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Fliegeraufnahmen oder anders ausgedrückt: Luftbilder sind heute eine feste Größe im Ansichtskartengeschäft. Sehr gerne wird auf Schrägaufnahmen aus vergleichsweise
geringer Höhe zurückgegriffen, um die Ausdehnungen eines Ortes und dessen Einbettung in die Landschaft zu illustrieren. Dies kommt vielfach auch dann zum Einsatz wenn
es generell einen Mangel an anderen vorzeigewürdigen städtebaulichen Errungenschaft gibt.
Obwohl heutzutage nicht mehr wegzudenken und durch digitale Dienste wie GoogleMaps zu einem unverzichtbaren Werkzeug unseres Alltags entwickelt, startete die Verwendung
von Luftbildern vergleichsweise spät in der Geschichte der Ansichtskarte. Zumindest für Senftenberg können wir konstatieren, dass die Mehrzahl der (klassischen)
Luftbilder-Ansichtskarten Ende der 1920er bis Mitte der 1930er auf den Markt kamen.
Dabei begann die Entwicklung der Luftbildfotografie schon 70 Jahre zuvor!
Man schrieb das Jahr 1858, als dem französischen Künstler Gaspar Félix Tournachon (1820-1910; genannt Nadar)
die Aufnahme der ersten Luftbilder von einem Ballon aus glückte. Er war davon überzeugt, seine Ballonbilder
zur topographischen Aufnahme einsetzen zu können, und wollte in wenigen Monaten eine Karte von ganz Frankreich
anfertigen: “Ein sicherer gefesselter Ballon und ein guter photographischer Apparat, das ist alles, was ich
brauche, um jede kleinere oder größere Erdfläche genauer aufzunehmen und zu vermessen, als es mittels Triangulation,
Graphometer und Meßkette geschehen kann.” Für die damalige Zeit war dies freilich eine utopische Vorstellung,
und Nadar mußte viel Spott einstecken, der u.a. zu der bekannten Karikatur von Honoré Daumier (siehe rechts)
führte. Aber er hatte schon klar erkannt, daß die photographischen Bilder “aus der Vogelschau” eine Fülle von
topographisch wertvollen Informationen vermitteln und daß es aufgrund der geometrischen Zusammenhänge zwischen
Bild und Gelände grundsätzlich möglich sein muß, aus Luftbildern topographische Karten abzuleiten.
An eine systematische Luftbildaufnahme, wie sie jede topographische Anwendung zwangsläufig erfordert, konnte
freilich noch lange nicht gedacht werden. Vom Ballon aus aufgenommene Luftbilder blieben – zumal bei der damaligen
Unvollkommenheit der Aufnahmetechnik – mehr oder weniger Zufallsprodukte.
Man war sich aber dessen bewußt, daß die Aufnahme aus der Luft viel günstigere Bedingungen und große Vorteile auch
in flachem Gelände ergeben würde. Deshalb wurden immer wieder Anstrengungen unternommen, Luftbilder von Ballons
oder von Drachen aus aufzunehmen.
Die ältesten bekannten deutschen Luftbilder stammen aus dem Jahre 1886, als Hugo vom Hagen (1856–1913), Leutnant
bei der Berliner Luftschiffer-Abteilung, mit dem Fotografieren aus dem Korb von Fessel- und Freiballons experimentierte.
Die weitere Entwicklung wurde stark von den sich verbessernden Techniken befeuert, trieb aber auch einige aus heutiger
Sicht kuriose Blüten.
So experimentierte Arthur Batut in den 1880er Jahren mit Fotografie von Drachen aus. Viele andere folgten ihm, und 1896
machte William Abner Eddy mit dieser Technik gute Aufnahmen. Amedee Denisse rüstete 1888 eine Rakete mit Kamera und Fallschirm
aus, und Alfred Nobel betrieb 1897 ebenfalls Raketenfotografie. Ab 1900 konstruierte Alfred Maul in Dresden eine Rakete
mit eingebauter Kamera, die nach ihrem Start einige Luftaufnahmen machen konnte, wobei die Kamera über einen Zeitzünder
mit Zündschnur ausgelöst wurde und an einem Fallschirm zur Erde zurückkehrte.
Gleichzeitig entwickelte der Kronberger Apotheker Julius Neubronner eine ganz besondere Methode: Er versah Brieftauben mit einem
speziellen Geschirr, an welchem leichte und zeitgesteuerte Miniaturkameras befestigt waren. Dass die so angefertigten
Aufnahmen in Qualität und Motivauswahl oftmals nicht recht planbar waren, leuchtet jedem ein.
