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14.01.2024
1 Kommentar

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Bereits in der vergangenen Woche tummelte ich mich motivtechnisch vorrangig an einem "neuralgischen" Punkt der Senftenberger Innenstadt. Ein Bereich, der im Laufe der Jahre einer Reihe von Veränderungen unterworfen war. Gemeint ist der im Volksmund "Kaufhauskreuzung" genannte Schnittpunkt der Bahnhofstraße mit dem Steindamm, der Westpromenade und der Joachim-Gottschalk-Straße. Zu früheren Zeiten waren da natürlich (noch) andere Straßennamen im Spiel, die aber weitestgehend dieselben Trassen bezeichneten.
Ich erzähle auch keine Neuigkeiten, wenn ich schreibe, daß irgendwann einmal zwei markante Gebäude einer Neugestaltung der Verkehrsführung im Wege waren und deshalb weichen mussten. Während der Blumen-Pavillon tatsächlich den späteren Trassenverlauf behinderte, störte das sogenannte "Milchhäuschen" den Verkehr eigentlich nicht so wirklich. Abgerissen wurde es trotzdem. Und das war im Dezember 1972...

Aufnahmen aus dem Dezember 1972. Fotografiert von Hans Lange und enthalten in dessen "Chronik von Senftenberg".
Sammlung Uwe Jähnert
Ein gruseliger Anblick, nicht wahr? Zwei Jahre zuvor stellte sich das Ganze noch etwas ansehnlicher dar...

Senftenberg
Aufnahme <= 1970
Sammlung Uwe Jähnert
Die beiden Aufnahmen links und rechts sollen aus dem Jahr 1970 stammen. Aufgrund der Wimpelkette aus DDR-Fähnchen im linken Schaufenster der Verkaufsstelle für Obst Gemüse Speisekartoffeln wäre auch Herbst 1969 (20. Republiksgeburtstag) nicht unplausibel.
Besagter Bau erhielt übrigens Mitte/Ende der 1950er Jahre an der West- und Nordseite jeweils eine Leuchtbeschriftung. Wobei ich den Schriftzug PAVILLON irgendwie befremdlich finde denn er weist weder auf eine der damals gängigen Verkaufsorganisationen (Konsum, HO) noch auf das dort angebotene Sortiment hin.
Senftenberg
Aufnahme <= 1970
Sammlung Uwe Jähnert
Senftenberg
Aufnahme <= 1965
Archiv der Stadt Senftenberg
Naja die Verantwortlichen werden sich dabei schon irgendetwas gedacht haben.

Was (mir) beim Betrachten der Fotos auffällt: das Haus Bahnhofstraße 11a, das sich hinter dem Milchhäuschen befindet. Oder besser gesagt, dessen baulicher Zustand. Wir schreiben das Jahr 1972 und die Fassade sieht aus wie kurz nach feindlichem Beschuss. Fast 30 Jahre nach Kriegsende! Wobei im Vergleich mit Aufnahmen die zwischen 1945 und 1972 entstanden konstatiert werden muß, daß der Verfall der Substanz fortschritt. Im Gegensatz zu dem Foto links, das spätestens 1965 gemacht wurde, sieht man, daß zwischen Fenster 2 und 3 ein weiteres Quadratmeter-großes Stück Putz von der Wand gefallen war...
Mitte der 1970er Jahre nahm man sich einiger Gebäude in der Bahnhofstraße an. Die Broschüre "1279 - 1979 · 700 Jahre Senftenberg" untertitelte eine damals relativ aktuelle Farbaufnahme des Hauses mit: Die aus Trümmern und Ruinen wiedererstandene Bahnhofstraße, modern und schön, legt Zeugnis ab von den großartigen Leistungen der Senftenberger Bauarbeiter und ihrer Bürger, die unter der Führung der Partei der Arbeiterklasse vollbracht wurden. ... und überspielt gekonnt den Fakt, daß es maßgeblich der Führung der Partei der Arbeiterklasse zu verdanken war, daß sich viele Häuser (nicht nur in der Bahnhofstraße!) ein Vierteljahrhundert nach dem 2. Weltkrieg immer noch in einem bemitleidenswerten Zustand befanden.

