An
DEUTSCHLANDS SCHULEN gibt es gegenwärtig nicht nur sehr viele
PROBLEME, sondern herrschen mitunter wahrlich chaotische
ZUSTÄNDE:
marode Schulgebäude, kaputte Toiletten, Lehrermangel, Unterrichtsausfall, hohe Schulabbrecherquote, grassierende Disziplin~ & Respektlosigkeit bei den Schülern u.v.a.m. Allerdings steckt mittlerweile das gesamte deutsche
BILDUNGSSYSTEM in einer tiefen
KRISE. Es ist haarsträubend:
In den Schulen lernen die Kinder nicht mehr das, was sie für einen erfolgreichen Berufsweg benötigen und verlassen bereits die Grundschule mit nur rudimentären Mathematikkenntnissen,
können nicht korrekt schreiben, ja noch nicht einmal „zuhören“.
Als ein in 40 Dienstjahren an „vorderster Bildungsfront“ kämpfender
LEHRER kann ich den Hilferuf
>SCHULE IN NOT< nachvollziehen.
Ein Berufskollege wies allerdings schon um 1900 auf die Unwägbarkeiten bei der
SCHÜLERSCHAFT hin, die den
LEHRERN oftmals die
MOTIVATION raubten:
„Wird ein KIND 6 Jahre alt, so schult man es ein. Sind die ELTERN WOHLHABEND, so werden sie der VORSCHULE eines GYMNASIUMS oder sonst einer höheren Lehranstalt den Vorzug geben. Die ÄRMERE Bevölkerung schickt ihre Kinder in die VOLKSSCHULE, in deren 3 ersten Jahrgängen das UNTERRICHTSPENSUM vollkommen mit dem der höheren Lehranstalten übereinstimmt. 40 bis 50 Kinder DRÜCKEN NUN DIE BÄNKE. Während sich die einen lediglich auf diese immerhin achtenswerte TÄTIGKEIT beschränken, setzen die anderen auch noch ihr GEHIRN in Arbeit. Schon nach kurzer Zeit tritt in der KLASSE eine gewisse EINGLIEDERUNG auf. Der LEHRER, der die SCHÜLER nur schlechtweg aufgenommen hatte, sieht jetzt auf einmal FLEISSIGE & FAULE, SAUBERE & SCHMIERFINKEN, KLUGE & DUMME, HOCH~ & UNBEGABTE vor sich. Und diese GLIEDERUNG schreitet durch Bildung neuer KOMBINATIONEN immer weiter voran: BEGABUNG kann sich entweder mit FAULHEIT oder mit FLEISS, seltener schon UNFÄHIGKEIT mit FLEISS, häufiger dagegen UNSAUBERKEIT mit DUMMHEIT paaren. Jedenfalls ergibt sich schon bei flüchtiger Betrachtung für jeden SCHÜLER eine ungeheure Fülle an VERKNÜPFUNGSMÖGLICHKEITEN.
Für den LEHRER erwachsen nun neue ARBEITEN. Von ihm wird gefordert, den KINDERN einen bestimmten LEHRSTOFF beizubringen. Das PENSUM hierfür ist für den DURCHSCHNITT berechnet und wer ihn bewältigt, kann in eine höhere Klasse aufrücken. Mit den BEGABTEN wird er keine Schwierigkeiten haben – denn sie LERNEN LEICHT.
Da jedoch dem SCHWACH~ oder gar UNBEGABTEN aber alles EINGEDRILLT werden muss, wird er immer weiter zurückgedrängt, bis er schließlich nach einigen krampfhaften ANSTRENGUNGEN den WETTLAUF aufgibt und zum stumpfen BANKDRÜCKER herabsinkt…“Bei der aktuellen
RECHERCHE kam mir ein
LANGZEITAUFTRAG meines Sohnes in Erinnerung: den überwiegend in Sütterlin & „Kanzleischrift“ verfassten
TEXT der
SCHULCHRONIK besagter Bildungseinrichtung „zu übersetzen“.
Ich werde also nachfolgend beim Abfassen meines
KOMMENTARS meine
ERSTEN ÜBERSETZUNGSSCHRITTE einfließen lassen:
GRÜNDUNG DER SCHULE IIINachdem im Jahre
1900 das neuerbaute
SCHULHAUS I mit
18 KLASSENRÄUMEN seiner Bestimmung übergeben worden war,
hoffte man, für viele Jahre im Voraus
SCHULRÄUME gewonnen zu haben. Allein schon nach 5 Jahren waren alle
KLASSENRÄUME besetzt, und die Schulbehörden sahen sich vor die Notwendigkeit gestellt, bei einer andauernden
ZUNAHME von schulpflichtigen
KINDERN den BAU eines dritten
SCHULHAUSES zu planen.
