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16.02.2020
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Wenn der Lichterglanz der Weihnachtskerzen wieder vergessen ist, beginnt die Zeit der zahlreichen Wintervergnügen, die eine bunte Mannigfaltigkeit aufweisen. Aber auch in der Lausitz bekommen diese Vergnügen von Lichtmeß ab eine besondere Note.
Lichtmeß fällt auf den 2. Februar und ist eigentlich ein katholischer Feiertag. (Mariä Lichtmeß). An diesem Tage werden in den Katholischen Kirchen die Kerzen (Lichte) für das ganze Jahr geweiht. Aber auch der nichtkatholische Bauer legt Lichtmeß eine besondere Bedeutung bei. Das geht auch aus den zahlreichen Bauernregeln hervor, von denen hier nur zwei genannt sein sollen: "Lichtmeß hell und klar, bringt ein gut Frucht und Hirsejahr." Oder "Lichtmeß sieht der Bauer lieber den Wolf kommen, als die Sonne scheinen."
Für unsere ländliche Bevölkerung aber ist Lichtmeß das Zeichen zum Beginn der Fastnachtsfeiern. Der Begriff Fastnacht hat im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel erfahren. Die "Fastnacht" war ursprünglich die Nacht vor dem Aschermittwoch, die mit Gelagen und ausgelassener Fröhlichkeit gefeiert wurde; denn nun begann ja die Fastenzeit. Etwa gleichbedeutend mit der Bezeichnung "Fastnacht", ist "Fasching" oder "Karneval". Auch diese Begriffe haben einen Bedeutungswandel erfahren. So wurde z.B. früher in Oesterreich und Bayern der Karneval in der Zeit zwischen dem Drei-Königsfest und dem Aschermittwoch gefeiert. Jetzt beschränkt man sich dort, auch in Köln und andern Orten auf 3 bis 8 Tage vor Aschermittwoch. Während dieser Zeit belustigt man sich mit großen Umzügen und Maskeraden zu Ehren des Prinzen Karneval. Am Aschermittwoch begräbt man z.B. in ländlichen Bezirken in Bayern den nunmehr gestorbenen Karneval feierlichst, denn an diesem Tage beginnt die 40tägige Fastenzeit.

Wenn in den vorgenannten Gegenden der Fasching oder Fastnacht mit besonderem Mummenschanz und großem Aufwand begangen wird, so ist die "Fastnacht" in der Lausitz doch nur ein sehr schwacher Abglanz. Man beschränkt sich auch nicht auf die Tage vor Aschermittwoch, sondern, wenn Lichtmeß vorbei ist, beginnt man auf den Dörfern Fastnacht zu feiern. Die Dauer dieser Feier ist in der Lausitz sehr verschieden. Meist beschränkt man sich auf zwei Tage, wobei allerdings bemerkt werden muß, daß die Jugend und die verheirateten Männer gesondert "Fastnacht" feiern, d.h. es gibt "Jugend- und Männerfastnachten".

Senftenberg
Aufnahme <= 19??
Sammlung Familie Wernicke

Wir machen einmal solche Jugendfastnachten mit: Es ist Montag nachmittag. Plötzlich hört man im Dorfe einen kräftigen Spektakel. Und richtig, da kommen aus dem Gasthaus die merkwürdigsten Gestalten gesprungen. Die Dorfjugend gebärdet sich wie toll vor Freude, denn auch die noch die Schule besuchenden kommen dabei auf ihre Rechnung.

Da ist zunächst die unvermeidliche Ziehharmonika, die den Dorfbewohnern schon vornehmlich anzeigt, daß das "Zempern" beginnt. Da kommt der ungeheuer ulkige Clown, der mit dem Bärenführer allerlei Späße treibt und sich mitunter auch der Schuljugend erbarmt und sie durch drohende Gebärden zur tobenden Flucht veranlaßt. Auch der Schornsteinfeger fehlt nicht. Ein "sehr elegant gekleidetes Pärchen" erregt stürmische Heiterkeit. Ja dieser Aufzug ist nicht umsonst: Den Zug begleiten unmaskierte Burschen, die jedem, den sie besuchen, ein Gläschen Schnaps anbieten. Natürlich trinkt das ganze Dorf aus einem Schnapsglas.
Aber nicht umsonst ist man so freigebig. Die Burschen erhalten, meist unaufgefordert, Eier, Speck, Butter, auch Geld. So geht das Treiben von Haus zu Haus und wieder zum Gasthaus zurück. Abends wird von den Mädchen das "gezemperte" zu Eierkuchen und andren leckeren Speisen verarbeitet. Tanz beschließt den Tag. Die Männerfastnachten verlaufen in ähnlicher Weise.

Senftenberg
Photograph H.Enghusen,
Senftenberg N/L, Gartenstraße 10
Aufnahme = 1927
Sammlung Matthias Gleisner (Schenkung R.Pflüger)

In anderen Gegenden der Lausitz, z.B. der Niederlausitz, geht der Fastnachtsbetrieb eine ganze Woche. Montag "zempert" die Jugend. Abends gibt es Reis und Rindfleisch. Dazu wird jedes Jahr ein Fastnachtshaus bestimmt, in dem das Essen stattfindet. Dienstag gibt es Braten. Jedes Mädchen hat zwei Pfund Fleisch und eine bestimmte Buttermenge zu liefern.

