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Im Gefolge der Botschaft, daß Senftenberg nunmehr ein Stück aus dem "Kohlemillionen"-Kuchen erhält (konkret mehr als 30 Millionen Euro), um damit
die Sanierung/Umgestaltung/Umfunktionierung der "Niederlausitzhalle" durchzuführen, wird er wieder aufgekocht: der Mythos. Lokalfernsehen, Lausitzer Rundschau und Presseabteilung der Stadt verbreiten unisono
erneut die Geschichte vom einstigen Kohlenschuppen, aus dem Ende der 1950er die damals größte freitragenden Sporthalle Europas hervorgegangen sein soll. Damit nicht genug! Bei Zipline-Fahrt Kohlebunker-Flair erleben. In der Kultur-Halle sollen Bergbau und Sportgeschichte erlebbar und sichtbar gemacht werden. Die Aura des einstigen Kohleschuppens spüren, in dem die frisch gepressten und noch heißen Briketts abkühlten? Bei einer rasanten Zipline-Fahrt werden Besucher erleben, wie es hier einmal war. Abgesehen davon, daß mir die Fantasie bezüglich der tatsächlichen Ausgestaltung des letzten Satzes fehlt, frage ich mich, ob ich mittlerweile der einzige bin, der permanent gegen diese unbelegbare Behauptung anschreibt? Ich kann aktuell den Ursprung dieser Legende bis in das Jahr 2000 zurückverfolgen. In dem Buch "Chronik des DDR-Sports" findet man unter dem 31. Oktober 1959 den Eintrag in Senftenberg wird durch Umbau einer ehemaligen Briketthalle die "Aktivist-Sporthalle" als bis dahin größte Sporthalle in der DDR mit einem Hallensportfest eingeweiht. Ob ein ähnlich lautender Eintrag schon in der Vorgängerpublikation gleichen Namens aus dem Jahr 1975 enthalten ist, ließ sich noch nicht ermitteln. Möglicherweise entnahm Werner Forkert für seine "Senftenberger Rückblicke" (2006) aus besagter Publikation diese Information und wandelte sie in "Aus einem ehemaligen Kohlenschuppen entstand die Sporthalle "Aktivist"" ab. Vielleicht war er aber auch selbst (oder ein anderer Senftenberger Heimatforscher) Urheber dieser Legende. Ich weiß es nicht.
Und 2024? Man begnügt sich mittlerweile nicht mehr damit, diese zu Missinterpretationen einladende Formulierung in einem Nebensatz einzubauen, sondern schmückt das Ganze noch mit "frischgepressten und heißen Briketts" aus!
Anstatt die Fakten klar und unmissverständlich zu benennen, befeuert man die Legende ein weiteres Mal durch Hinzudichten von Details. Dabei weiss man an den verantwortlichen Stellen auch nicht mehr, als daß man damals
für das Hallendach Teile der Dachkonstruktion eines Kohlenschuppens wiederverwendete. Nicht mehr und nicht weniger. In Diskussionen mit anderen Senftenbergern zu diesen Thema entstand bei mir der Eindruck, daß sich jene Kohlenschuppen-Umbau-Legende kollektiv in die Köpfe eingebrannt hat. Offenbar eine Folge der ständigen Wiederholung. Sie dort wieder heraus zu holen fällt schwer. Vielleicht gelingt es mit nachfolgendem Vergleich: ein Luftbild-Ausschnitt (US AirForce vom 24. März 1945) und ein dazu passender aktueller Auszug aus GoogleMaps. |
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Die Grafik ist mir jetzt nicht mega-toll gelungen aber zum Abwägen, wie plausibel die "Kohlenschuppen-Theorie" sein könnte, ausreichend. Womit ich es an dieser Stelle auch bewenden lassen möchte. Doch damit bin ich noch nicht am Ende! Natürlich habe ich passend zum Thema wieder ein paar historische Bilddokumente ausgegraben, die ich im weiteren Verlauf vorstellen möchte. Dabei versuche ich chronologisch vorzugehen. Den Anfang machen bewegte Bilder...
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Was die Außenanlagen der Sportstätte anging, hinkten die wohl lange Zeit hinterher. Trotz NAW, trotz persönlichem Einsatz
der Senftenberger Bürgerschaft und trotz Mittun des damaligen Bürgermeisters Flack, der sich dafür nie zu schade war. Als Beweis mögen die rechts abgebildeten Fotos dienen. Das erste davon wurde ca. 1963 gemacht. Bei genauerer Betrachtung der Aufnahme fällt das Fehlen der Belüftungsaufbauten ins Auge. Diese sieht man auf dem folgenden Foto, welches 1969, höchstens 1970, aufgenommen wurde. Sie wurden wahrscheinlich 1965 installiert, als man zum ersten Mal größere Arbeiten am Hallendach durchführte. |
Aufnahme <= 1963
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Der Standort des Fotografen für die 2. Aufnahme war die Dachterasse des "Hochhauses" und präsentiert wird uns immer noch eine regelrechte Wüstenei.
