„Die BETRIEBSFERIENLAGER FÜR KINDER in der DDR, die per Gesetz für die Kinder der Mitarbeiter zu betreiben waren, sind ein Novum in der Geschichte des Kindersozialtourismus in Deutschland.“…las ich kürzlich im Internet. Das entspricht allerdings nicht ganz den historischen Tatsachen, denn einem
FALTBLATT der ILSE AG. aus dem Jahre 1937 konnte ich entnehmen, dass sich schon die „bösen Kapitalisten“ um das
KINDERWOHL ihrer Beschäftigten gesorgt hatten:
An wichtigen
INFORMATIONEN wurde noch folgendes nachgereicht:
„Bereits im Jahre 1912 boten wir zum ersten Male unseren Werksangehörigen Gelegenheit, ihre KINDER in ein ERHOLUNGSHEIM an der OSTSEE zu schicken.
Im Jahre 1936 ist es uns möglich gewesen, 280 ILSE-Jungen und ~Mädel zu verschicken und ihnen einen VÖLLIG KOSTENLOSEN Aufenthalt (einschließlich Reise) von durchschnittlich 6 WOCHEN zu gewähren. Die ILSE AG. besitzt KINDERHEIME in
Mittelschreiberhau (Riesengebirge) – Waldbärenburg (Erzgebirge) – Kolberger Deep (Ostsee) – Kölpinsee (Usedom) – Ostseebad Ahlbeck.
Für die KINDERVERSCHICKUNG heben wir nochmals besonders hervor:
Jedes Gefolgschaftsmitglied ist berechtigt, seine KINDER zu einer KURZEIT anzumelden. KINDERREICHE FAMILIEN werden bevorzugt.
Die Entscheidung, welches HEIM für das KIND am geeignetsten ist, fällt die Betriebsführung nach Anhörung der WERKSSCHWESTER über die wirtschaftlichen Verhältnisse und nach dem Untersuchungsergebnis durch den WERKSARZT. Im Allgemeinen sollen nur KINDER im schulpflichtigen Alter angemeldet werden.
Die KINDER werden durch erfahrene Begleiter nach den HEIMEN gebracht. Geht die REISE über BERLIN oder DRESDEN,
so wird der Aufenthalt zu einer STADTRUNDFAHRT ausgenutzt.
Die VERPFLEGUNG ist gut, reichlich und gesund und den verschiedenen Altersstufen angepaßt.
Soll der KURERFOLG nicht gefährdet werden, so müssen jedem Kinde vorher die ZÄHNE in Ordnung gebracht und sie unbedingt frei von Ungeziefer und Nissen sein.
Die Kinder schreiben regelmäßig jede Woche einmal nach Hause. Zur Bestreitung von Briefmarken und sonstiger kleiner Auslagen werden höchstens 3.- RM gebraucht.“
Zu
DDR-Zeiten war die Möglichkeit, die Kinder ins
FERIENLAGER reisen zu lassen, natürlich auch ein überaus preiswerter
FERIENSPASS und gleichermaßen eine willkommene
ENTLASTUNG des Familienbudgets, denn 3 Wochen Ferienlager kosteten lediglich ca. 15 bis 20 Mark inklusive An- und Abreise, Unterkunft, Betreuung und Verpflegung. Der Zulauf auf die Ferienplätze wuchs enorm, weshalb man das Angebot erweiterte: man reiste nun in 3 Durchgängen á 2 Wochen für ca. 12 – 15 Mark, darunter manche Kinder gleich zweimal – einmal in das vom Betrieb der Mutter, nachfolgend in das vom Betrieb des Vaters unterhaltene
BETRIEBSFERIENLAGER
.
Jeder größere
DDR-BETRIEB hatte für die
KINDER seiner
BETRIEBSANGEHÖRIGEN in den Urlaubsgegenden der Republik
FERIENLAGER eingerichtet – an der Ostsee ebenso wie an der Müritz, im Elbsandsteingebirge oder im Thüringer Wald. Das
SOMMERVERGNÜGEN der Kinder wurden hauptsächlich aus dem Staatshaushalt und mit Geldern der Betriebe und des FDGB finanziert. Für die Durchführung der
FERIENLAGER wurden Betriebsangehörige als Betreuungspersonal gestellt bzw. Lehrer, Erzieher und Pionierleiter verpflichtet.