In
MEUROSTOLLN, später
SENFTENBERG II genannt, bestand seit mehreren Jahren die
SCHULE II. Eine bald eintretende
ÜBERFÜLLUNG der Schule zwang zur Verwirklichung des
PLANES; man beschloß, auf der
STADTFLUR nach Norden zu an der
CALAUER CHAUSSEE eine
III. SCHULE mit
12 KLASSEN zu errichten. Der
BAU derselben begann im Sommer
1908 und wurde im Frühjahr
1909 vollendet.
Von der
EINWEIHUNGSFEIER berichtete der >Senftenberger Anzeiger<:
Der
SCHULCHRONIST startete mit einem fast gleichlautenden
TEXT, fügte allerdings furchteinflößendes
ZAHLENMATERIAL hinzu, welches die endlosen
„KLAGELIEDER“ über den
SCHÜLERZAHL – ANSTIEG von HEUTE wohl oder übel verstummen lassen dürfte:
An demselben Tage hatte auch der
UNTERRICHT in der Schule begonnen. Der
SCHULE III wurden die
KINDER der Stadt, Jüttendorfer und Thammer Flur des bestehenden Schulverbandes zugewiesen. Der bisherige
SCHULBEZIRK war derartig geteilt worden, daß die
COTTBUS – GROSSENHAINER EISENBAHN die Grenzlinie bilden soll, so daß nördlich dieser Linie
SCHULBEZIRK III, südlich davon
SCHULBEZIRK I bestehen soll. Wegen schultechnischer
SCHWIERIGKEITEN konnten jedoch nicht gleich alle
KINDER aus dem neuen Schulbezirk umgeschult werden; es verblieben die meisten
KINDER DER OBERKLASSEN einstweilen noch im Schulbezirk I zurück, während die
TEILUNG DER KINDER in der
MITTEL~ & UNTERSTUFE vollständig vollzogen wurde. So entstanden für die
SCHULE III insgesamt
8 SCHULKLASSEN, deren
SCHÜLER von
7 LEHRKRÄFTEN unterrichtet wurden.
DIE SCHÜLERANZAHL BETRUG ENDE JUNI 1909:
2. gemischte Klasse: 29 Knaben & 36 Mädchen
3. gemischte Klasse: 33 Knaben & 34 Mädchen
4. Knabenklasse: 12 Knaben / Mädchenklasse: 54 Mädchen
5. Knabenklasse: 68 Knaben / Mädchenklasse: 65 Mädchen
6. Knabenklasse: 64 Knaben / Mädchenklasse: 68 Mädchen
In Summa: 274 KNABEN & 257 MÄDCHEN – zusammen 531 SCHULKINDER.
Da die
GRENZLINIE zwischen den
SCHULBEZIRKEN I & II voraussichtlich nicht immer wird inne gehalten werden können, da vielmehr anzunehmen ist, daß bei überfüllten Klassen
SCHULKINDER her~ & hinüber umgeschult werden müssen, da ferner ein oftmaliger
VERZUG DER ELTERN aus diesem und jenem Bezirk stattfindet, so bleibt der
GRUNDLEHRPLAN für SENFTENBERG I auch für diese
SCHULE maßgebend. Die
STOFFVERTEILUNGSPLÄNE sind bereits danach aufgestellt. Ebenso sind die für
SCHULE I eingeführten
LEHR~ & LERNBÜCHER beibehalten worden.
Ob die anfängliche
GESCHLECHTERTRENNUNG in separaten Klassen die gewünschte
UNTERRICHTSDISZIPLIN förderte, könnten nur unsere Altvorderen beurteilen.
Auf jeden Fall gab es hilfreiche
„ERZIEHUNGS-RATGEBER“, in denen dem Nachwuchs per
GEDICHT wohlgemeinte
RATSCHLÄGE mit auf den
SCHULWEG gegeben wurden:
DER HÖFLICHE SCHÜLER (1803)
Fang‘ deine Schularbeit nicht ohne Beten an,
denn Gott allein ist es, der sie dir segnen kann.
Was dir nun nötig ist, das lege dir zurechte,
weil sonst durch viel Gelauf ein Lärm entstehen möchte.
Was du zu Hause dir schon wohl bekannt gemacht,
das geh‘ noch einmal durch, doch still und mit Bedacht.
Wenn du die Tinte brauchst, so nimm dich wohl in acht,
daß keiner sich dadurch die Kleider schmutzig macht.
Fragt dich der Lehrer was, so antwort‘ ganz bescheiden.
