03.11.2024
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Sie ist schon sehr viel ruhiger geworden, die beste Ehefrau von allen. Die heißt zwar nicht Marga ist aber trotzdem so eine Art "Braunkohlenkind der Niederlausitz".
So wie ich: hier geboren, hier geblieben. Daß wir jedoch hier den letzten Atemzug machen werden, das ist eher unwahrscheinlich. Jedenfalls kam von ihr in der entfernteren Vergangenheit oft die Frage, wann ich
denn nun endlich einmal ein Buch herausbringen würde. Die ganze "Zeit- und Geldverschwendung" müsste sich doch irgendwann auch mal auszahlen. Nicht nur in Form von Ruhm und Ehre sondern auch in
klingender Münze. Regelmäßig erklärte ich ihr, daß ich entweder noch nicht so weit sei oder aber daß ich keinen Sinn mehr darin sehe, da darauf sowieso niemand wartet. Wie gesagt: mittlerweile
hat meine Frau resigniert oder vielmehr erkannt, daß das mit mir und einer eigenen Buchveröffentlichung in diesem Leben nichts mehr wird. Wenn, ja wenn ... dann hätte ich mich vielleicht zu
einem "Marga-Buch" hinreissen lassen. Ein ziemlich klar abgegrenzter Zeitraum (1906-1945) bei gleichzeitig engen geografischen Grenzen verbunden mit der Tatsache, daß die meisten Häuser immer noch stehen
und damit ein hoher Wiedererkennungseffekt garantiert ist. Hinzu kommt, daß es mir gelungen ist, in den letzten Jahren einen ganz passablen Vorrat an Fotomaterial aus der Frühzeit Margas anzuhäufen, der in dieser
Quali- und Quantität bislang noch nicht in einem einzelnen Buch veröffentlicht wurde.
Und als Titel eventuell Marga - Braunkohlenkind der Niederlausitz? Naja, ich weiss nicht. Er stammt nicht von mir und wurde auch etwas abgewandelt. Im Original lautete die Überschrift eines längeren Textbeitrags
Ilse - Marga - Zwei Braunkohlenkinder der Niederlausitz. Es geht darin natürlich auch um Grube Marga. Da die Kolonie Marga damals so etwas wie ein Vorzeigeprojekt war - und dies nicht zu
unrecht - gab es natürlich eine Reihe von Publikationen darüber. Und diese warten hin und wieder mit gar nicht einmal so schlechten fotografische Aufnahmen auf, die den Kanon der Ansichts- und Fotopostkarten
ergänzen, ohne jedoch in der Mehrzahl an deren Qualität heranzureichen. Das Druckverfahren war halt ein anderes, schlechteres.
Ich gebe nachfolgend denjenigen Teil des Textes aus oben genanntem Beitrag (erschienen in "Kreiskalender für Cottbus, Calau und Spremberg 1916") wieder, der sich explizit mit Grube Marga beschäftigt und
illustriere diesen mit besagten Fotoaufnahmen, die jedoch in zwei Fällen NICHT Bestandteil des Originalbeitrags waren. Ich halte diese für wesentlich interessanter, weil seltener.
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Als wiederum einige Jahre vergangen waren, stellte
sich bei den Ilse-Freunden abermals das Bedürfnis nach
weiteren Brikettmengen heraus, und es ergab sich, daß
Mutter Ilse in aller Stille auch für diesen Fall durch
die Erwerbung von neuen großen Grubenfelderflächen in
der Gegend von Brieske und Hörlitz Vorsorge getroffen hatte.
Die Vorarbeiten für die Errichtung eines neuen Werkes zur
Ausnutzung dieses Grubenfeldes wurden im Jahre 1906 in
die Wege geleitet, doch zeigte es sich, daß der Grubenaufschluß
erheblich schwieriger war, als bisher. Es handelte sich hier
um ein völlig jungfräuliches Kohlenfeld, auf dem bisher noch
kein Bergbau stattgefunden hatte und das infolgedessen noch
gar nicht entwässert war. Die jüngste Tochter, Marga, konnte denn
auch erst im Jahre 1908 aus der Taufe gehoben werden, doch hat
sie sich von allen Töchtern am stärksten entwickelt.