Das Programm zur
GESTALTUNG DES ALLTAGS in den Ferienlagern lieferte allerdings das "Ministerium für Volksbildung der DDR", denn die Ferienlager waren keinesfalls nur reiner Selbstzweck, sondern hatten vielmehr das
ZIEL, eine
>GEBALLTE LADUNG SOZIALISTISCHER ERZIEHUNGSARBEIT<, bestehend aus
„politischen, sportlich-touristischen, kulturell-ästhetischen, naturwissenschaftlich-technischen, gesellschaftlichen und wehrpolitischen Aktivitäten“, auch außerhalb der Schule systematisch fortzusetzen. Für die
BETRIEBE gab es
STRENGE AUFLAGEN, und bei Nichterfüllung keine
GENEHMIGUNG, wie die >Lausitzer Rundschau< am 22. Juni 1961 vermeldete:
Für die ehemaligen
KINDER von BERGLEUTEN, die im BKW „Franz Mehring“ und im BKW Senftenberg (später mit weiteren Braunkohlenwerken zum
BKK SENFTENBERG vereinigt) tätig waren möchte ich an
ZWEI BETRIEBSFERIENLAGERerinnern, die beide nicht mehr existieren, aber jedem, der sie einst in den
SOMMERFERIEN erleben durfte, sicherlich unvergessen bleiben:
Die
JÜNGEREN tummelten sich im
FERIENLAGER KLEINDEHSA in der wunderschönen
OBERLAUSITZ, wo ich in meiner Kindheit als
FERIENKIND gespielt habe, mit anderen gewandert bin und mich in der Gemeinschaft durchaus wohlgefühlt habe. 1962 habe ich als angehender
ABITURIENT bei Beschäftigung mit den hier zu betreuenden
„KLEINEN FERIENKINDERN“ meine ersten erzieherischen Fähigkeiten & die Neigung zum künftigen
LEHRERBERUF entdeckt.
Erst als
STUDENT, später als
LEHRER hat mir speziell das
FERIENLAGER HOHNDORF mit angeschlossenem
ZELTLAGER in MÜLSEN St.Niklas im Erzgebirge den hohen Wert der „außerschulischen Erziehung“ vor Augen geführt, wobei mir natürlich meine
GITARRE beim gemeinsamen Gesang am
LAGERFEUER eine große Hilfe war. Hierbei entstand freundschaftlicher Kontakt zu den französischen & tschechischen Jugendlichen & Betreuern. Legendär war
>PEPIK< (alias Joseph Freudenfeld), ein „echter Jugendfreund in reifem Mannesalter" und ständiger Leiter der Ferienkinder-Delegation aus dem Partnerbetrieb des BKK in Kraluv Dvur / Beroun bei Prag, an den sich bestimmt noch viele ehemalige Betreuer & Ferienkinder aus den 1960/70er Jahren erinnern werden:
Abschließend noch ein paar Ergänzungen zum auf der Hauptseite erwähnten
FERIENLAGER AM SENFTENBERGER SEE:
Im Herbst 1972 begann das BKK Senftenberg im Rahmen eines „Jugendobjekts der FDJ“ mit dem Ausbau der alten Tagebauleitung zu einem
KINDERFERIENLAGER, wo ab 1973 je 100 Kinder in 3 Durchgängen schöne Ferien verlebten.
Die alten Gebäude der ehemaligen Tagebauleitung wurden neu gestaltet und dienten als Dusch~ und Aufenthaltsräume bzw. Bettenlager.
Für die Versorgung wurde ein
MEHRZWECKBAU mit Küche, Saal, Sitzungsraum und einer Kellerbar errichtet. Außerdem wurde die ehemalige Trafostation zum Bettenhaus mit Hausmeisterwohnung umgebaut. Daneben gehörten noch ein weiteres
GEBÄUDE mit Küche und kleinem Saal, eine Sporthalle, eine Sanitätsstation sowie 42 Bungalows, wovon 20 als attraktive
FINNHÜTTEN gestaltet waren, zu diesem Komplex. 10 Kinder bildeten eine Gruppe und je 5 teilten sich eine
FINNHÜTTE. So erholten sich im Ferienlager 600 Kinder in drei Durchgängen und pro Kind bezahlten die Eltern 15 Mark für 14 Tage !
Es gab Sport~ & Neptunfeste, Geländespiele, Disco, Kino, Kulturveranstaltungen, Exkursionen und auch das Essen war erstklassig.
Das
OBJEKT wurde ganzjährig genutzt, war Austragungsort vieler Lehrgänge, der vormilitärischen Ausbildung, für Brigadeveranstaltungen und im großen
SAAL fanden zahlreiche kulturpolitische Großveranstaltungen statt. In der Wendezeit wurde das
FERIENLAGER dicht gemacht und es entstand ab 1990 an gleicher Stelle die Gaststätte "Inselblick". Doch bereits 1991 wurden die
FINNHÜTTEN und 2002 das
GASTHAUS abgerissen.
Heute erinnert kaum noch etwas an das ehemalige
KINDERFERIENLAGER. Lediglich ein am Rande der Freifläche abgelegter, seltener, ca. 20 Tonnen schwerer
MEGAFINDLING aus dem Tagebau Meuro, der einst als
KLETTERPLATZ für Kinder diente, heute dagegen nur noch von Wildschweinen besucht wird,
ist übrig geblieben.
Wer heute um den
SEE radelt, schaut aber stets unwillkürlich mit Wehmut dorthin, wo einst das
FERIENLAGER stand – doch leider ist es…
…AUS & VORBEI MIT FERIENLAGERROMANTIK !