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Altes Schloß... so steht es auf vier der sechs Ansichtskarten, die heute zur Vorstellung kommen. Was wollte uns der Künstler
damit sagen? Die Abgrenzung zu einem neuen Schloß? Das wüssten wir aber! Ich vermute, dass "alt" im Sinne von "ehemalig" oder "früher"
verwendet wurde. In der Tat waren bei Veröffentlichung dieser Stücke die Zeiten in denen das Gemäuer als Schloss oder besser gesagt: Festung,
genutzt wurde schon eine ganze Weile vorbei.
Die militärische Funktion des Schlosses endete zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Als Sitz des Rent- und Polizeiamtes fungierte es bis zum Jahr 1874.
Ab 1879 beherbergen die Mauern das Amtsgericht inklusive eines Gerichtsgefängnisses. 1907 beginnt im kleinen Pulvertürmchen ganz bescheiden die Ära
des Heimatmuseums. 1910 war das Gerichtsgebäude an der Storchenelster fertig gestellt worden und das Amstgericht konnte in dieses umziehen. 1911 beginnt
man mit den Planungen für eine Umnutzung zu Schulzwecken. Das Erdgeschoss des Westflügels sollte dabei dem Heimatmuseum zur Verfügung gestellt werden.
In der Projektierungsphase treten eine Reihe von Problemen zu Tage, die in den baulichen Gegebenheiten lagen: Generell war der bauliche Zustand eher schlecht
und das Platzangebot zu gering für die unterzubringenden Schulklassen. Zudem lag die Grösse der Fensterflächen unter dem Standard, der für Unterrichtsräume
gefordert wurde. 1913 reisst man die Gefängniszellen ab, die sich im Schlosshof befanden. Gleichzeitig wird das zu diesem Zeitpunkt zugemauerte Portal
wieder geöffnet. Parallel zu den Bauarbeiten konnte die Knabenschule bereits einige Räume für den Unterricht nutzen.
Am 15. April 1914 erfolgte die feierliche Eröffnung der nunmehr "Realprogymnasium" genannten Lehranstalt. Mit 158 Schülern im Schuljahr 1914/15 nahm die
Schule den Betrieb auf. Die präkaren Platzverhältnisse bestanden weiterhin. Im Jahresbericht des Realprogymnasiums für das Schuljahr 1914/15 kann man lesen:
Das Fehlen eines Festsaales und die Not an hinreichenden und genügend großen Räumen macht sich infolge des Zudranges immer mehr bemerkbar.
Auch die Turnhalle der Volksschule konnte dem Realprogymnasium am Vormittag nur für die Hälfte der Turnstunden zur Verfügung gestellt werden;
die übrigen Stunden mußten auf den Nachmittag verlegt werden, so daß eine Anzahl auswärtiger Kinder am Turnen nicht teilnehmen konnte. Dazu kommt die
Unannehmlichkeit ungleicher Stundentage zwischen der Volksschule und dem Realprogymnasium. So ist es recht bedauerlich, daß sich der Bau des neuen Gebäudes
in der Gartenstraße um mindestens 1 Jahr verschoben hat. Eine Beschleunigung des Baues ist dringend notwendig unter Hinzufügung einer der Bedeutung
der Anstalt würdigen Aula.
Die Hervorhebungen in obigem Text sind übrigens im Original vorgenommen worden um explizit auf die Misstände aufmerksam zu machen. Bezüglich des avisierten Neubaus
in der Gartenstrasse fehlen mir momentan weitere Informationen. Dass dort keine Schule gebaut wurde, steht ausser Frage.