Nach der im Jahre 1911 erfolgten Fertigstellung der beiden
Fabrikanlagen werden hier allein jährlich 16 000 000 Zentner
Briketts hergestellt. Die Gesamtjahresleistung des Ilse-Unternehmens
beträgt gegenwärtig 40 000 000 Zentner, zu deren Beförderung
4000 Güterzüge a 50 Wagen im Jahre oder 13 Güterzüge pro Tag
nötig sind.
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Hand in Hand mit dem Bau der Brikettfabriken wuchs aus dem
dürren Sande eine der schönsten Kolonien des Deutschen Reiches
heraus. Im großen Stile und aus einem Guß erbaut, wird sie
von jedem Besucher als eine bedeutende soziale und kolonisatorische
Tat hingestellt.
Die Kolonie Marga, welche lediglich Angehörige des Tochterwerkes
Marga in ihren Mauern beherbergt, ist in ihrem Aeußeren eine
kleine Gartenstadt, die in einem der Neuzeit entsprechenden, niedersächsischen
Stile erbaut wurde. Es liegt Stimmung über den schmucken Häusern
mit ihrer Mannigfaltigkeit der Fassaden und den zahlreichen, im
Charakter der Straßenführung begründeten reizvollen Eigentümlichkeiten.
Den Mittelpunkt der Anlagen bildet der Marktplatz, um den herum sich die
öffentlichen Gebäude, wie Volksschule, Kirche und Post sowie Gebäude der
für das leibliche Wohl der Angehörigen sorgenden Ilse-Wohlfahrtsgesellschaft,
wie Kaufhaus, Bäckerei, Schlächterei und Gasthaus, gruppieren.
Die 10 Klassen enthaltende Volksschule mit ihren lustigen Schulräumen
und zweckmäßigen hygienischen Einrichtungen und den geräumigen Schulspielplätzen
kann geradezu als Muster einer Schule hingestellt werden.
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Besonders bemerkenswert ist die im zweiten Stockwerk angeordnete
Kochschule, in der den ältesten Mädchen eine geprüfte Kochlehrerin
regelrechten Kochunterricht erteilt. Auch der Handfertigkeits- und
der Bastelunterricht findet hier eine besondere Pflegestätte. In der
Volksschule ist außerdem eine sehr zweckmäßig eingerichtete umfangreiche
Volksbibliothek untergebracht. Als Schmuckstück der Kolonie ist
zweifellos die im Jahre 1914 errichtete Kirche zu betrachten, die auf
jeden Besucher einen ungemein tiefen und stimmungsvollen, harmonischen
Eindruck hervorruft.
Die Einrichtung in der Bäckerei und Schlächterei ist märchenhaft.
Der Beschauer kommt unabwendbar auf den Gedanken, daß
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Heinzelmännchen ihre Hand im Spiele haben und dem armen geplagten Menschenkinde die
Arbeit abnehmen. Alles wird durch elektrische Kraft verrichtet, wozu früher die Muskelkraft
des Menschen erforderlich war. Daß es da, wo Heinzelmännchen tätig sind,
reinlich und sauber zugeht, ist selbstverständlich, und schmackhaft sind
denn auch die Erzeugnisse, die aus Bäckerei und Fleischerei herausgehen.
Namentlich die Fleischerei leistet wirklich Hervorragendes, doch ist dies
kein Wunder, wenn in ihr Niederlausitzer Ochsen von 20 Zentner und Spreewaldsauen
von 8 Zentner Gewicht geschlachtet werden. Das Gasthaus vereinigt die
Vorzüge des besten Hotels mit der Intimität des eigenen Heims, wodurch
es einen ungemein behaglichen Aufenthalt
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bietet und sehr viel zur Erholung aller Einwohner beiträgt.
Die Beamten- und Arbeiterwohngebäude besitzen schöne und luftige Räume,
die so angeordnet sind, daß jede Wohnung von
Licht und Luft durchströmt wird. Die Arbeiterwohnungen sind so gestaltet,
daß der größte Raum für die Wohnküche Verwendung fand, woran sich 2, 3 und
4 Stuben, je nach der Größe der Familien, angliedern. Wie zu jeder Wohnung
ein Keller-, Boden- und Stallraum gehört, und für eine Waschküchenbenutzung
gesorgt ist, besitzt jede Wohnung auch einen 100 Quadratmeter
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großen Gemüse- und Obstgarten. Zwischen diesen Gärten sind verschiedentlich
noch Wäschetrockenplätze und Kinderspielplätze eingefügt, die sehr viel zur
Abwechslung und zur Belebung des Koloniebildes beitragen.
