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Themenwechsel! Von Braunhemden zu Braunkohle
Die Klammer um die drei heute vorzustellenden Ansichtskarten ist die erstaunliche Entwicklungsgeschichte der heimischen Braunkohle bzw. die Dinge, die den Prozess der Kohlewerdung teilweise veranschaulichen. Gemeint sind die fossilen planzlichen Überreste, die man teilweise auch heute noch im Tagebau finden kann. Die Postkartenhersteller der Jahrhundertwende fanden diese offensichtlich so bemerkenswert, dass sie eine ganze Reihe unterschiedlicher Motive dieser Art auflegten.
Senftenberg
Kupfertiefdruck der Fremdenblatt-Druckerei, Hamburg
Aufnahme <= 1913
Sammlung Erika Fischer
Das links abgebildete Motiv kann auf <= 1913 gedeckelt werden. Die Aufnahme tauchte neben einer ganzen Reihe weiterer Abbildungen dieser Art in der Chronik zum 25-jährigen Bestehen der Ilse-Bergbau AG auf. Dies erfolgte zur Illustration eines ganzen Kapitels, verfasst vom Geh. Bergrat Prof. Dr. Keilhack. Der mit Die geologischen Verhältnisse des Niederlausitzer Braunkohlengebietes mit besonderer Berücksichtigung der Felder der Ilse Bergbau-Actiengesellschaft in Grube Ilse betitelte Beitrag, schildert auf 45 Seiten die Bedingungen und Vorgänge, die dazu führten, dass unsere Heimatregion mit diesem unvorstellbar riesigen Vorrat Braunkohle ausgestattet wurde.
Keine Angst, ich habe nicht vor, diese wissenschaftlichen Abhandlung zu zitieren, sondern verwende stattdessen einen etwas populärwissenschaftlicheren Text. Doch dazu später.
Die beiden restlichen Motive entstammen ohne Zweifel einer Serie von Aufnahmen. Sie wurden an der selben Stelle zeitgleich, nur mit leicht unterschiedlichem Winkel aufgenommen. Die anwesenden Personen wurden dazu etwas umpositioniert aber der Rest stimmt überein. Die linke Bildvariante kennen wir schon von dieser "verrückten" Karte mit dem Stück Sumpfzypresse.
Senftenberg
Photogr. H.Meyer, Senftenberg. -
Verlag C.G.Grubann, Senftenberg. -
Ungesetzliche Nachbildung nicht gestattet.
Aufnahme <= 1901
Sammlung Fred Förster
Senftenberg
Senftenberg
Verlag: Alfred Kratze, Chemnitz
1909
Aufnahme <= 1901
Sammlung Norbert Jurk

Die rechte Abbildung indes schaffte es 1906 in einer modifizierten Version in Ferdinand Hirts Lesebuch für Brandenburg für mehrklassige evangelische Schulen. Besagtes Werk vereinigt eine ganze Reihe von Texten und Gedichten zur Verwendung im Unterricht des 6. - 8. Schuljahrs. Den Text, der durch die Abbildung illustriert wurde, möchte ich nachfolgend in Gänze wiedergeben, da er hervorragend zu den heutigen Motiven passt, was nicht zuletzt durch die erwähnte Verwendung einer der Abbildungen belegt wird.

In den Senftenberger Braunkohlenbergwerken.

