…ist recht schnell erzählt: Eigentlich träumte ich insgeheim davon, auch mal
KINOVORFÜHRER zu werden, weil man dann kostenlos alle
FILME anschauen konnte. Doch schon die ersten
VERSUCHE mit einem
KLEINSTPROJEKTOR, diversen
MÄRCHENFILMBÄNDERN & dazu vorgelesenen
BEGLEITTEXT schienen Oma & Opa nicht „vom Hocker zu reißen“…(1)
Während meiner Mitgliedschaft in der Schul-AG-„Junge Historiker“, in der wir auch fotografierten, Filme entwickelten und aufs Fotopapier brachten, entstand der Wunsch nach einer eigenen
KAMERA, die ich anlässlich meiner Jugendweihe geschenkt bekam. Ich knipse bis heute sehr gern…(2)
Stumme
SCHMALFILME kredenzte uns unser Grundschullehrer Herr
ZIEGLER, dank derer wir nicht nur die Arbeitsweise handwerklicher Berufe „studieren“, sondern auch „Deutsche Landschaften“ betrachten durften, darunter auch einige, die uns bis 1990 verwehrt blieben… (3)
Die
LANDFILM-AUSSTATTUNG war uns geläufig, da wir im Kulturhaus hin & wieder den
KINOVORFÜHRER vor Ort besuchten, der uns dann nacheinander durchs Guckloch schauen ließ…(4)
In den 1950er-Jahren wollten die Menschen die entbehrungsreichen Jahre der Nachkriegszeit vergessen und sich nach einem harten Arbeitstag für wenig Geld gut und unkompliziert unterhalten lassen und so stand das
KINO in der Gunst des Publikums als
UNTERHALTUNGSMEDIUM ganz oben. Demzufolge errichtete man als „Mittelpunkt des kulturellen Lebens“ in einigen Städten & Gemeinden sogenannte
>KULTURHÄUSER< mit Tanzsaal, Klubräumen und einer kleinen Bühne. So wurde in den 50er Jahren aus dem ehemaligen
>GASTHAUS ZUR EICHE< oder der
"EICHE" - wie sie im Volksmund genannt wurde – zuerst das betriebseigene
„KLUBHAUS MEUROSTOLLN“,
später nochmals umbenannt in
„KLUBHAUS DER BERGARBEITER“.
Hier spielte sich vielfältiges kulturelles Leben ab, wie im
VERANSTALTUNGSPROGRAMM / Dezember 1960 zu sehen ist.
Der
„MOBILE LANDFILM“ war bis zu dreimal pro Woche vor Ort und mindestens einmal im Monat wurde das Tanzbein im großen Saal geschwungen. Hier hielten auch das Orchester und Tanzgruppe des „Bergarbeiter-Ensemble“, der auch ich angehörte, ihre Proben ab. Hier trafen sich die Schachspieler und Briefmarkensammler und in der oberen Etage war sogar eine kleine Bibliothek untergebracht, die allen interessierten Leseratten offen stand.
Die
ROT unterlegten
EINTRAGUNGEN zeigen deutlich, dass den
KINDERN & JUGENDLICHEN aus SENFTENBERG-WEST & HÖRLITZ ein umfang~ & abwechslungsreiches
FREIZEITANGEBOT unterbreitet wurde.
Wenn sich meine Generation an
KINOBESUCHE in Kindheit & Jugendzeit erinnert, werden sicherlich gerade die Filme unauslöschlich im Gedächtnis haften geblieben sein,
die man unter Umgehung der
ALTERSBESCHRÄNKUNG gesehen hat.
Mit vielen Tricks wurde dabei versucht, sich irgendwie ins Kino "einzuschleichen", um sich anschließend als mutiger Held feiern zu lassen. In den 1950ern waren nämlich viele Dinge Tabu, die in Film, Fernsehen oder Werbung heute selbstverständlich sind. Die Darstellungen von Sexualität, etwa leidenschaftliche Kußszenen, Nacktdarstellungen oder gar (verdeckter) Geschlechtsverkehr galten als moralisch inakzeptabel.
Für mich „Dreikäsehoch“ der 1950er Jahre waren darüber hinaus auch die in den
KINDERVORSTELLUNGEN gezeigten
FILME mitunter das Nonplusultra,
von denen mir subjektiv betrachtet einige bis heute in Erinnerung geblieben sind:
(1) Der kühne
ROTE KOMMISSAR TSCHAPAJEW, flink zu Pferde und treffsicher am Maxim-MG, war Vorbild für die
HOLZGEWEHRKÄMPFE, die wir in unserer Straße, nicht mehr als althergebrachte „Räuber & Gendarmen“, sondern als „Rot~ gegen Weißgardisten“ ausfochten.
(2) Den großen
KINDERVERSTEHER MAKARENKO bewunderte ich ob seiner Hingabe für Waisenkinder ebenso, wie (3) die
PIONIERHELDEN TIMUR UND SEIN TRUPP, der sich um Alte & Bedürftige kümmerte.