Ein Gang durch die zumeist bogenförmig angelegten Straßen der Kolonie
liefert den Beweis, daß der Erbauer mit großer Liebe und Sorgfalt die
einzelnen Häuser so gestellt hat, daß sich mit jedem Schritt das Bild
ändert und über jeder Gartenfläche neue, abwechslungsvolle Häuserfassaden
sichtbar werden.
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Ein sehr schöner Text, wie ich finde, der uns, zusammen mit den Fotos, die ich mir aus Zeitschriften- und Buchpublikationen der damaligen Zeit ausgeliehen habe,
wunderbar in eine Zeit vor 110 Jahren zurück versetzt. An und für sich wäre das ja schon ausreichend für eine Neues-Woche auf www.gruss-aus-senftenberg.de aber ich bin mal nicht so und lege weiter unten
noch ein bisschen mit (Foto-)postkarten nach, die erst in den letzten Monaten bei mir eintrudelten. Nebenbei bemerkt: ich würde fast Wetten eingehen, daß die Hausansicht von der Briesker
Straße 10/12 (jetzt 110/112) ursprünglich auf einer Ansichtskarte erschien.
Im direkten Vergleich mit den heutigen Gegebenheiten fällt hier speziell auf, daß die Komplett-Sanierung der Kolonie Marga, die ab Ende der 1990er Jahre stattfand, in
einigen Details versagte oder zumindest Kompromisse erforderte. Diese Reliefs an den beiden Giebeln sieht man heute nicht mehr. Genauso wenig wie die Spaliere und Blumenkästen. Auch die
Sprossenfenster wurden in dieser Form nicht wiederhergestellt. Die Fenster erscheinen mir auf dem alten Foto auch etwas breiter als heute. Die Fensterläden, die, bis auf wenige Ausnahmen, in Marga leider
nicht mehr zum Einsatz kommen, waren so etwas wie das i-Tüpfelchen auf der Fassadengestaltung.
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Womit ich nun langsam mal zum ersten echten Stück komme.
Auch hier sehen wir natürlich wieder die akzentsetzenden Fensterläden
und auch ein paar Wandreliefs, die jedoch vergleichsweise
einfach ausfallen.
Von dieser Kombination aus Grundtyp und Fassadengestaltung gab es in
Marga exakt 3 Auftreten. "Gab" deshalb, weil ein Exemplar davon, nämlich
das Haus in der Briesker Straße 18/20, heute nur noch entfernt an die
ursprüngliche Form erinnert. Wahrscheinlich war das Haus zu DDR-Zeiten
im Rahmen von Modernisierungs- maßnahmen komplett zerwirkt worden und bei
der Generalsanierung fehlten irgendwann die finanziellen Mittel zu einer
halbwegs originalgetreuen Restaurierung.
Aber wir reden ja nicht von 1997 sondern eher von 1910. Da gab es also
drei Vertreter dieses Haustyps. Neben der Briesker Straße 18/20 die Nordstraße
4/6 sowie die Kirchstraße 4/6.
Und vor letzterer stehen wir hier gerade. An den beiden anderen Adressen ist
der Abstand Haus ⇤⇥ Straße sehr viel größer so daß an der Bestimmung kein Zweifel
aufkommt. Von der Hausnummer 75, die man auf dem Foto sieht, sollte man sich nicht verwirren lassen,
denn Marga war anfangs einfach nur durchnummeriert, woraus sich sehr wahrscheinlich
die Abfolge der Errichtung bzw. des Bezugs der einzelnen Häuser ableiten lässt.
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OTTO NAUBERT, DRESDEN-N., Böhmischestr. 37. Aufnahme <= 19?? Sammlung Matthias Gleisner
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Das Wohnhaus sehen wir übrigens auch auf dem zweiten Stück für heute. Seine Westseite lugt rechts hinter dem imposanten
Postgebäude hervor. Doch um einiges später als auf dem Foto oben. Das Wohnhaus in der Kirchstraße stand übrigens schon längere
Zeit bevor das Postamt errichtet wurde. Letzteres wurde bis 1914 erbaut und in Dienst gestellt. Das genaue Datum ist unbekannt aber kann nicht
vor Ende 1913 gewesen sein. Bis dahin war das Postamt von Grube Marga seit spätestens Juli 1912 in dem Gebäude schräg über den Markt untergebracht.