  1. Die Mark Brandenburg wurde ehemals des heiligen römischen Reiches Erzstreusandbüchse genannt. Diesen Namen verdient sie aber durchaus nicht. Sie ist nicht nur an Naturschönheiten reich, sondern birgt im Schoße ihres geschmähten Sandes auch Schätze, deren Hebung zahlreichen Bewohnern den Lebensunterhalt verschafft. Der Süden der Provinz ist reich an Kohlenlagern, die sich in einem Umfange von ungefähr 100 Quadratkilometern um die Stadt Senftenberg ausdehnen. In wenigen Stunden führt uns das Dampfroß von der Hauptstadt über Lübbenau und Calau nach Groß-Räschen. Nach kurzer Wanderung gelangen wir an den Rand des großen Braunkohlenfeldes, und bald tauchen die hohen Fabrikschlote des Braunkohlenbergwerks "Viktoria" vor uns auf. Wir sind am Ziele.
  2. Nachdem wir die Erlaubnis zum Eintritt in die Grube erhalten haben, folgen wir dem Schienenwege, der von der Brikettfabrik dorthin führt, und stehen bald am Rande eines gewaltigen Kessels, dessen Wände aus dunkler Braunkohle bestehen. Die über der Kohle lagernden Kies-, Sand- und Tonmassen werden durch Trockenbagger oder durch Handbetrieb abgeräumt. Lange Züge von Wagen, die mit diesem "Abraum" beladen sind, bewegen sich unausgesetzt am gegenüberliegenden oberen Rande der Grube. Ihr Inhalt wird zum Ausfüllen der bereits abgebauten Teile des Kohlenlagers verwendet. Aus dem guten Ton, der an manchen Stellen über der Kohle lagert, werden in gewaltigen Ringöfen Klinker und Verblendsteine gebrannt. Allein die Ziegeleien der Braunkohlenwerke "Viktoria" liefern davon jährlich etwa 12 Millionen Stück.
In der Tiefe sehen wir einige Dutzend Arbeiter, die in dem weiten Raume fast verschwinden, mit dem Abbau beschäftigt. Der Bergmann arbeitet hier nicht im dunklen Schoß der Erde beim trüben Licht der Grubenlampe, sondern die Kohle wird von obenher im "Tagbau" gewonnen. Nur wo der Abraum eine Mächtigkeit von mehr als 15 Meter hat, wird die Kohle durch "Tiefbau" gewonnen, da sich die Kosten der Entfernung des Abraums hier zu hoch stellen würden.
  3. Auf steiler Treppe steigen wir auf den Boden der Grube hinab, der von einem Schienennetz durchkreuzt wird. Unsre Aufmerksamkeit wird vor allem durch eine Anzahl braunkohlenähnlicher, aber heller gefärbter Stümpfe von gleicher, etwa ein Meter betragender Höhe gefesselt. Wir sehen hier die Reste gewaltiger Baumriesen so gut erhalten, daß man noch den Verlauf der Holzfasern erkennen und die Jahresringe zählen kann. Die Stümpfe haben einen Durchmesser von 2 bis 3 Meter, und auf dem dicksten derselben können 20 Personen nebeneinander stehen. Andre, leider schon verschüttete Stämme sollen noch stärker gewesen sein. Die Stämme sind sämtlich an Ort und Stelle gewachsen. Dafür spricht nicht nur die aufrechte Stellung der Stümpfe und der Verlauf ihrer Wurzeln im Tonboden, der das "Liegende" des Kohlenlagers bildet, sondern auch der Abstand der ehemaligen Stämme voneinander. Er entspricht dem Raume, den sich Urwaldbäume im Kampf ums Dasein noch heute zu schaffen pflegen. Dieselbe Art der Bäume, die hier vor Jahrtausenden durch ihren Untergang die Kohle bilden halfen, grünt noch heute im südlichen Nordamerika.
 Treten wir aus der Mitte der Grube näher an die senkrecht aufsteigende Wand des 15 bis 30 Meter mächtigen Kohlenlagers, so erblicken wir sowohl auf der Oberfläche wie inmitten des Flözes dasselbe Bild: aufrechte, noch bewurzelte Baumstümpfe nebst den dazugehörigen angebrochenen Stämmen, von denen die Hacke des Bergmanns oft lange, deutlich erkennbare Holzscheite losgerissen hat. Die Kohle ist also aus Pflanzen entstanden, die an Ort und Stelle gewachsen sind. Die Ansicht, daß zu ihrer Bildung ungeheure Anhäufungen zusammengeschwemmten Holzes gedient haben, ist nicht richtig. Es handelt sich vielmehr um ein mächtiges Waldmoor, das sich hier einst befunden haben muß.