In meinem ersten, actionreichen
RUSSISCHEN MÄRCHENFILM faszinierte mich der
HAUPTHELD (4), der mit seinem Backstein-Ofen durch die Winterlandschaft brauste. Die beiden
DEUTSCHEN MÄRCHENFILME (5/6) haben fast alle Kinder meiner Generation geprägt, der trickreiche
KLEINE MUCK, bzw. der
KOHLEN-PETER auf Schatzhauser-Suche, der mit Hilfe des Glasmännleins den riesigen Holländermichel besiegt. Die
STÖRENFRIEDE (7) waren mir schuldisziplinmäßig etwas ähnlich (!) und die ach so liebreizende
PIROSCHKA (8) hatten ja wohl alle Altersstufen ins Herz geschlossen.
Das waren beileibe nicht alle
„KINDHEITSFILMFAVORITEN“ von mir – dafür allerdings die über Jahrzehnte hinweg bleibenden…
Über Jahrzehnte hinweg hat sich allerdings auch die
DISZIPLIN DER KINOBESUCHER nicht wesentlich geändert, wie der abschließende
KOMMENTAR aus der Fachzeitschrift >Kinematographie< von 1915 beweist:
„Im Interesse unserer gesamten Branche ist es dringend erforderlich, dass Personen, deren Verhalten im Theater ANSTOSS erregt, zur GUTEN SITTE erzogen oder einfach vom Kinobesuch ausgeschaltet werden. Hierzu gehören vor allem jene HALBWÜCHSIGEN BÜRSCHCHEN, die durch ihr frivoles Betragen für das übrige Publikum ein öffentliches AERGERNIS bilden. Diese SAUBEREN HERRCHEN illustrieren beispielsweise die FILMSZENEN durch freche, zweideutige Bemerkungen, markieren Küsse durch lautes Schmatzen, werfen Papier & andere Gegenstände gegen die Bildfläche und dergleichen mehr. DERARTIGE GÄSTE sollten dem Kino ruhig fernbleiben; sie verjagen nur das anständige Publikum.
In solchen Fällen sollte der Theaterbesitzer ohne weiteres von seinem HAUSRECHT Gebrauch machen.
Natürlich ist ein VORSTADTKINO KEIN GESELLSCHAFTSSAAL.
Als >UNTERHALTUNGSSTÄTTE DES VOLKES< wird ihm der ARBEITER im blauen Kittel oder das einfache DIENSTMÄDCHEN gewiss jederzeit willkommen sein. Nie und nimmer aber darf es sich zum TUMMELPLATZ VON ROWDYS & ZWEIFELHAFTEM GESINDEL herabwürdigen. Wie bei den RÜPELEIEN HALBWÜCHSIGER BURSCHEN gilt es auch, gegen die kleinen UNGEHÖRIGKEITEN DES DURCHSCHNITTPUBLIKUMS WÄHREND DER VORFÜHRUNG einzuschreiten. Hierher gehört u. a. das EINNEHMEN & VERLASSEN DER PLÄTZE. Es ist ungemein störend und rücksichtslos, wenn plötzlich mitten im Bilde sich jemand von dem letzten Stuhl erhebt, sämtliche Zuschauer der ganzen Reihe zum Aufstehen zwingt und sich unter Schieben und Drängen nach dem Ausgang zwängt. Jeder kann solange warten, bis der betreffende Film oder Akt zu Ende ist, selbst wenn er einige Szenen zweimal sehen muss. Gegen diese UNSITTE kann schon der PLATZANWEISER erziehend wirken, indem er die Besucher, die Anstalten zum Verlassen des Theaters treffen, nötigt, bis Aktschluss zu bleiben.
An diese Stelle gehört auch die UNSITTE DER LAUTEN UNTERHALTUNG während der Vorführungen. Bezieht sich dieselbe auf den Inhalt des Films (Ausrufe des Staunens, des Beifalls, der Missbilligung, usw.) so ist sie als ein Zeichen des Interesses an der Handlung immer noch zu entschuldigen. Anders aber, wenn sich BESUCHER, wie man es bisweilen beobachten kann, völlig ungeniert über ihre Privatsachen unterhalten, tuscheln, kichern & Melodien zur Musik mitsummen. Sie lenken somit die Aufmerksamkeit der ÜBRIGEN ZUSCHAUER von der Handlung ab, was daher als sehr lästig empfunden wird.
Das PUBLIKUM äußert denn auch gewöhnlich selbst seinen UNWILLEN, indem es durch ZISCHEN & ‚RUHE‘-RUFE die STÖRENFRIEDE zurechtweist, die durch ihr BENEHMEN nur interessant erscheinen wollen. Auch auf das ABNEHMEN DER HÜTE sollte strenger geachtet werden, und zwar bei DAMEN & HERREN, unter denen es leider welche gibt, die es anscheinend besonders schick und imposant finden, wenn sie ihr Haupt bedeckt lassen.
EIN KINOTHEATER IST ABER KEINE STEHBIERHALLE!“Na dann:
FILM AB !