Bis auf einige wenige Details, die größtenteils mit der heute nicht mehr vorhandenen Funktion als Postamt zu tun
haben, gelang die Sanierung des Hauses um die Jahrtausendwende ziemlich originalgetreu.
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Aufnahme <= 1918 Sammlung Matthias Gleisner
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Ich finde, das war heute mal wieder ein kleines Fest für Marga-Fans. Von denen es neben mir aber nicht mehr allzuviele geben dürfte. Insofern macht ein
Marga-Buchprojekt, egal ob allein oder mit einem Partner (den ich nicht aktuell nicht sehe), auch keinen Sinn. Meine zweite Ausrede, daß ich noch auf dieses oder jenes warte, hat sowieso immer Bestand. Stimmt aber wirklich!
Neben der Tatsache, daß ich selbst noch ein paar unaufbereitete Marga-Sachen in der Hinterhand habe, fehlen mir auch noch einige wichtige/schöne "Kandidaten". Die Zeit ist halt noch, beziehungsweise nicht mehr reif...
Apropos "Marga", apropos "Fest"... Wird es in Kürze etwa eine festliche Einweihung des Rundgang Gartenstadt Marga geben? Zumindest die Briesker werden es mitbekommen haben, daß sich da in den Mauern ihres Ortes etwas tut.
Und zwar in Form von Tiefbauarbeiten auf dem Marktplatz bzw. durch das Aufstellen von "Infopunkten". Von letzteren soll es final 11 Stück geben. Davon konnte ich bei meinem Marga-Besuch in der vergangenen Woche schon vier im
Ortsbild ausmachen. Die Tafel mit der Startnummer 1 an der westlichen Marktseite ist aktuell noch umzäunt. Etwas, das mit besagten Tiefbauarbeiten zu tun hat.
Ich berichtete in der Vergangenheit über dieses Projekt, bei dem ich als Bildlieferant fungierte und das seit 2020 immer mal wieder nach oben blubberte ohne zählbare Ergebnisse zu zeitigen. Unter Neues 579
verdächtigte ich einen Audio/Video-Guide, der auf Basis dieser Hearonymous-App angeboten wird, als das, was letztlich vom ursprünglichen Konzept übrig geblieben ist. Dem ist jedoch nicht so und deshalb gibt es demnächst zwei
konkurrierende Angebote für den geneigten Besucher der Gartenstadt Marga. Doppelt hält besser!
Oben einmal einige Impressionen, wie sich das Ganze nun in der freien Wildbahn präsentieren wird. Neben den Informationstafeln wird es auch noch audio-visuellen Content geben. So ähnlich wie bei der Hearonymous-App. Auf den einzelnen
Tafeln sind QR-Codes abgedruckt, die man mit der Kamera seines Smartphones anpeilen kann um am Ende auf einer Internetseite zu landen. Diese ist aktuell noch nicht freigeschalten. Wie mir der
Projekt-Designer Albrecht Ecke auf Nachfrage mitteilte, wird sich dahinter keine klassische Website verstecken, sondern 11 separate Filmchen. Die Leute wollen halt nicht lesen, die wollen es flimmern sehen und den erklärenden Text ins Ohr gesäuselt bekommen.
Dem muß man heutzutage Rechnung tragen. Bedeutet aber auch, daß an dieser Stelle, wenn der Filmschnitt abgeschlossen ist, kein weiterer Ausbau oder eine Korrektur mehr stattfinden kann. Status quo eben. Wie bei der Dauerausstellung in der alten Kegelbahn, wie mit einem Buch. Womit wir
wieder am heutigen Ausgangspunkt angelangt sind.
Der statische Charakter von Büchern trifft gewissermaßen auch auf diese Informationstafeln zu. Bevor überhaupt sämtliche aufgestellt sind, musste ich leider schon die ersten Lapsüs (das ist tatsächlich der Plural von "Lapsus") konstatieren.
Die fallen aber bestimmt nur dem Ober-Klugscheißer, also mir, auf.
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