Heimatforscher sind eigentlich stets & ständig auf der Suche nach den
QUELLEN ZUR ORTSGESCHICHTEDazu gehören alle Zeugnisse vergangenen Lebens, wie
TEXTE (Akten, Urkunden, Briefe, Zeitungsberichte, Statistiken & Landkarten),
GEGENSTÄNDE (archäologische Zeugnisse, Gebäude, Denkmäler)
oder
TATSACHEN (Flurnamen, Sitten & Bräuche, erzählte Erinnerungen)
Letztere sind, wie der Namen schon sagt, kaum zu widerlegen,
wenn man auch mit den Erinnerungen von Zeitzeugen vorsichtig umgehen sollte...
Die GEGENSTÄNDE, also die Sachzeugen, sind einfach "da" - und falls sie doch durch "Wechselfälle des Lebens" verloren gingen bzw. zerstört wurden, blieben sie uns - sofern uns das Forscherglück hold ist - wenigstens als Abbildungen, wie auf den hier gezeigten POSTKARTEN und PRIVATFOTOS erhalten.
Ich beschäftige mich in erster Linie mit der ersten Quellen-Gruppe,
den schriftlichen Überresten. Dank Internet & google-books kann man momentan ja von einer unübersehbaren Fülle von historischen Textdokumenten sprechen - man muss sie eben nur suchen, finden und speichern. Natürlich verringert sich das digitalisierte Angebot, je tiefer man in die Historie einsteigt. Man kann sich sicher mein Glücksgefühl vorstellen, als ich zufällig eine einst gedruckte, nun digitalisierte
PREDIGT des Pfarrers REINHARDT, gehalten in der Wendischen Kirche nach dem großen Stadtbrand von 1670, entdeckte.
Bei in irgendwelchen Publikationen zitierten Textdokumenten muss man allerdings äußerst vorsichtig sein, denn beim "immerwährenden Abschreiben" diverser Autoren erhöht sich zwangsläufig die Fehlerquote, ähnlich wie beim kindlichen Gesellschaftsspiel der "Stillen Post": das hörbare Endresultat hat meist mit dem anfangs eingegeben kaum mehr Ähnlichkeit...
Ich vertraue da mehr auf Einträge in diversen Chroniken, Jahrbüchern &
LEXIKA aus verschiedenen Epochen und füge sie wie ein Puzzle zusammen.
Das folgende Beispiel über
JÜTTENDORF
soll dies demonstrieren. Die Lexika stammen von
1803 ( gelb & rot) - 1846 (grün) - 1864 (blau) - 1867 (weiß)
Schon die wechselnde Zahl der dort befindlichen HÄUSER und BEWOHNER wirft ganz sicher Fragen auf...
Überraschend ist der
NAME des Dorfes auf einer Karte von 1800 - da steht offensichtlich
JUDENDORF, was man aber nicht fehldeuten sollte, da überwiegend WENDEN in den kleinen Bauernkaten wohnten. Ich registriere es als Druckfehler, denn im ersten Lexikon (s.o.) taucht es als
JUEDENDORF auf...Man muss schon genau hinsehen, um das kleine "e" über dem "U" zu entdecken...
Und nun noch eine sprachwissenschaftliche Entdeckung:
Wir sprechen heute
JÜTTENDORF ganz selbstverständlich mit einem deutlichen "J" im Anlaut. Der einstige Senftenberger Oberpfarrer LIEBUSCH kam in seiner >SKYTHIKA< (1833) durch Forschungen allerdings zu dem Schluss, dass in weit zurückliegender Zeit das "J" wohl eher als (im Französischen fast durchgängigen) "Sch" gesprochen wurde - wie im Wort "Jargon"...
Und so fügt sich durch akribische Recherche "Textstein auf Textstein" und ergibt dann irgendwann eine (fast) gesicherte Definition des einstigen Dorfes und zugleich Vorortes unserer Stadt Senftenberg.
Was gibt es Schöneres für den Heimatforscher !
Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen "gesicherten" Beitrag aus der sog. >BÜTTNER-CHRONIK< (1836) zitieren, der vom "Kampfeswillen" der JÜTTENDORFER Bauern erzählt:
"Am 15. April 1637 ist die Vorstadt Jüttendorf durch herumstreifende kaiserliche Soldaten angezündet und nebst den Jüttendorfern und Stadt-Scheunen abgebrannt. Die Kaiserlichen stellten sich anfangs freundlich, fingen aber bald an unter die Bürger zu schießen, diese aber wehrten sich tapfer, daß die Angreifenden weichen mußten.
In der Wuth, und um in die Stadt zu kommen, zündeten sie zunächst die Begräbnißkirche und dann auch Jüttendorf an. Sie wurden aber von den Bauern ergriffen und in's Feuer geworfen. Derjenige, welcher noch zuletzt die Kreuz-Capelle anzündete und der, obgleich ins Feuer geworfen, sich immer wieder salvirte*, wurde von dem Jüttendorfer, Georg Zschuzschela, der lange im Kriege gedient hatte, mit einer Wagen-Runge** blutrünstig geschlagen, sodann in's Feuer geworfen und ist hierauf verbrannt.
Im Jahre 1643 sind beide Vorstädte Jüttendorf und Neusorge abgebrannt."
Wenn die einstigen Dorfbewohner den heutigen, wunderschön gestalteten
JÜTTENDORFER ANGER sehen könnten - ihnen würde das Herz aufgehen, glaube ich...
* sich retten
** Stange zwischen Wagenseite & Radachse