Die "Armeerundschau" (Nr. 11/1960), die manchem noch ein Begriff sein dürfte, thematisierte dies innerhalb eines Berichts über die 1. Meisterschaft
der sozialistischen Armeen (SKDA) im Kunstturnen, die vom 18.-20.November in der Sporthalle stattfand, folgendermaßen: ... Inzwischen
wird unsere Mannschaft gemeinsam mit der Bevölkerung im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks die noch sehr im argen liegende Umgebung der
Sporthalle "Aktivist" in Ordnung bringen. |
Aufnahme <= 1970
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Etwas aufgeräumter, aber immer noch ohne Baum und Strauch, stellt sich das Areal auf den beiden folgenden Fotografien dar.
Gerade das Fehlen von Bäumen erschwert in diesem Fall den Nachweis, daß die zwei Fotos zeitlich nicht sehr weit auseinanderliegen.
Wovon ich aber ausgehe. In jedem Fall erfolgten die Aufnahmen nach der Modernisierung des Hallendachs, welche angeblich 1976/77
vollzogen wurde.
Hätte der Fotograf sein Objektiv noch ein wenig weiter nach rechts geschwenkt, dann hätte uns das bei der Datierung weiterhelfen können. Dort hätte man nämlich die im Jahr 1978 fertiggestellte Sporthalle der Ingenieurschule sehen können. Oder auch nicht! Was ggf. den Ausschlag in Richtung <= 1978 hätte geben können. |
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Noch unsicherer wird es auf dem letzten Foto für heute. Am linken Bildrand kann man eine Ecke der erwähnten Sporthalle erkennen was das Jahr der Aufnahme
nach unten deckelt. Zweifellos handelt es sich um die jüngste Ansicht des heutigen Tages. Ich habe dafür mal ein <= 1989 veranschlagt. Später war es sicher
nicht. Die DDR-Fahnen sprechen dagegen. Vermutlich 1985. Im nördlichen und westlichen Sporthallen-Umfeld, also an den rechten und linken Rändern, kann man
einige Flachbauten und sogar Bergbau-Technik erkennen, die wohl mit dem Betrieb des damals in Schlagdistanz liegenden Großtagebaus Meuro zu tun hatten.
Ggf. könnte dieser Umstand bei einer besseren Datierung behilflich sein. Dazu fehlen mir aber die entsprechenden Informationen und wahrscheinlich ist das
sowieso von untergeordneter Wichtigkeit.
Jedenfalls erinnert mich das Foto an mein letztes Schuljahr auf der EOS. Im September 1984 bezogen wir das neue Gebäude an der Rudolf-Harbig-Straße. Die
Mittagsversorgung der Schüler und Lehrkräfte erfolgte in der Mensa der Ingenieurschule. Die gut 400 Meter Weg, der an dieser Stelle verlief, musste man im
gestreckten Galopp zurücklegen um sich danach in die Warteschlange einzureihen, Essen zu fassen und selbiges hinunterzuschlingen. Danach im selben Affenzahn
wieder zurück um vor dem Ende der Pause wieder im Klassenraum zu sein. Relativ schnell machte ich den Zirkus nicht mehr mit und sparte das Essengeld für andere
Dinge auf. |
Aufnahme <= 1989
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Am Ende muß ich dann doch noch einmal an den Ausgangspunkt zurückkehren... Die Stadt Senftenberg teilte mir mit, daß laut ihren Quellen, die Wiederverwendung des "hölzernen Tragwerks einer Kohlenlagerhalle der Brikettfabrik Meurostolln"
nachweislich erfolgte. Ich habe grundsätzlich keine Veranlassung dies anzuzweifeln. Bisher war die tatsächliche Herkunft der Dachbinder etwas ungewiß. Irgendwann fiel mal "Finkenheerd" als Altmaterial-Spender. Wenn es denn tatsächlich Meurostolln war,
dann kann ich möglicherweise das Verbindungsglied zur Aktivist-Sporthalle präsentieren...
Und selbst wenn es nicht genau dieser Schuppen war, in dem die Dachbinder initial verbaut waren, irgendeine Halle dieser Bauart wird es schon gewesen sein. Aber macht das die Niederlausitzhalle zu einem "früheren Kohlenschuppen"? |
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