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Kippensand 2024, Seite 29: Wer jetzt immer noch nicht genug gehört hat von den "Geschichten aus der Bahnhofstraße", dem sei die Website
www.gruss-aus-senftenberg.de empfohlen. Dort gibt es ein Unterforum "Bahnhofstraße". Ein Mitglied des Vereins für Heimatpflege - 1909 e.V. Senftenberg
hat dort viele Details zusammengetragen, die für den "Kippensand" aber leider zu umfangreich sind.
Für Sarkasmus a la "erstaunlich, daß das bei der Schriftleitung des Zentralorgans des Heimatvereins so durchgegangen ist" ist es selbst für meine
Verhältnisse zu spät. Da hätte ich besser schon Ende 2023, als besagter Text erschien, lästern müssen. Naja egal! Bahnhofstraße ist das Thema und wer denkt, daß er schon alles gesehen hat, den werde ich heute teilweise vom Gegenteil überzeugen können. |
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Den Anfang mit bislang wenig bekannten Ansichten mache ich in der Bahnhofstraße 15.
Das professionelle Foto aus der Schmiede von PHOTO-KACHEL führt uns ziemlich weit an den Zeitpunkt heran, an dem das Haus, das 1945 derart zerstört wurde, daß es fast vollständig
abgerissen werden musste, einen Neuaufbau erfuhr. Das <= 1960 habe ich relativ frei vergeben. Das Datum der Einweihung der Bank für Handwerk und Gewerbe kann ich aktuell nicht liefern (Forschungsauftrag!). Die Ansicht selbst passt aber sehr gut zu folgender Zeichnung, die ca. 1957 auf Briefumschlägen besagten Kreditinstituts Verwendung fand...
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PHOTO Kachel, SENFTENBERG, N.L.
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Ein weiteres Geschäftshaus, das am Ende des 2. Weltkriegs schwere Beschädigungen erfuhr
und deswegen abgerissen werden musste, war die Hausnummer Bahnhofstraße 23.
Historisch Interessierten ist die Geschichte des Hauses, oder besser die des früheren Besitzers, des jüdischen
Kaufmannes Nathan Klein, halbwegs bekannt. Und auch an die Aufnahme rechts wird sich vielleicht der eine
oder andere dunkel erinnern. Bis zum heutigen Tage wurde diese ausschließlich in etwa der Größe meines Vorschaubildes
publiziert. Zuerst in Werner Forkerts "Senftenberger Rückblicke Teil 3" (2008) und danach in Norbert Jurks "Streifzüge durch meine Heimatstadt Senftenberg" (2011). Norbert verwendete dabei grundsätzlich die Forkert, die er von diesem zugespielt bekam. Der Ursprung ist jedoch ein anderer. Nämlich Hans Lange! Durch das Hans-Lange-Chronik-Konvolut gelangte ich vor einigen Monaten an denjenigen Fotoabzug, der in irgendeiner Form (vermutlich nochmals abfotografiert) sowohl Werner Forkerts als auch Norberts Basis war. Gleichzeitig lag mir aber auch das originale Negativ dieses Abzugs vor, von dem ich meine Version bezog. |
Aufnahme = 1910
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Für mich ist dies ein Indiz dafür, daß Werner Forkert die Lange-Chronik kannte und sich daran bediente. An Fotos, an Texten,
am Gesamtkonzept. Wie üblich ohne Quellenangabe. Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt weitere Beweise liefern, die meine These stützen.