Während die großartigen Leistungen der Senftenberger Bürger hinsichtlich der Hausnummer 11 tatsächlich vorzeigbar waren (man rekonstruierte sogar den Außenstuck originalgetreu), machte man es sich bei der 11a ziemlich einfach, wie ich finde: Fenster und Türen wurden einfach zugemauert, die schönen Gaubenfenster geopfert, das Ganze glatt verputzt und mit einer Farbe, die an Entengrütze erinnert, angemalt.
Senftenberg
Aufnahme = 1976
Archiv der Stadt Senftenberg
Die gewöhnungsbedürftige grüne Fassadenfarbe kann man auf den beiden Schwarz-weiss-Fotos rechts und links natürlich nicht erkennen. Die massive "Simplifizierung" der Außenhülle ist jedoch unübersehbar.
Die Datierung des linken Fotos ist zur Abwechslung einmal sehr einfach. Dafür sorgt die unvermeidliche Propaganda in den Schaufenstern. Da wird sowohl auf die 1. Mai-Feierlichkeiten als auch auf den IX. Parteitag der SED (18.-22. Mai 1976) aufmerksam gemacht. Außerdem weist eine Tafel im rechten Schaufenster auf Sonderverkäufe innerhalb der Initiativschicht vom 17.5. - 21.5.76 hin.
Senftenberg
Aufnahme = 1976
Archiv der Stadt Senftenberg
Diese "Initiativschicht" wurde sicher zu Ehren des IX. Parteitags ausgerufen, der in diesem Zeitraum über die Bühne ging. Ich frage mich, was die Belegschaft des Schuhgeschäftes bei dieser Gelegenheit besonderes der Kundschaft offerierte. Oder hielt man den Laden einfach nur länger auf? Die nicht entzifferbaren Details auf der Werbetafel deuten zumindest an, daß diese Sonderverkäufe Montag, Mittwoch und Freitag, also an ganz normalen Werktagen, stattfanden.
Egal! Wir werden damit wenigstens in die Lage versetzt, das Foto ziemlich genau auf Mitte Mai 1976 zu datieren. Diesen Gefallen tut uns das rechte Foto nicht aber ich behaupte, daß wir uns im Sommer desselben Jahres befinden. Die wesentlichen Bildbestandteile weichen so gut wie nicht von dem linken Exemplar ab. Die Schaufenster weisen auf einen Sommermarkt hin. Da mir die Lokalpresse des Jahres 1976 nicht vorliegt, kann ich keine genaueren Angaben liefern. Juli? August? Jedenfalls die Zeit, in der erwachsene Männer kurze Lederhosen zu Anschlagsocke in Halbschuhen trugen.

Apropos "Initiativschicht"... eine solche ist möglicherweise von denjenigen einzulegen, die dem Wettbewerbsaufruf zur Erstellung einer Stadtchronik zur 750-Jahrfeier von der Stadt Senftenberg Folge leisten wollen. Falls das jetzt völlige Neuigkeiten für den einen oder anderen sind, könnte das daran liegen, daß die entsprechende Verlautbarung ausgesprochen konspirativ unter die Leute gebracht wurde. Man fragt sich automatisch, welchen Personenkreis man mit einer versteckten Information auf der Website der Stadt sowie der gleichlautenden Druckfassung im "Stadtboten", welcher mutmaßlich von den meisten Empfängern ungelesen in den Papiermüll entsorgt wird, erreichen will. Letzteres - das mit dem Papiermüll - habe ich mir übrigens nicht gerade ausgedacht, sondern ist mittlerweile eine Erkenntnis, die dazu führte, daß der papierne "Stadtbote" ab 2024 nicht mehr flächendeckend in die Briefkästen der Senftenberger gesteckt wird, sondern nur noch digital abrufbar ist bzw. an besonderen "Ausgabestellen" abgefasst werden kann.
Ich kann nur vermuten, wieso man geschlagene 3 Jahre nachdem die Stadtverordneten der Verwaltung die Erstellung einer Stadtchronik ins Muttiheft schrieben, nunmehr auf diesen Kniff mit dem Wettbewerb kam, dessen Ausrufen mit ziemlich geringen Reichweiten und einer kurzen Reaktionszeit einher geht. Und das, wo doch der rasende Reporter Torsten Richter-Zippack aus jedem Nichtereignis einen Beitrag für die Lausitzer Rundschau drechselt...
Meine Gedanken wandern da in eine bestimmte Richtung. Spätestens wenn der Sieger verkündet wird, werde ich sehen, ob ich damit richtig lag. Wenn ein solcher überhaupt ermittelt werden kann und die Information darüber nicht irgendeiner Geheimhaltungsstufe unterliegt.

Also bis zum 16. Februar ist nicht mehr viel Zeit und jeder, der sich berufen fühlt, sollte sich sputen und die geforderten Unterlagen einreichen. Welche das sind und welche Voraussetzungen man überdies mitbringen sollte, lässt sich über den obigen Link in Erfahrung bringen.
Falls jemand fragt, ob ich Ambitionen hege: Nein! Fehlende fachliche Eignung, fehlende Zeit und letztlich Zweifel an einem nennenswerten öffentlichen Interesse an einer derartigen Arbeit schlagen bei mir zu Buche. Alles in allem schlechte Voraussetzungen der gestellten Aufgabe zu begegnen. Zumindest wenn man es richtig machen möchte.
Vor 10 Jahren hätte ich dem Unterfangen noch eine gewisse Relevanz zugestanden. Aber heute? Und erst 2029?

Es ist ja auch nicht so, daß es über die ganzen Jahre nicht immer wieder versucht worden wäre. Aus vollmundigen Ankündigungen folgte jedoch - Berufungsurkunden und Ausweisen zum Trotz - regelmäßig: nichts!

Lausitzer Rundschau (13.11.1983)
Naja, lassen wir uns einmal überraschen. Und auch wenn es oben eher negativ von mir klingt, verschliesse ich mich grundsätzlich nicht, einen Teil zum Gelingen eines wie auch immer gearteten Projektes beizutragen. Im Rahmen meiner Möglich- und Fähigkeiten. Sollte ich überhaupt darum gebeten werden.