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02.06.2024
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Die 1930er Jahre sind hinsichtlich der Senftenberger Stadthistorie recht gut belegt. Das gilt für textliche Hinterlassenschaften genauso wie für bildliche Artefakte. Was letzteres betrifft, muß ich dazu sagen, daß man sich in jenem Jahrzehnt Ansichtskarten-technisch eher auf ausgewählte Stellen (Markt, Bahnhofstraße, Bahnhof, Schloß- und Tierpark) warf und "abseitiges" sehr stark in den Hintergrund gedrängt wurde. Gleichzeitig erscheint es mir, daß die 1930er das für lange Zeit letzte Jahrzehnt waren, in dem qualitativ hochwertige Fotografien entstanden. Das sieht man den gedruckten Ansichtskarten-Pendants zwar selten an und doch handelte es sich bei dem Ausgangsmaterial dieser Produktionen in der Mehrzahl um sehr scharfe und detailreiche Aufnahmen.
Das kriegte man in den 40ern schon nicht mehr hin. Erst recht nicht nach dem Krieg! Da lag nicht nur ganz Deutschland in Trümmern, nein auch die Künste der Fotografen waren auf wundersame Art und Weise gleich mit versunken. Ich schiebe das zu großen Teilen auf das minderwertige Material - Kameras, Filme, Fotopapier und was man noch so alles brauchte - mit denen zumindest hier im Osten Profi- und auch Hobbyfotografen auskommen mussten.
Ein Beleg für die hervorragende Qualität, die in den 30ern abgeliefert wurde, möchte ich ein weiteres Mal mit drei Glasplattenscans des Schöning-Verlags erbringen. Wie erwähnt: den jeweiligen Ansichtskartenversionen sieht man das nicht unbedingt an. Zumindest nicht denen in der Druckvariante. Und von den drei nachfolgenden Motiven verfügen wir tatsächlich nur über die gedruckte Ausgabe. Die Fotovariante, die es mit Sicherheit auch gab, hat sich in allen Fällen noch nicht bei mir vorgestellt.

Senftenberg
Aufnahme <= 1938
Stiftung Brandenburg
Senftenberg
Senftenberg
Aufnahme <= 1939
Stiftung Brandenburg
Senftenberg
Senftenberg
Aufnahme <= 1938
Stiftung Brandenburg
Senftenberg

Im direkten Vergleich zwischen Ansichtskartenversion und Glasnegativ sieht selbst ein Blinder den dramatischen Qualitätsvorsprung letzterer. Die Motive selbst sind recht gut bekannt, wobei die linke Ansicht von der Hindenburgschule von dem Trio den größten Seltenheitswert hat. Davon habe ich über die Jahre nicht allzuviele Stücke gesehen.
Mit dem Glasplattenscan sind wir ja fast am Ursprung der jeweiligen Fotografie angelangt weshalb es auch kein Wunder ist, daß die Qualität eine sehr gute ist. Zudem sind die Platten auch noch in einem vergleichsweise hervorragenden Zustand so daß ich digital damit keine große Arbeit hatte.

Ein wenig mehr Arbeit hatte ich dagegen mit dem vierten und letzten Stück für heute, da anfälliger für Beschädigungen: Eine Ansichtskarte aus der Schmiede des Senftenberger Fotografen Ernst Wenzel, der gleichfalls für sehr scharfe Aufnahmen bekannt ist. Mit zwei oder drei Ausnahmen, bei denen das eine oder andere schief ging.

Das Stück rechts ist durchaus etwas besonderes. Ich meine, der Blick auf das Porträt des Führers unter einer Disco-Kugel, das sieht man auch nicht alle Tage, oder?

Hinzu kommt die Bildunterschrift Goldner Saal der Niederlausitz. Eine Bezeichnung, die mir zugegebenermaßen bislang nicht geläufig war und zu der ich erst einmal recherchieren musste. Mit Erfolg übrigens.

Dabei stellte sich heraus, daß die Zuschreibung "Goldner Saal der Niederlausitz" für den großen Saal des Senftenberger Schützenhauses nur relativ kurze Zeit in Gebrauch war. Ein gutes Jahr. Erstmals tauchte der Name Ende November 1937 im Senftenberger Anzeiger auf. Und dies in einem längeren Artikel, der nicht nur die "Schaffung würdiger Feierstätten" für "die Bewegung und ihre Gliederungen" lobend erwähnt sondern im letzten Teil auch noch etwas in die Historie des Schützenhauses abtaucht.
Die feierliche Einweihung der frisch renovierten Räumlichkeiten fand am 27. November 1937 statt, wie man der Ankündigung unten links entnehmen kann:

Senftenberg
Photo-Atelier Ernst Wenzel,
Senftenberg, Calauerstr. 13, Tel. 283
Echte Photographie
d61
Aufnahme <= 1939
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberger Anzeiger (Ende November 1937)
Damit dürfte der früheste Zeitpunkt der Aufnahme fixiert sein. Die mir vorliegende Ansichtskarte enthält leider keine sachdienlichen Hinweise in Form eines Poststempels oder Textes. Insofern muß ich spekulieren. Persönlich würde ich die Szenerie in den April 1938 einordnen. Konkret rund um den "Führergeburtstag" am 20. April. Dazu würde dieses umrankte Porträt auf der Bühne und auch die gedeckten Tafeln passen. Da im April 1939 bereits nicht mehr öffentlich vom "Goldnen Saal der Niederlausitz" gesprochen wurde, schließe ich eigentlich jenes Jahr aus.
Ich vermute, daß sich der Besitzer des Schützenhauses mit den Umbauarbeiten, die letztlich mit Hilfe dieser Ansichtskarte publiziert wurden, an die nationalsozialistische Bewegung und ihre Gliederungen (siehe Faksimile) anbiedern wollte. Die ganzen Veranstaltungen der neuen Machthaber griff nämlich bis dahin das Senftenberger Gesellschaftshaus ab. Doch das Schützenhaus wollte bestimmt auch einen Stück vom Kuchen abhaben. Aus diesem Grund gab man dann vielleicht die obige Ansichtskarte in Auftrag.
Das ist jedoch reine Spekulation meinerseits. Wenn es so war, dann muß die Aufnahme nicht zwingend die Vorbereitungen zu einer echten Großveranstaltung zeigen, sondern man kann das Ganze auch aus Gründen der Eigenwerbung für das Foto arrangiert haben.

Senftenberger Anzeiger (Oktober 1938)
Wie angedeutet: die Sache mit dem "Goldnen Saal der Niederlausitz" hatte sich Ende 1938 erledigt. Die rechts oben abgebildete Ankündigung ist eine der letzten, in denen dieser Name noch vorkommt. Sie ist zwar nicht die allerletzte aber ich habe diese ausgesucht, da aus ihr gleichzeitig hervorgeht, wie man damals die von mir weiter oben ins Spiel gebrachte "Disco-Kugel" nannte: 1000 Flammenkugel.
Wäre das also auch geklärt!