Hundetürkei - ein Erklärungsversuch |
von Harald Gleisner |
Im 18. Jahrhundert gab es eine ernstzunehmende Warnung – oder war es doch nur einschüchternde Schwarzmalerei ?
Nämlich: falls man eine Reise von Berlin über Leipzig nach Dresden und von dort durch die "Hundetürkei", wie man die wendischen Marken nannte,
nach Berlin retour unternehmen müsste, hätte man damit zu rechnen, dass man als Ortsunkundiger auf Fragen nach dem Weg von den Einheimischen
zu hören bekäme: "Wer unser Revier betritt, ist vorläufig unser Gast oder, im Notfall, falls er sich nicht erkenntlich zeigt, unser Gefangener."
Daher bezeichnete man damals mit dem verächtlichen Ausdruck "Hundetürkei" jene Gebiete, die fernab von großen Städten lagen und unbedeutend waren –
elende, ärmliche und erbärmliche Gegenden der sogenannten "Streusandbüchse des heiligen römischen Reiches".
So wie sich die damalige Volksanschauung einerseits über auffallend begünstigte Landstriche mit den Begriffen "Himmelreich", "Paradies" oder "Hegewald"
(gepflegter Forst) und "Feteracken" (fetter Acker) sehr beifällig aussprach, war man andererseits auch mit tadelnden Ausdrücken schnell bei der Hand,
wenn in der betroffenen Gegend besondere Unannehmlichkeiten vorlagen.
Vor allem die in den fruchtbareren Gegenden Wohnenden bezeichneten diese dann äußerst abwertend als "Kartoffelsteppe" oder "Walachei", später auch
"Pampa" und "Klein Sibirien", bis hin zum vulgären "Arsch der Welt".
In der Wortschöpfung "Hundetürkei", die für die Umschreibung eines Großteils der Lausitz verwandt wurde, kamen damals zwei Dinge zusammen: die TÜRKEI, das teils schreckenerregende, verachtete und elende, teils unbekannte, geheimnisvolle Land und als verschärfender Zusatz der HUND, was aber keineswegs heißen soll, dass in dieser Gegend die Wagen mangels Pferde und Ochsen von Hunden gezogen wurden. Der HUND muss in vielen zusammengesetzten Wörtern immer für das überaus Schlechte und Verachtungswürdige herhalten. Man denke nur an solche Begriffe wie Hundesohn, Hundsfott, Hundearbeit –hundsmiserabel oder sogar hundsgemein. In der Türkei sind nämlich herumstreunende Straßenhunde meist von ihren Besitzern verstoßene, weil minderwertig-unreine Lebewesen, und somit wild lebende Tiere, jedem Wetter ausgesetzt, hungernd, sich von Aas und allem Unrat ernährend, von der Räude angesteckt und demzufolge von widrigem Aussehen. Da sie sich unausgesetzt große "Schlachten" liefern, sind sie vielfach zerbissen und mitunter schrecklich verstümmelt. Somit bleibt am Begriff "Hundetürkei" kaum etwas Positives übrig. Verwunderlich ist nun, dass die Lausitzer "Hundetürkei" eigentlich für ein "Hundeparadies" stand, weil... ...es in den weit verstreuten, einsam gelegenen, in der Mehrzahl wendischen Dörfern der Lausitz jeden Abend und jede Nacht ganz unentgeltlich ein ausgezeichnetes "Konzert" der Hofhunde mit längeren oder kürzeren Pausen gab. Jede Bewegung auf der Dorfstraße, jeder vorbeiziehende Nachtwanderer wurde mit fürchterlichem Gebell und Geheul begleitet, wobei sich die Kläffer gegenseitig ermunterten und anfeuerten, um die anderen durch ihr Blaffen zu überbieten. Es war mitunter ein Mordspektakel, von dem die dort lebenden Bauern aber kaum noch Notiz nahmen. Somit hatten die Hunde hier die gleichen Freiheiten wie in der Türkei: sie konnten tun und lassen, was sie wollten, obwohl sie natürlich unfrei an der Kette lagen. Schon möglich, dass die stets laut kläffenden Hofhunde und darüber hinaus die bei schlechter Jahreszeit im schweren Boden unbefahrbaren Wege und Straßen der doppelten Schimpfbezeichnung einen besonders kräftigen Ausdruck verliehen. In den zivilisierten Städten sah das Los der Hunde ganz anders aus: Erlaubte sich dort einmal ein Hund durch sein Nachtkonzert im Freien die Nachbarn in ihrem wohlverdienten Schlaf zu stören, wurde auf der Stelle die Polizei gerufen, um den Besitzer des Ruhestörers abzustrafen. Was nun unseren Postkartenschreiber bewog, das Städtchen Senftenberg als „Hundetürkei“ zu betiteln, erscheint mir im Nachhinein nun doch etwas rätselhaft. Anfang des 18. Jahrhunderts gab es im einzigen ländlichen Ortsteil Jüttendorf nur 10 und in der Vorstadt Buchwalda 14 Anspänner, deren Hofhunde wohl kaum ins Gewicht fielen. Besagte Postkarte wurde allerdings 1901 an die Hallenser Kegelbrüder abgeschickt – zu einer Zeit, als die Senftenberger Region sich zu einem aufstrebenden Bergbaurevier entwickelte. Die Landwirtschaft war rückläufig und damit schwand auch die Zahl der wachsamen, nur ab & an jaulenden Hofhunde, die den Begriff "Hundetürkei" geprägt hatten. |
04.10.2011 |
Die beiden Motive AK_SFB 003_1 und AK_SFB 003_2 konnten sicher um 2 Jahre vordatiert werden.
