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08.06.2025
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Bevor ich zum Hauptthema der Woche komme, welches ich dann auch noch auf zwei Wochen strecken werde, starte ich mit einer Sache aus der Rubrik "Da staunt der Fachmann. Und der Laie wundert sich".

Nach knapp 15 Jahren Beschäftigung mit der Materie - also dem Sammeln historischer Ansichtskarten aus Senftenberg - bin ich immer noch nicht vor Überraschungen gefeit. Diese bewegen sich mittlerweile nicht mehr so stark auf dem Feld der kommerziellen Ansichtskarten bis 1945 sondern tendieren eher in Richtung Fotos/Fotpostkarten. Prinzipiell werde ich aber in sämtlichen Sparten, seien es bildliche Hinterlassenschafen, Filme oder auch Begleitmaterial glücklicherweise regelmäßig vor Neuentdeckungen gestellt. Und das ist auch gut so denn ansonsten hätte ich schon längst die Geige eingepackt und www.gruss-aus-senftenberg.de in den Schlafmodus versetzt.
Eine Kategorie von der ich dachte schon alles gesehen zu haben - zumindest aber ganz genau zu wissen, was mir noch in Originalform fehlt - sind die kommerziellen Ansichtskarten aus DDR-Zeiten. Verglichen mit dem Produktionszeitraum bis 1945 haben wir es für Senftenberg mit nicht allzuvielen Produktionen zu tun. Auf dem gebiet tummelten sich nur wenige staatlich zugelassene Verlage, die in ihrem Portfolio auch noch den ganzen Rest der Republik bespielen mussten. Das zahlenmäßig begrenzte Angebot und die größtenteils sehr hohe Verbreitung der einzelnen Senftenberg-Motive machten die lückenlose Archivierung zu einem ziemlichen Selbstläufer. Mit Ausnahmen! An manches war erst nach längerer Zeit heranzukommen und einiges fehlt noch bis zum heutigen Tag. Was die Fehlstellen betrifft, habe ich manches schon irgendwo einmal in minderer Qualität gesehen und anderes erschliesst sich aus Mehrbildkarten bei denen man davon ausgehen kann, daß jedes Motiv darauf auch in einer Vollbildvariante verlegt wurde.

Bis vor ein paar Wochen war ich mir absolut sicher, daß mir über den Senftenberg-bezogenen Ausstoß des Berliner Verlags H. Sander KG keiner mehr etwas erzählen kann. Der Verlag brachte sowohl Mehrbild- wie auch Einzelbildkarten heraus. Siehe hier! Aus den Mehrbildkarten lassen sich die noch fehlenden Einzelmotive vermuten (sicher kann man ja nie sein!) und der Rest des Verlagsprogrammes weist keine Lücken in den Seriennummern auf. Aufgrund letzterem ging ich fest davon aus, daß da nichts mehr sein könnte. Pustekuchen! Unlängst tauchte dann dieses Stück auf, das mit seiner Seriennummer T 313 den Kanon nach unten ausweitete:

Senftenberg
GRAPHOKOPIE H.SANDER K.G.
Berlin N 113
Echte Photographie
B 8/64
Best.-Nr. T 313
Aufnahme = 1963
Sammlung Matthias Gleisner
Mit dieser Ansicht verfügen wir nunmehr über insgesamt vier Motive der H. Sander KG, die die Senftenberger Tierpark-Bären zeigen:

Senftenberg Senftenberg Senftenberg

Zugegeben: das neue Motiv ist jetzt nicht der Knaller, "wissenschaftlich" betrachtet auch nicht weiter erhellend aber als Sammler spielt das subjektive Schönheitsempfinden oder die historische Relevanz irgendwann keine so große Rolle mehr. Man möchte nur noch jedes erschienene Stück besitzen oder wenigstens Kenntnis davon haben. Und das trifft für den vorliegenden Fall zu.
Können wir nun mutmaßen, daß es vielleicht auch noch eine T 312 und T 311 aus Senftenberg gab? Ich würde es seit heute nicht gänzlich ausschliessen. Man müsste mal einen Sammler fragen, der sich auf die Sander KG spezialisiert hat und möglicherweise über ein Gesamtverzeichnis des Verlages verfügt. Ich glaube nicht, daß es eine solche Person gibt.

Doch genug damit denn ich hatte ja oben angekündigt, eigentlich ein anderes Thema beackern zu wollen. Und dabei handelt es sich um die Senftenberger Enge Bahnhofstraße und ich kriege sogar ganz locker die Kurve von den Senftenberger Bären zu diesem Teil der Bahnhofstraße hin.
So weit ich mich zurück erinnern kann, nahm und nehme ich diesen nur 100 Meter langen Abschnitt eigentlich nicht so wirklich als Teil der Bahnhofstraße wahr. Vermutlich geht das auch anderen so. Während bis mindestens in die 1970er Jahre eine echte Anbindung an die eigentliche Bahnhofstraße existierte und somit selbst motorisierter Durchgangsverkehr möglich war, ist dieser Abschnitt seit vielen Jahren (seit wann eigentlich?) hauptsächlich den Fußgängern vorbehalten.
Und das sah in den 60ern bis in die frühen 70er dann so aus wie auf dem Foto rechts. Die Ruine der in den letzten Kriegstagen zerstörten Häuser Bahnhofstraße 8 ("Kuhnt") und 10 ("Koch") war zwischenzeitlich geschliffen worden und hatte einer Freifläche Platz gemacht.