Nebenbei klärte sich auch, warum die Ansicht bisher immer nur im Briefmarken-Format reproduziert worden war: Lange lag damals
in den 1970/80ern zweifellos eine Original-Fotopostkarte vor, die er abfotografierte. Dies gelang
nur so semi... das Original war nicht ganz plan und Langes Schnappschuß erfolgte
leicht schräg und zudem unscharf. In vor-digitaler Zeit konnte man ja nicht sofort überprüfen, ob die
Reproduktion eine ausreichende Qualität aufweist. Das Schlamassel sah man erst nach der Entwicklung
und da war das Original möglicherweise schon wieder über alle Berge und ein weiterer Versuch unmöglich. |
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Und doch... "Wunder gibt es immer wieder" ![]() In die Kategorie der kleinen Wunder gehört für mich, daß mir unlängst die Aufnahme rechts offeriert wurde. Ja, dabei handelt es sich wiederum leider nur um eine Kopie. Im Vergleich zu der Nathan Klein-Ansicht aber mit einem signifikanten Qualitätssprung. Auch hier bin ich mir sehr sicher, daß das Original, dessen Verbleib leider bisher nicht zu klären ist, eine Paul Klinke-Produktion war. Diese wäre eine Stufe näher am Ursprung sicherlich sehr scharf und detailreich. Doch ich muß bis auf weiteres notgedrungen mit dieser 2. Generation vorlieb nehmen. Wie oben halte ich auch diese Ansicht für derart wichtig, daß ich meine Qualitätsansprüche zurückschraube und der Fotografie einen Platz im digitalen Archiv einräume. Warum ich die Aufnahme für wichtig erachte? Ganz einfach: sie zeigt uns erstmals und bislang einmalig wie das Haus Bahnhofstraße 36 ursprünglich aussah. Nur wenig erinnert heutzutage noch an die schön verzierte Fassade, an die Balkons und daß da einstmals Leben drin herrschte. 1909 ließ der Tischlermeister Paul Obenaus (auf dem Balkon stehend) dieses eindrucksvolle Haus errichten. Seine Werkstatt befand sich dahinter. Das Schild mit "Sarg-Magazin" verweist zweifellos auf seinen Gewerbebetrieb. Außerdem beherbergte die Adresse das Fotostudio von Max Artlich, das später in einen Nebenbau umzog. Artlichs Nachfolger war übrigens eben jener Photo-Kachel, dem wir die Fotografie ganz oben verdanken. Photo-Kachel war in zwei Generationen Mieter der Hausnummer 36. Desweiteren erkennen wir auf der Aufnahme, daß sich anno 1910 in dem Haus ein "Showroom" des Senftenberger Möbel & Waren Kredit Hauses befand. Der eigentliche Sitz dieses Unternehmens befand sich woanders, wie man nachfolgender Anzeige entnehmen kann...
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Aufnahme = 1910
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![]() Senftenberger Anzeiger (1910)
Das Foto rechts aus DDR-Zeiten ist für mich schwer datierbar
weil auch nicht so wirklich zu sehen ist, was in dem Laden
zu dem Zeitpunkt los war. Zumindest erkennt man andeutungsweise,
daß der Zugang zum Geschäft mittlerweile verändert worden war.
Ich habe in dunkler Erinnerung, daß zum Ende der DDR hin der Bäcker Wolfgang Bahl
dort residierte. Und das bis mindestens 1993, wenn nicht noch länger.
Danach war ein Fleischer, irgendwann eine Zoohandlung und ganz am Ende
ein Friseurgeschäft in dem Ladenlokal eingemietet. Puh! Jede Menge Text heute. Und mehrere angerissene Themenfelder, die ich zukünftig sicher noch vertiefen werde. Mindestens die Senftenberger Bahnhofstraße wird noch eine Weile beackert werden und auch die weitere Analyse der "Hans-Lange-Chronik" steht noch auf dem Programm. |
Und noch etwas wird uns vor Augen geführt: die "Seuche" mit
den Versicherungsbüros entlang der Bahnhofstraße ist keine
Erfindung der Neuzeit.![]() Apropos "Neuzeit"... in der ist das Haus kaum noch wieder zu erkennen. Die ganzen Modernisierungen und Umbauten waren aber letztlich auch für die Katz, denn das Haus ist seit Jahren unbewohnt und der letzte Ladeninhaber im Hochparterre hat schon vor einer Ewigkeit das Licht gelöscht. Kurzum: wenn man ein anschauliches Beispiel für meine Ausführungen hinsichtlich des Geisterbahn-Charakters unserer Bahnhofstraße sucht.. an der Nummer 36 wird man fündig. Wobei man ehrlicherweise hinzufügen muß, daß das Haus bereits zu DDR-Zeiten seinen ursprünglichen Glanz schon ziemlich stark eingebüßt hatte. Beweis gefällig?
![]() vermutlich Ende 1970er |