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Jedem halbwegs geschichtsinteressierten Senftenberger ist bekannt, daß das
Gerichtsgebäude, in welchem auch heute noch Recht gesprochen wird, im Jahr 1910
in Betrieb ging. Natürlich wurden in unserer Stadt auch vor diesem Jahr diverse
Vergehen verhandelt und abgeurteilt.
Dies passierte bis zu jenem Jahre, wie an anderer Stelle von mir schon mehrfach
angeführt, in den Mauern des Senftenberger Schlosses.
Mit den heutigen Ansichtskarten und Fotos möchte ich den Umzug des Gerichtssitzes
bildlich einfangen. Zunächst mit zwei Ansichten, die das Schloss von der
(nördlichen) Seite zeigen, an der sich der Eingang zu dieser Zeit befand. Zur
Erinnerung: der jetzige (südliche) Zugang durch das große Portal war zu dieser
Zeit zugemauert.
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Aufnahme <= 1902 Museen OSL
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1905. No.442 Verlag von G.R. Ziethe, Senftenberg N.L. Aufnahme <= 1905 Museen OSL
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Die linke Abbildung ist die bislang älteste fotografische Darstellung der nördlichen Front. Das Foto ist spätestens seit Ekkehard Kandlers
Buch "Burg, Schloss und Festung Senftenberg" bekannt. Der dort abgedruckte Bilduntertitel ist bezüglich der Datierung falsch. Den Fehler hat der Autor
kurz nach Auslieferung des Buches erkannt, aber wie das bei gedruckten Dingen ist, ist er zumindest in dieser Auflage nicht mehr korrigierbar.
Zufälligerweise befindet sich in besagtem Buch auf exakt der selben Seite, wie heute hier, die zweite, und diesmal farbige Ansicht des Eingangsbereiches.
Im direkten Vergleich kann man erkennen, daß zwischen beiden Aufnahmen wesentliche Änderungen am Treppenaufgang vorgenommen worden sind. An diesem wurde
übrigens mehrfach gearbeitet. In Ekkehard Kandlers Buch findet man einen Grundriss, der ein Podest zeigt, zu dem sowohl von links als auch von rechts
ein Treppenaufgang führt. Eine fotografische Aufnahme dieser Variante werden wir wohl nie zu Gesicht bekommen. Stattdessen also einmal ein Aufgang mit
durchgehender Treppe und einmal mit Richtungswechsel auf halber Strecke.
Mit der rechten Ansichtskarte zeige ich heute übrigens das letzte mir bis hierher bekannte Motiv aus meiner Lieblingsserie (coloriert, weisser Randstreifen).
Da ich bislang die Seriennummern 432, 434, 435, 436, 437, 438, 440 und 442 nachweisen konnte, habe ich jedoch sehr große Hoffnung, daß zukünftig die
Fehlnummern 433, 439 und 441 auftauchen und eventuell bislang noch nicht gesehene Motive präsentieren. Daumen drücken!
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Doch zurück zum eigentlichen Thema!
Der Umzug des Amtsgerichts aus den beengten und in desolatem Zustand befindlichen Schlossgemäuern setzte natürlich zunächst einen Ersatzbau voraus. Die
Planungen hierfür gehen bis in das Jahr 1906 oder gar noch weiter zurück. In einer Stadtverordnetensitzung am 8.Februar 1906 stand das Thema "Neubau eines
Polizeigefängnisses" auf der Tagesordnung. Wahrscheinlich bezog man sich hier auf die enge Verbindung zwischen Gericht und Gefängnis, denn auch im Schloßinnenhof
befanden sich einige Gefängniszellen. Auf einer weiteren Stadtverordneten-Sitzung am 20.April 1906 legte man sich endlich auf ein Areal für den Neubau fest...
Als Bauplatz für das neue Amtsgerichtsgebäude ist der Weitzmann'sche Gartenplan an der Elsterstraße definitiv gewählt worden und soll die Auflassung an
den Justizfiskus in den nächsten Tagen erfolgen. Gutem Vernehmen nach wird mit dem Bau am 1. April 1907 begonnen werden.
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Senftenberger Anzeiger (April 1908)
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Liest man sich links stehende Angebotsaufforderung genau durch,
erkennt man, daß der ursprüngliche Starttermin 1. April 1907
wohl zu optimistisch war. Vielmehr ging es erst im darauffolgenden
Jahr so richtig los.
Im Frühjahr konnten die ersten Angebote hiesiger Baufirmen abgegeben
werden und im Oktober erfolgte die feierliche Grundsteinlegung.
Der Senftenberger Anzeiger berichtete:
- Senftenberg, 20. Oktober. Der Bau des neuen Justizgebäudes
schreitet rüstig vorwärts. Heute wurde nun in Gegenwart der Herren
vom Gericht, Geistlichkeit, Amts- und Rechtsanwälte die vom aufsichtsführenden
Richter Herrn Amtsgerichtsrat Levy und dem Bauleiter, Königlichen
Regierungs-Baumeister Herrn Fiehn, verfaßte "Urkunde", welche die
Entwicklung der hiesigen Gerichtsbarkeit vom Anfang an bis zur Jetztzeit
enthält, nach Verlesen in eine Kupferröhre eingelötet und unter den
üblichen Hammerschlägen und Widmungssprüchen vermauert.