Vor allem sei bedacht, das Lügen zu vermeiden.
Wenn er dir was erklärt, so rede nicht darein,
es muß dein Sinn allein auf ihn gerichtet sein.
Lieg‘ auf der Bank nicht wie die Bauern in den Schenken,
die an die Höflichkeit zu keiner Zeit gedenken.
Zerschnitzle nicht das Holz an deinen Schulebänken,
du machtest dir hierdurch ein schlechtes Angedenken.
…und wenn diese wohlgemeinten REGELN nicht fruchteten, wurden die SCHÜLER kurzerhand vom LEHRER mit GEWALT
– also mittels Rohrstock – "auf den rechten Weg geführt"…
Zum Abschluss noch einige interessante
FAKTEN aus der
>SCHULCHRONIK< über die
SCHULVERHÄLTNISSE im Jahre
1928, deren
„BEACHTUNG gefordert werden sollte“ – zumal sie denen von
HEUTE fast identisch zu sein scheint:
"Das SCHULHAUS ist überaus reparaturbedürftig und erweist sich mit seinen z.T. unfreundlichen KLASSENZIMMERN, seinen schmutzigen WINKELN und zugigen KORRIDOREN als unästhetisch & unhygienisch. Die verschmutzte, jedes Sauberkeitsgefühl verletzende ABORTANLAGE entspricht längst nicht der Größe der SCHÜLERZAHL.
Der nach REGENGÜSSEN halb unter Wasser stehende, aufgeweichte und somit nicht betretbare SCHULHOF macht die ERHOLUNG der Kinder in frischer Luft zeitweise unmöglich und ist überdies durch Baracke, Aborte & Klettergerüst zu beengt. Vor allem fehlt es der Schuljugend an geeigneten TURNGERÄTEN. Für eine geordnete, erfolgreiche körperliche AUSBILDUNG & ERTÜCHTIGUNG macht sich dringend der Bau einer größeren TURNHALLE notwendig. Der TURNUNTERRICHT wird für 900 – 1000 SCHÜLER noch immer in einer NOTBARACKE abgehalten, die die Aufstellung größerer GERÄTE nicht zuläßt und kaum 30 Schülern gleichzeitig die Teilnahme am TURNUNTERRICHT gestattet.
Auch mit dem MUSIKUNTERRICHT liegt es recht im Argen. Außer dem Gymnasium besitzt keine Schule ein INSTRUMENT.
Daran scheitert auch die Einführung von CHORGESANGSSTUNDEN für die oberen Klassen. Die STUNDENKÜRZUNG und die RAUMVERHÄLTNISSE tragen ihr Übriges dazu bei.
Von Ostern ab müssen mit über 700 KINDERN insgesamt 17 KLASSEN gebildet werden. Es entstehen 4 achte, je 3 siebente & sechste Klassen; aber nur je 1 zweite & erste, beide gemischt und über 50 KINDER stark. Der PERSONAL~ & STELLENABBAU der letzten Jahre beginnt sich jetzt verhängnisvoll auszuwirken; denn bei der steigenden KLASSENZAHL fehlt es an LEHRKRÄFTEN & KLASSENRÄUMEN.
Da die SCHULE III nur 16 KLASSENRÄUME zur Verfügung hat – die anderen sind von der katholischen Kirche, der Hilfsschule sowie der Handelsschule besetzt – hat mindestens eine Klasse KEINEN RAUM – muß also „fliegen“, d.h. da unterschlüpfen, wo gerade eine andere Klasse im ZEICHENSAAL oder draußen arbeitet. Wir sind gottlob in der glücklichen Lage, diesen SAAL für etwaige AUFFÜHRUNGEN benutzen zu können. Die WOCHENSTUNDENZAHLEN der Klassen müssen gekürzt werden, sonst reichen die von den LEHRKRÄFTEN zu erteilenden STUNDEN nicht aus, um alle KLASSEN zu versorgen. Und das alles, obwohl in Preußen noch mehr als 20.000 JUNGLEHRER auf Anstellung im Schuldienst warten. Die SCHULE III brauchte von OSTERN ab dringend eine LEHRKRAFT mehr, wenn sie voll leistungsfähig bleiben soll…"...UND DA SAGE NOCH EINER: "FRÜHER WAR ALLES BESSER !"Hier klappe ich die
>SCHULCHRONIK / Schule III 1909 – 1932< erst einmal zu. Bei passender Gelegenheit berichte ich dann von den Schülern & Lehrern, ihren Schulausflügen & weiteren (un~)wichtigen
EREIGNISSEN rund um das
SCHULHAUS AN DER CALAUER STRASSE…