Bislang wurde angenommen, dass das Jahr der Aufnahme <= 1908 wäre. Ein aktuelles ebay-Angebot
zeigt jedoch, dass dieses Motiv bereits 1906 im Umlauf war. |
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Gruss aus der lausigen HundetürkeiFalls sich der geneigte Betrachter fragt, warum auf der Startseite dieser Homepage gerade diese Postkarte abgebildet ist, und nicht etwa eines der anderen und teilweise schöneren Motive, findet hier die Antwort. Alles ist einem Zufall geschuldet, der dazu führte, dass dieses Projekt den internen Namen "Hundetürkei" trägt und das für eine kurze Zeit auch diese Internetpräsentation unter diesem Namen lief. Betrachtet man die Bildseite der genannten Postkarte findet man dort unter anderem den Schriftzug"... aus der sendet euch Gut Holz! ... " Kaum jemand wird ernsthaft annehmen, dass sich hinter dem Wort "Hundetürkei" irgendeine Liebeserklärung verbirgt - schon gar nicht im Zusammenhang mit "lausig". In der Tat ist dieser Begriff relativ unbekannt. Sucht man im Internet danach, wird man nur wenige Einträge finden, in denen er verwendet wird. Erstmals hörte ich den Begriff "Hundetürkei", als vor einigen Jahren einer meiner Kollegen anfing, ihn immer dann zu benutzen, wenn er ausdrücken wollte, wie Menschen aus anderen, vornehmlich westlichen Teilen Deutschlands über die Lausitz denken. Keine Ahnung woher er den Begriff kannte. Im Kollegenkreis wurde er bald darauf zum geflügelten Wort, welches seitdem immer dann bemüht wird, wenn Regionen oder Landstriche mit wirtschaftlichen, kulturellen oder landschaftlichen Defiziten mit einem einzigen Wort umschrieben werden sollen: es ist halt "die reinste Hundetürkei!", in der man weder gern zu Besuch sein, geschweige denn leben möchte. Selbiges dachte sich offensichtlich auch ein Besucher Senftenbergs, als er im April 1901 kurz vor der Weiterreise nach Dresden den Vereinskameraden seines Kegelclubs "Fidelitas" (lat. Heiterkeit) in Halle/Saale einen Kartengruß schickte und dabei besagte "lausige Hundetürkei" erwähnte... Offensichtlich hatte es dem fidelen Kegelbruder bei uns nicht besonders gut gefallen. |
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Ob Halle (Saale) damals um so vieles schöner war, lässt sich im Nachhinein nur
vermuten. Zumindest machte das Vereinsheim des Kegelclubs, der "Pfälzer Schießgraben",
einen durchaus passablen Eindruck. Als ich unlängst auf diese Postkarte stieß, hatte ich dann mein Deja Vu und seitdem lautet der interne Name halt "Hundetürkei". Da möglicherweise nicht jeder Besucher der Website diese Art von Humor versteht und schlimmstenfalls pikiert darüber ist, wurde jedoch schnell aus dem vormaligen "Gruss aus der lausigen Hundetürkei" das doch weitaus unverfänglichere "Gruss aus Senftenberg" und so soll es auch bleiben! |
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02.10.2011 |
Das Password-Problem für die grossformatigen und qualitativ hochwertigen Bilder ist geklärt. Die entsprechenden Dateien wurden
hochgeladen und können nun durch berechtigte Nutzer abgerufen werden. | ||
30.09.2011 | Zwei neue Postkarten (AK_SFB 086_1 und AK_SFB 097_1) wurden dem Archiv "Senftenberg" hinzugefügt. Beide Karten lassen sich derzeit nicht genau datieren. Nach den vielen Motiven aus dem Stadtpark der letzten Tage, endlich mal wieder ein "nicht Park" - Motiv ;-) | ||
29.09.2011 | Eine neue Postkarte (AK_SFB 077_1) wurde dem Archiv "Senftenberg" hinzugefügt. | ||
28.09.2011 |
Eine neue Postkarte (AK_SFB 137_3) wurde dem Archiv "Senftenberg" hinzugefügt.
Bei dem Motiv handelt es sich höchstwahrscheinlich um die
"Urform", die für weitere Varianten wie zum Beispiel... oder die Basis bildet. Das Motiv konnte bereits sicher auf 1917 oder früher datiert werden. Die Karte, die 1927 gelaufen ist, ist ein Beispiel dafür, dass man sich zu Datierungszwecken nicht ausschliesslich auf den Poststempel verlassen darf, sondern Vergleichsobjekte zu Rate ziehen sollte. |
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27.09.2011 |
beide Archive sind online Zugriff auf "große" Bilder aufgrund fehlendem Passwort-Schutz offen | ||
24.09.2011 |
Beginn der Arbeiten an der Homepage Archiv ist noch nicht online |
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