Senftenberg
Photograph H.Enghusen,
Senftenberg N/L, Gartenstraße 10
Aufnahme = 1928
Sammlung Norbert Jurk

Abends ist Tanz. Mittwoch ist Ruhe. Donnerstag feiern die Männer Fastnachten. Freitag ist wieder Tanz der Jugend. Beschlossen wird die Fastnachtswoche durch den Tanz am Sonntag. Man sieht also, daß auch der Lausitzer versteht, Feste zu feiern. Es gehört doch schließlich allerhand dazu, eine Woche lang zu feiern. Es gibt auch Burschen, die es eine ganze Woche aushalten, im Fastnachtshause sich verpflegen zu lassen.
Ja, Fastnachten ist doch das "anstrengendste" Fest im Jahre. Aber man feiert es auch ausgiebig. Nicht etwa aus dem Grunde, daß man hinterher gar nicht mehr feiern will: Gott bewahre! Die Fastnachtsfeier ist wohl von den Katholiken übernommen, aber nicht die Fastenzeit. Kein Aschermittwoch bietet ihm Halt. Wenn Fastnacht vorbei ist, nun, dann feiert man eben etwas andres. Und da ist man ja nie verlegen.

Senftenberger Anzeiger (1928)
Senftenberg
Aufnahme = 1928
Sammlung Matthias Gleisner (Schenkung R.Pflüger)
Ich lasse obigen Text einmal unkommentiert so stehen. Jeder kann selbst für sich überlegen, was von dem darin beschriebenen gut 90 Jahre später noch übrig ist. Mir geht es vielmehr darum, die 4 Fotos, die ich zur Untermalung des kleinen Aufsatzes verwende, so gut es geht zu beleuchten. Es dürfte klar erkenntlich sein, daß die ausgewählten Motive thematisch sehr schön passen.
Die örtliche oder zeitliche Bestimmung indes ist leider nicht ganz so klar. Das erste Foto lässt sich zwar zeitlich nur vage einordnen (ich vermute Ende der 1920er), dafür ist die Ortsbestimmung kein Problem. Steht ja alles da... Gasthaus zur Hoffnung und August Nusa. Alles klar. Sedlitz!
Bei Bild Nr. 2 muß ich hingegen dem handschriflichen Vermerk auf der Rückseite vertrauen. Zum Andenken an die Fastnacht 1927 Hörlitz Dorf kann man auf dem Stück lesen. Da das 1927 auch durch den bildseitigen Vermerk Jugend Fastnachten 1927, den ich jedoch digital entfernt habe, gestützt wird, bin ich guter Hoffnung, daß auch das Hörlitz Dorf stimmt. Zumindest aufgrund des Fotografen-Stempels kann man davon ausgehen, daß die Aufnahme wohl doch irgendwo hier in der Gegend entstand.
Den selben Fotografen-Stempel finden wir auch auf der Rückseite des dritten Fotos. Die Zeitbestimmung fällt sehr leicht, ist sie doch Bestandteil des Motivs. Allein wo die Aufnahme gemacht wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich kenne eigentlich nur eine Kneipe in der hiesigen Umgebung, die einen solchen Aufgang hatte. Aber Repa in Buchwalde ist es nicht. Vielleicht hat ja einer der Leser eine Idee. Es kann natürlich auch sein, daß wir gar nicht den Haupteingang einer Wirtschaft sondern deren rückwärtige Ansicht sehen. Letztlich ist es wieder der Fotografen-Stempel, der einen Senftenberg-Bezug nahe legt.
Das vierte und letzte Motiv für heute ist dagegen etwas einfacher. Der rückseitige Vermerk Hörlitz-Flur bei einer Fastnacht. Gaststätte Zahn 1928. weist in die richtige Richtung. Abgesehen davon, daß 1928 das Lokal schon lange nicht mehr von Oskar Zahn, sondern von einem gewissen Erich Weber betrieben wurde, kennen wir eine Saalansicht besagter Wirtschaft aus späteren Jahren, als das Ganze schon unter "Forsthaus Hörlitz" lief. Und darauf erkennt man dieselbe Wandbemalung rechts der Bühne, wie wir sie auf unserem heutigen Foto sehen. Es ist denkbar, daß die Aufnahme an jenem 5. Februar 1928 entstand, der in dem darüber abgebildeten Zeitungsinserat genannt wird.

Fazit: Derartige Aufnahmen sind in der Regel so ein Fall für sich und zumeist mit einer gehörigen Portion Vorsicht zu geniessen. Angaben, die entweder handschriftlich oder gar nur mündlich dazu gemacht werden, sind generell zu hinterfragen...
Ein Beispiel hierfür findet sich in unserem Heimatkalender "Kippensand". In dessen erster Ausgabe (2013) wurde den Lesern nachfolgendes Gruppenfoto als Junggesellenabschied 1920 im Hof der Hubertusklause "verkauft". Ich wies im Januar 2016 hier darauf hin, daß es sich dabei örtlich, wahrscheinlich auch zeitlich, aber besonders auch vom Anlaß her, um eine falsche Zuordnung handelt. Erstaunt musste ich zur Kenntnis nehmen, daß dieselbe Aufnahme in der neuesten Ausgabe des "Kippensand" wiederverwendet wurde. Mit einer ähnlichen, aber immer noch komplett falschen Bildunterschrift...
Man fragt sich, wofür ich das alles hier eigentlich mache...

Senftenberg

Eigentlich gehört auch nicht viel dazu, zu erkennen, daß es sich bei besagter Personengruppe um eine Zampergesellschaft handelt (Junggesellenabschied mit Kleinkindern???, "Insignien" der Zamperer wie Eierkorb und zweizinkige Heugabel für Wurst und Speck), die sich außerdem im Hof des Passage-Kinos und nicht im Hinterhof der Hubertusklause ablichten ließ.
Naja, was soll's?