  4. Vor vielen tausend Jahren zog sich das Meer, das bis dahin den Boden Norddeutschlands bedeckt hatte, allmählich nordwärts in seine gegenwärtigen Grenzen zurück. Hier und da blieben jedoch in Vertiefungen des Bodens seichte Buchten und abflußlose Wasserbecken zurück, die allmählich versumpften und durch Pflanzen aus den umliegenden Landstrichen besiedelt wurden. So entstanden allmählich riesige Sumpfwaldungen. Über einem üppigen Untergrunde, durch die feuchtwarme Luft des damaligen Klimas in ihrem Wachstum mächtig gefördert, breiteten Nadelhölzer, insbesondere Sumpfzypressen, stolz ihre umfangreichen Kronen aus. Sie waren wie unsre Lärchen nicht immergrün und bedeckten alljährlich einmal die Oberfläche des Sumpfes mit den absterbenden Nadeln und Zweigen. Mit diesen vermoderten Teile von Laubhölzern und kleineren Pflanzen und bildeten die Hauptmasse der späteren Braunkohle. Jahrtausende hindurch ragten die Nadelbäume, noch von keinem Menschenauge bewundert, als die Fürsten des Waldes in ungestörtem Frieden über das vergänglichere Volk der niederen Gewächse empor. Endlich aber erlosch auch die Lebenskraft dieser Riesen, besonders wohl, weil sich das Klima änderte. Von dem zusammenstürzenden Baumgreisen blieben nur die von Wasser umgebenen, vor Verwesung geschützten Stümpfe erhalten, während die Stämme schnell vermoderten, sofern sie nicht ebenfalls durch Windbruch u. dgl. ins Wasser geraten waren. Wagerecht liegende Baumreste in allen Schichten des Kohlenlagers, Stammstücke bis zu einer Länge von mehr als 20 Meter, geben Kunde von den gestürzten Teilen jener Baumriesen. Wie in jedem Urwalde, so erstanden auch hier auf den Resten der abgestorbenen Pflanzenwelt immer neue Geschlechter von Bäumen, die, gleich jenen absterbend und im Sumpfe versinkend, durch einen unter Luftabschluß im Moore ungestört verlaufenden Verkohlungsprozeß im Laufe vieler Jahrtausende das Material der jetzt vorhandenen Kohlenlager bildeten.
  5. Die im Senftenberger Revier geförderte Kohle läßt sich wegen ihres hohen Wassergehalts, der etwa 50 Prozent beträgt, nicht ohne weiteres verfeuern.
Sie wird deshalb in Fabriken, die mit den einzelnen Gruben durch Schienenstränge verbunden sind, zu Briketts verarbeitet. Die Förderwagen schaffen das Material zunächst in die Sortierhäuser, wo es zerkleinert, gesiebt und von den nicht verkohlten Holzresten befreit wird. Während die letzteren zur Kesselfeuerung benutzt werden, wandert die in 1 bis 1½ Kubikzentimeter große Stücke zerkleinerte Kohle in die oberhalb des Trockenraums liegenden Kohlenböden. Von hier gelangt sie in ununterbrochenem Zuge auf die Trockenöfen, große schmiedeeiserne Pfannen mit doppeltem Boden, auf deren oberer Platte ein Rührwerk kreist. Hier wird die Kohle von drei Vierteln ihres Wassergehalts befreit, nochmals gesiebt, gewalzt und gereinigt. Anstatt der Teller bedient man sich neuerdings auch großer, schmiedeeiserner Trommeln zum Trocknen der Kohle. Dieselben haben eine schräge Stellung und werden von etwa 300 eisernen Röhren durchzogen, die von heißem Dampf umspült werden. Die Kohle fällt von obenher feucht in diese Röhren hinein, um sie unten getrocknet zu verlassen. Durch Maschinen wird die Kohle aus dem Sammelraum nun der Presse zugeführt. Eine Walze schiebt genau so viel Kohlenstaub, wie zu einem Brikett nötig ist, in die Form, und der mit der Fabrikmarke versehene Stempel preßt ihn unter gewaltigem Druck ohne jedes Bindemittel zu einem festen Stück zusammen.
  6. Auf dem Wege nach Senftenberg haben wir noch weitere Ausblicke auf die grubenreiche Umgebung. Zu beiden Seiten der Straße sind gewaltige Strecken des Kohlenlagers im Verlaufe der noch ziemlich kurzen Zeit des hiesigen Bergbaus ausgebeutet und mit den Abraummassen wieder ausgefüllt worden. Wir sehen die hohen Essen der Anhaltischen und Henkelschen Kohlenwerke, der Grube "Ilse" u.a.m. Die jährliche Förderung der gesamten Braunkohlenwerke der Niederlausitz beträgt jetzt über 143 Millionen Hektoliter. Es sind 225 Pressen aufgestellt, die jährlich ungefähr 3 Millionen Tonnen, d.h. 300000 Waggonladungen Briketts anfertigen, deren Hauptabnehmer die Millionenstadt Berlin ist.