Wahrscheinlich 1919 wurde mit dem Aufbau des Ostflügels begonnen. Bis dahin war dieser nur einstöckig. Auf den Ansichten sehen wir
schon die zweistöckige Ausprägung. Wann genau die Arbeiten daran, die sich aufgrund Materialmangels in die Länge zogen, genau endeten, kann zumindest mit
Hilfe des Senftenberger Anzeiger nicht nachgewiesen werden. Ekkehard Kandler, dessen Buch Burg, Schloss und Festung Senftenberg ich jedem nur
wärmstens ans Herz legen kann, hatte Zugang zu weiteren Dokumenten, aber auch er mag sich nicht so recht festlegen und schreibt vage von 1920.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Ostflügel ursprünglich (wie der Rest des Gebäudes) auch zweistöckig war. 1837 wurde jedoch das Obergeschoss
wegen Baufälligkeit abgetragen. 1919/20 revidierte man dies also. Dabei wurde aber nicht nur einfach wieder aufgestockt, sondern der gesamte Flügel wurde bis auf
die Kellermauern abgetragen und beide Geschosse neu aufgemauert. 1920 gab es Bestrebungen die, durch das Heimatmuseum genutzen Räumlichkeiten des Schlosses im Westflügel
als Unterrichtsräume zu gewinnen. Es folgten leidenschaftliche Appelle von Heimatforschern und Museumsfreunden (z.B. Dr. Rudolf Lehmann) um diese Entwicklung zu stoppen.
Ob dies gelang, konnte ich bislang noch nicht sicher nachweisen, da sich die Spur in der lokalen Presse diesbezüglich etwas verliert.
Spätestens 1932, mit dem Umzug des Schulbetriebs in die neue Rathenau- (später Hindenburg-) Schule, hatte sich das Bangen der Museumsfreunde erledigt. In jenem
Jahr änderte sich die Funktion des Schlosses hin zur grossflächigen Nutzung als Heimatmuseum. Im Zuge dessen erfolgten einige Umbauten im Gebäude selbst und an den
Aussenanlagen. So wurde zum Beispiel die Rampe, die zum Schlossportal hinauf führte, abgetragen und durch eine halbkreisförmige Treppe ersetzt. Letztere sehen
wir auf keiner der heute vorgestellten Ansichtskarten. Stattdessen ist überall besagte Rampe zu erkennen.
Photogr. u. Verlag Fr.Kachel, Senftenberg, N.-L., Tel. 466. Groß-Räschen, N.-L. Tel.65 P8640 24 Aufnahme <= 1924 Sammlung Ekkehard Kandler
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Photogr. u. Verlag Fr.Kachel, Senftenberg, N.-L., Tel. 466. Groß-Räschen, N.-L. Tel.65 P8641 24 Aufnahme <= 1924 Sammlung Ekkehard Kandler
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Gebr. Grubann, Senftenberg, N.L. Echte Photographie 8299 Aufnahme <= 1928 Sammlung Ekkehard Kandler
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Verlag Erich Krause, Papierhandlung, Senftenberg N.-L. Echte Photographie 8300 Aufnahme <= 1928 Sammlung Erika Fischer
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Verlag Erich Krause, Papierhandlung, Senftenberg, N.-L., Markt 9 Echte Photographie Stengel 62719 Aufnahme <= 1931 Sammlung Norbert Jurk
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A. Geissler, Papierhdlg. Senftenberg Echte Photographie 13276 Aufnahme <= 1932 Sammlung Ekkehard Kandler
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Zu den Ansichtskarten selbst: Ich gebe es offen zu, ich bin kein Fan dieser Ansichten. Dazu sind sie einfach zu monoton und leblos. Und dann noch in so geballter
Form! Ich würde ja gerne sagen, dass wir es damit hinter uns haben aber es existieren dummerweise noch weitere Motive dieser Art, deren ich aber noch nicht habhaft
werden konnte. Da kommt also ggf. noch etwas auf uns zu! Die beiden oberen Stücke bilden noch den besseren Teil des Konvoluts. Vielleicht durch den Handwagen, den wir auf
beiden Exemplaren ausmachen können, ist noch so etwas wie Leben in der Szenerie. Alle Stücke stammen höchstwahrscheinlich aus den 1920er Jahren, auch wenn die unteren Motive
derzeitig noch auf den Anfang der 1930er datiert werden.
Immerhin konnte ich durch die Beschäftigung mit der Thematik drei Ansichtskarten (siehe unten) über das Motiv bzw. die Seriennummer weiter nach vorn datieren.
Das ist ja auch nicht ganz unwichtig, wie uns das nachfolgende Faksimile aus der Lausitzer Rundschau vom Dezember 1982 beweist. Aber solche Fehler passieren
auch heute und trotz www.gruss-aus-senftenberg.de immer noch...
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