Selbst die Kosten für die
TANZMUSIK werden zu Fastnachten von ihnen bestritten,
erwerben sie sich dadurch doch das
RECHT, das ganze Jahr hindurch frei tanzen zu dürfen.
Gewöhnlich entnehmen sie das
GELD dazu ihrer
SPINNTEKASSE, die die bei Hochzeiten und Kindtaufen erzielten Einnahmen enthält.
Während die
MÄDCHEN Speise und Trank beschaffen, obliegt den
BURSCHEN die Sorge für das nötige Feuerungsmaterial.
Die
TAFELEIEN des jugendlichen Volkes werden meist in der
SPINNSTUBE selbst abgehalten, seltener im
WIRTSHAUSE,
da dessen Räume von den übrigen
DORFBEWOHNERN angefüllt sind.
Nach der
MAHLZEIT führt man eigenartige
GESELLSCHAFTSSPIELE auf oder läßt wendische
VOLKSLIEDER erschallen, die mit ihren wehmütigen, meist in Moll gehaltenen Weisen einen nachhaltigen Eindruck auf Fremde nie verfehlen. Sodann begibt man sich zum
TANZE ins
WIRTSHAUS. Dort spricht man zunächst dem
FREIBIER tüchtig zu, das der Jugend von den im verflossenen Jahre verheirateten
WIRTEN gespendet wird,
und schwingt darauf das Tanzbein unermüdlich. Selten wird bei den
WENDEN so viel getanzt wie zur
FASTNACHTSZEIT.
Und wie ausgelassen wird dabei getanzt.
Gilt doch allenthalben der
GLAUBE, je höher man beim Tanzen springt, desto besser gerate der Flachs, und das besonders,
wenn man sich von einem recht hochgewachsenen Burschen herumschwingen lasse. Freilich sind es heute nur
MODERNE TÄNZE,
die die Wenden aufführen. Die Zeit des
WENDISCHEN ORIGINALTANZES,
der der Polonaise und dem Menuett ähnelte und noch vor etwa 60 Jahren allgemein üblich war, ist heut vorüber.
Auch die bisher gebräuchlichen
NATIONALEN MUSIKINSTRUMENTE, der
DUDELSACK,
die dreisaitige wendische
GEIGE und die
TARAKAWA, finden sich in der Niederlausitz nirgends mehr vor.
Aber trotz alledem bietet ein
TANZ VON WENDEN ein interessante und äußerst malerisches Bild,
wenn sich die hübschen, derben
WENDINNEN in ihrer farbengrellen
NATIONALTRACHT nach den Klängen der schlichten
DORFMUSIK in den Armen der großen, kräftigen
BURSCHEN über den Tanzboden fortbewegen, ist es wie das Gewoge eines bunten, ewig wechselnden Farbenspiels,
von dem man die Blicke nicht abzuwenden vermag. Und was für eine Pracht,
welchen Reichtum entfalten die
WENDENMÄDCHEN in ihrem
FASCHINGSSTAATE !
Dabei erhalten die Schönen erst dann die rechte Wertschätzung, wenn sie sich während des Festes in dreimaliger
UMKLEIDUNG zeigen können.
Im
TANZE erreicht die wendische
LEBENSLUST ihren höchsten Grad: so ertönt denn hier das
KREISCHEN eines Mädchens,
dort das fröhliche >
HUJHUJJUCHHUHU< eines Burschen.
Auch an den übrigen Tagen wechseln
TAFELEIEN & TRINKGELAGE mit Tanz, Spiel und Gesang ab.
Vor mehreren Jahren nahm die
FASTNACHTSFEIER eine ganze Woche in Anspruch.
Daß dabei des Guten meist zu viel getan wurde, läßt sich denken, und ohne
SCHLÄGEREIEN ging es natürlich selten ab.
Daher wurde von den Behörden eine so lange und ausschweifende
FASTNACHTSFEIER zum Glück der Gemeinden nicht mehr geduldet.
Gegenwärtig dürfen zu diesem Zwecke nur 2 bis 3 Tage verwendet werden, die man freilich redlich ausnutzt.“
KRITIKER dieses lärmenden, von „üppigem Leben und tierischer Ausgelassenheit“ gekennzeichneten FASTNACHTSTREIBENS
stellten schon vor 200 Jahren fest, dass die Christen zu dieser Zeit 3 Tage hindurch wahnsinnig seien,
am vierten Tag aber durch Bestreichen mit Asche (am danach benannten ASCHERMITTWOCH) den Verstand wieder erhielten…
In jungen Jahren habe ich als Amateurmusiker gelegentlich auch den UMZUG durchs DORF mitgestalten und abends zum FASTNACHTSTANZ aufspielen dürfen
- und ich muss im Nachhinein bekennen: SO SCHLIMM WAR ES NUN AUCH WIEDER NICHT... 