Und damit (und jetzt kommt die "Kurve" ) erblickte der Senftenberger stadteinwärts ein großes "Wandgemälde", das, wie man erkennen kann, Werbung für den Tierpark der Stadt machte und dabei auf die allseits beliebten Bären abstellte.
Wann genau die Aufnahme entstand ist etwas unscharf. Ich denke, ich liege mit ca. 1972 ziemlich gut im Rennen, denn zum Ende jenen Jahres, so verlautbart die "Chronik des PFA Senftenberg" wurde der Zeitungskiosk, der sich bis dahin direkt an der "Kaufhauskreuzung" befand, hierhin umgesetzt. Besagtes Verkaufshäuschen musste der Neugestaltung der Kreuzung weichen, da an dieser Stelle die Einbindung der Westpromenade wesentlich großzügiger ausfiel als bisher.

Senftenberg
Aufnahme <= 1973
Archiv der Stadt Senftenberg
Sprung in das Jahr 1977 und in eine etwas abweichende Perspektive. Mittlerweile steht besagter Zeitungskiosk an seinem Bestimmungsort. Die Freifläche wurde durch ein paar Sitzbänke und zwei Fahnenmaste (!) aufgewertet. Der Tierpark-Affe hatte den Kopf verloren und die Durchfahrt in Richtung Marktplatz war via Verkehrsschild untersagt worden. Augrund der Wuchshöhe der Bäume vor der Hauswand ist das 1972 (minus 5 Jahre) für die Fotografie darüber noch halbwegs plausibel.
Hinsichtlich Zeitungskiosk meine ich mich zu erinnern, daß dieser später um 90 Grad gedreht wurde, so daß die Luke, durch die die freundliche PZV-Mitarbeiterin die "Sowjetfrau" reichte, in Richtung Straße zeigte.

Was den Bereich insgesamt angeht, so plante man diesen - neben anderen Innenstadtlokationen - Mitte der 1980er Jahre umzugestalten. Hierfür wurde ein Architekturwettbewerb "Innenstadt Senftenberg" ausgeschrieben. In den dazu eingereichten Entwürfen findet man die nachfolgende Detailzeichnung. Die Reproduktion ist qualitativ leider sehr schlecht, vermittelt aber doch einen kleinen Eindruck davon woran Senftenberg noch einmal vorbeigeschrammt ist...

Senftenberg
Aufnahme = 1977
Sammlung Uwe Jähnert
Demnach stellte sich der Einreicher des Entwurfes, der Senftenberger Architekt Wolfgang Joswig, eine Überdachung dieses Bereiches vor. Vielleicht um den Beteiligten der "sozialistischen Wartegemeinschaften" das Schlangestehen vor den dort befindlichen Geschäften auch bei Wind und Wetter so angenehm wie möglich zu gestalten?

Aus sämtlichen Ideen des genannten Architekturwettbewerbs (u.a. neues Rathaus) wurde letztlich nichts. Zu dem Zeitpunkt standen in der DDR weder die Mittel noch die Kapazitäten zur Verfügung, die ambitionierten Träume einer Provinzstadt in die Tat umzusetzen.

Was Geschäfte in dem Bereich der engen Bahnhofstraße betrifft, ist das ja mittlerweile ein echtes Trauerspiel. Dies gilt aber für die gesamte Bahnhofstraße. Derzeit versucht man krampfhaft und unter Zuhilfenahme von Steuergeldern so etwas wie Leben und Geschäftigkeit an dieser Stelle zu simulieren. Noch bis August 2025 fließen monatlich 2050 Euro Zuschuss aus der Senftenberger Stadtkasse in die Anmietung von 3 Ladengeschäften in der Innenstadt. "Damit ist es gelungen, drei leeren Schaufenstern wieder Leben einzuhauchen und das Innenstadt-Bild nachhaltig zu beleben." "Nachhaltig", so so. Von den drei angemieteten Objekten befinden sich zwei im Bereich der engen Bahnhofstraße: die Hausnummern 1 und 5. Den dritten Laden habe ich gerade nicht auf dem Schirm.
Falls die Zuschüsse ab September dann vielleicht versiegen, werden wir erleben, wie nachhaltig die ganze Aktion wirklich war.

Wie oben angekündigt, werde ich mich in der folgenden Woche nochmals in der engen Bahnhofstraße aufhalten. Dann jedoch mit älteren Aufnahmen aus diesem Areal. Um aber den Kreis zu schließen und weil ich eigentlich keine Idee habe, wo ich das Stück anderweitig irgendwie einbauen könnte, hier noch eine Produktion aus bereits erwähnter Kategorie Da staunt der Fachmann.

Auf den ersten und zweiten Blick nichts weltbewegendes meint man. Die Besonderheit liegt bei dieser Variante in der Größe. Denn es handelt sich um eine Maxi-Postkarte im Format 21 x 14 cm. Diese Dinger kamen offensichtlich Anfang der 1970er groß in Mode und für Senftenberg konnte ich bis dato 7 Stück nachweisen. Heute kommt die 8. Produktion hinzu. Postalisch in Umlauf gebracht werden durfte dieses Format nur in einem Briefumschlag der in dem EVP von 55 DDR-Pfennigen inkludiert war.

Eigentlich traurig, daß man bei dieser Produktion aus dem Jahr 1972 auf 15 Jahre alte Teilmotive zurückgriff. Sehr wahrscheinlich wurde die Vorlage, die für die weit verbreitete A6-Variante verwendet wurde, einfach nur "aufgeblasen". Mir war die Maxi-Variante bis vor einiger Zeit völlig unbekannt.

Senftenberg
VEB BILD UND HEIMAT REICHENBACH i.V.
Foto: Bild und Heimat (Kühn)
V 11 50 A 1/B 120/72
01 06 11 001
Aufnahme <=1958
Sammlung Detlef Krumm
Senftenberg