Vor zwei Tagen versprach ich, nochmals auf Hieronymus Wieciers zurückzukommen und dieses Versprechen möchte ich nun einlösen. Ausgangspunkt ist sein "Auftauchen" auf einer weiteren Fotopostkarte, nämlich folgender...

Senftenberg
Aufnahme = 01.05.1933
Sammlung Georg Messenbrink
Anlass und Zeitpunkt des hier abgelichteten Aufmarsches waren lange Zeit ungewiss. Beim Hin- und Herüberlegen fielen mir zwei weitere Aufnahmen in die Hände, die offensichtlich die selbe Demonstration zeigen, nur eben mit jeweils anderen Akteuren.
Die Bildunterschriften verraten es natürlich. Es ist der 1.Mai 1933 und es ist zweifelsfrei die Mai-Demonstration, die man damals noch "Umzug" nannte.
Senftenberg
Aufnahme = 01.05.1933
Sammlung Fred Förster
Senftenberg
Aufnahme = 01.05.1933
Museen OSL
Theoretisch hätte es aber auch der 1.Mai 1934, 1935 usw. usf. sein können. Ist es aber nicht! Der Grund? Hieronymus Wieciers, oder genauer gesagt: seine Armbinde! Erika Fischer wies mich darauf hin und lieferte mir weitere Hintergrundinformationen zum Arbeiter-Samariter-Bund (die Armbinde ist die des A-S-B), die ich durch weitere Recherche bestätigt fand. Der 1888 gegründete Arbeiter-Samariter-Bund fiel mit der Machtergreifung Hitlers 1933 dem Verbot „marxistischer Organisationen“ zum Opfer, politisch aktive Mitglieder wurden verfolgt. Das Bundeseigentum wurde dem DRK, den SA- oder SS-Sanitätseinheiten zugeschlagen. Ein Großteil der Mitglieder wurden in das Deutsche Rote Kreuz eingegliedert und versah dort weiterhin seinen Dienst. Die "Abwicklung" des A-S-B erfolgte in ganz Deutschland zwischen Mai und Juli 1933. Ab August war der Bund verboten.
Dies kann man auch sehr schön an den geklebten Marken in H.Wieciers Mitgliedsbuch nachvollziehen. Der letzte Beitrag wurde im Mai 1933 erhoben und durch die entsprechende Marke bestätigt. Danach war "Schluß mit lustig".
Das bedeutet, dass wir auf dem ersten Foto wahrscheinlich seinen letzten Einsatz als A-S-B- Mann und eine der seltenen Gelegenheiten sehen, wo Hakenkreuz- und ASB- Armbinden einträchtig nebeneinander abgebildet sind.

Die heutige Geschichtsstunde ist jedoch noch nicht zu Ende!
Auf Bild 2 links unten sehen wir an der Spitze des Senftenberger Magistrats, den damaligen Bürgermeister Legau. Hinter ihm die Standarte mit der Aufschrift N.S.B.O. Magistrat Senftenberg. Wer die Abkürzung N.S.B.O. bislang noch nicht kannte muss sich nicht schämen. Auch mir war sie bisher nicht geläufig.
N.S.B.O. = Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation

Geschichte und Zweck dieser Organisation kann man hier nachlesen. Dort erfahren wir auch, dass die N.S.B.O. im Jahre 1935 vollständig in der D.A.F. aufgang. Deshalb könnten die Aufnahmen also maximal aus jenem Jahr stammen.
Wie ich jedoch herausgearbeitet habe, können wir sicher sein, dass es sich um den 1.Mai 1933 handelt. In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Umstand hinweisen, der noch auf Klärung wartet. Sämtliche Ausgaben des Senftenberger Anzeiger aus dem ersten Halbjahr 1933, somit auch für den Zeitraum der heute vorgestellten Bilder, sind komplett aus den Archiven vor Ort verschwunden... Giftschrank?

Aus diesem Grund kann ich auch keine Faksimiles für den Mai 1933 liefern. Dafür aus dem nachfolgenden Jahr. Die Unterschiede dürften marginal ausgefallen sein...

Senftenberger Anzeiger (1934)

Beide heutige Aufnahmen haben starke Parallelen. Wir sehen jeweils die Kolonne Senftenberg des Arbeiter-Samariter-Bundes in der freien Natur. Zeitlich befinden wir uns am Anfang der 1930er Jahre. Vertraut man dem handschriftlichen Vermerk auf der Rückseite des linken Exemplars, dann wohnen wir 1931 einer Übung im Steinbruch Großkoschen bei. Möglicherweise handelte es sich dabei um jene Übung, die in dem darunter abgebildeten Inserat avisiert wird.

Senftenberg
Aufnahme = 1931
Sammlung Erika Fischer
Senftenberger Anzeiger (1931)
Senftenberg
Aufnahme <= 1933
Sammlung Erika Fischer
Das Datum, und vor allem der Ort, des rechten Motivs ist derzeit nicht ganz klar. Rechts hinten, das könnte eine Brikettbude sein... Elisabethglück?

Beide Aufnahmen stammen aus der Sammlung von Erika Fischer. Auf dem rechten Motiv ist eindeutig ihr Vater, Hieronymus Wieciers zu sehen. Links kann ich ihn nicht erkennen, vielleicht ist er ja einer der "Verwundeten".

ASB-Mitgliedsausweis Hieronymus Wieciers
(hier fälschlicherweise als Wieziers)
Sammlung Erika Fischer
Im Übrigen komme ich übermorgen auf seine Person zurück, da sie mir bei der Datierung von einigen Aufnahmen wertvolle Hilfe lieferte...