Solche wurden abgegeben von den Herren Amtsgerichtsrat Levy, Oberpfarrer
Hintersatz (Widmungsspruch in lateinischer Sprache), Bürgermeister
Ziehm, Justizrat Quaßnigk und Regierungsbaumeister Fiehn. Nach
Vermauerung der Urkunde hatte die kurze Feier ihr Ende. Mögen alle
die Wünsche, die heute die Urkunde in den Schoß des Baues begleiteten,
in Erfüllung gehen und der auf die Dauer von 2 Jahren projektierte
Bau so weiter gedeihen, daß er nach Ablauf dieser Zeit ungehindert
durch jegliche Einflüsse bezogen werden kann.
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Bevor das Gebäude so aussah wie auf den beiden nachfolgenden Ansichtskarten sollten nicht die avisierten zwei Jahre vergehen. Vielmehr gelang es, die
Arbeiten bis Ende April 1910 abzuschliessen. Die diesbezüglichen Wünsche aus dem Senftenberger Anzeiger hatten offenbar Wirkung gezeigt.
- Senftenberg, 2. Mai. Die Geschäftsräume des hiesigen Amtsgerichts sowie des Gefängnisses befinden sich vom heutigen Tage ab in dem neuen
Amtsgerichtsgebäude Gerichtsstraße Nr. 1. - Das Kgl. Katasteramt befindet sich von jetzt ab im neuen Amtsgerichtsgebäude, 1 Treppe, Zimmer 25,
was Interessenten hiermit kundgegeben wird.
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Graph. Verl.-Anst. G.m.b.H. Breslau 9633 Aufnahme <= 1917 Sammlung Fred Förster
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7306 Verlag: G.R. Ziethe, Senftenberg Aufnahme = 1910 Sammlung Ekkehard Kandler
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- Senftenberg, 27. Mai. Eine der letzten Amtshandlungen des aufsichtsführenden Richters Herrn Amtsgerichts-Rath Levy hier welcher bereits
nach Charlottenburg abgereist ist, war eine Einladung der städtischen Behörden zur Besichtigung des am 1. Mai bezogenen neuen Amtsgerichts. Zu
derselben hatten sich gestern nachmittags 5 Uhr die Magistrats-Mitglieder und Stadtverordneten fast vollzählig eingefunden und übernahm die Führung
Herr Amtsgerichts-Rath Kubale, im Gefängnisgebäude der Gefängnis-Inspektor Herr Amtsgerichts-Sekretär Christoph. Beide Gebäude wurden in fast
allen Teilen besichtigt, auch der das Hauptgebäude krönende Turm, welcher eine prächtige Aussicht über Stadt und Umgebung bietet, bestiegen.
Sämtliche Schreibstuben sind hell und gut ventiliert, nur der Schöffengerichts-Saal, zu dessen Zuhörerraum ein besonderer Eingang links vor dem
Entree hinaufführt, hätte unseres Erachtens erheblich größer sein können; auch weisen die Räume recht gediegene Ausstattung auf, wie auch beide
Gebäude mit Centralheizungs-Anlagen versehen sind. Bis auf das Gefängnisgebäude sind die Räume nahezu alle besetzt, später wird
auch die Zahl der Gefängnis-Insassen über 60 betragen. Den Bau, welcher drei abgetrennte Höfe umschließt, hat Herr Regierungs-Baumeister Fiehn
geleitet, welcher unsere Stadt nun auch in Kürze verlassen dürfte, um nach Kassel überzusiedeln.
Bezüglich der prächtigen Aussicht über Stadt und Umgebung können wir natürlich konstatieren, dass die Ansichtskartenproduzenten hiervon fleißig
Gebrauch machten, denn wir verfügen über eine ganze Reihe von Motiven, die aus dem krönenden Turm angefertigt wurden.
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Senftenberger Anzeiger (1910)
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Hinsichtlich der Belegung des Gefängnisses hatte sich der
Senftenberger Anzeiger in obigem Artikel ja auch so
seine Gedanken gemacht. Auf Grundlage der in dieser Zeitung
regelmäßig veröffentlichten Verbrechen und Vergehen wurde
wohl eine Hochrechnung angestellt und die vollständige
Auslastung der Kerkerzellen prognostiziert.
Schon vor der Inbetriebnahme des Gefängnisses sorgte man
sich amtlicherseits bereits um eine adäquate Verpflegung
der Delinquenten (siehe links). Welche Gaumenfreuden den
Insassen in den ersten 6 Monaten kredenzt werden sollten,
konnte man somit aus der Lokalpresse erfahren. Wollte man
hiermit eine Einladung an die schweren Jungs senden oder
selbige abschrecken?

Aufnahme <= 1940 Sammlung Matthias Gleisner
Da von den, auf obiger Fotopostkarte in Stellung gegangenen
Personen wahrscheinlich niemand mehr leben wird, werden wir
wohl nie erfahren, ob es sich um Angestellte des Gerichts
handelte.
Die <= 1940 halte ich nämlich insgeheim für viel zu spät -
"gefühlt Ende 1920er" würde ich behaupten.
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