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Nichtsdestotrotz sollte die Idee mit den Brieftauben noch für einige Jahre nicht in der Versenkung verschwinden. Grund hierfür war die grundsätzlichen Einsatzmöglichkeiten
in Kriegen. Die Luftaufklärung war bis dato nämlich auf Ballons, Drachen oder Raketen angewiesen. Die Verwendung von Flugzeugen wurde zwar mit dem erfolgreichen Flug der
Gebrüder Wright 1903 eingeleitet. Es sollte jedoch noch einge Zeit ins Land gehen, bis die Fliegerei technisch auf relativ sicheren Füßen stand, so dass man Flugzeuge auch
bei militärischen Konflikten erfolgreich einsetzen konnte.
Wir können sicher sein, dass bei den heute vorgestellten sechs Luftaufnahmen von Senftenberg keine Brieftauben im Spiel waren. Stattdessen dürften alle mit Hilfe von
Flugzeugen angefertigt worden sein. Bei der ersten Fotografie bin ich mir jedoch nicht ganz sicher, ob hier nicht ein Ballon zum Einsatz kam. Immerhin handelt es
sich um die bislang früheste Luftaufnahme von Senftenberg, die ich ermitteln konnte. Das Foto hat in den Randbereichen materialtechnisch einige Defizite aber ich denke,
wir brauchen nicht darauf warten, dass irgendwann ein besser erhaltenes Exemplar hereinflattert. Und wenn, dann kann ich das dann immer noch austauschen...
Das Foto trägt rückseitige keine Vermerke oder Hinweise
auf ein Jahr und dennoch können wir sicher sagen, dass
die Aufnahme spätestens 1919 gemacht wurde.
Anhaltspunkt ist das Schloss...
Wir können erkennen, dass der Ostflügel noch die eingeschossige
Ausprägung besitzt. 1919 wurde dieser Flügel abgetragen
und neu aufgemauert. Diesmal jedoch zweistöckig.
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Aufnahme <= 1919 Museen OSL
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Die weiter unten folgenden professionellen Ansichtskarten
mit "Senftenberg aus der Luft", stammen hingegen aus späteren
Jahren. Auch wenn ich diese zum Teil in die 1940er datieren
muss, da bessere Informationen bislang fehlen, gehe ich
fest davon aus, dass alle vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
entstanden.
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Hansa-Nr. 25915 Freigeg. d. RLM. Aero-Bild-Verlag Leipzig C1 Gebr. Grubauer, Buchdruckerei, Senftenberg, N.-L. 68494 Aufnahme <= 1930 Sammlung Matthias Gleisner
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Böhm-Nr. 1055 Freigeg. d. RLM. Aero-Bild-Verlag, Leipzig C1 W. Waldschmidt, Senftenberg / N.-L. 68492 Aufnahme <= 1941 Sammlung Norbert Jurk
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Hansa-Nr. 34618 Freigeg. d. RLM. Aero-Bild-Verlag Leipzig C1 Gebr. Grubauer, Buchdruckerei, Senftenberg, N.-L. Echt Foto 5809 68496 Aufnahme <= 1941 Sammlung Norbert Jurk
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Einige Anmerkungen zu den "Verlegerangaben"...
Wenn man liest "Freigeg. d. RLM", dann bedeutet dies,
dass das Foto durch das Reichsluftfahrtministerium
genehmigt war. Diese Verfahrensweise hatte bis 1945
Bestand. Das 1933 ins Leben gerufene Ministerium
war jedoch primär nicht für die Freigabe von Luftbildern
zuständig sondern kümmerte sich vorrangig um den Aufbau
der Deutschen Luftwaffe. Damit kassierten die
Nationalsozialisten die Bestimmung des Versailler Vertrages
ein, nach der Deutschland keine Luftwaffe besitzen durfte.
Weitere Verbote folgten... U-Boote, schwere Artillerie,
Beschränkung der Marine auf 15000 Mann... Wohin das letztlich
führte, ist allgemein bekannt. |
Kunstverlag Reinhard Rothe (F. Mühlbach), Meißen / R 31196 Echte Photographie No. 1601 Junkers-Luftbild No. 34615 Aufnahme <= 1945 Sammlung Norbert Jurk
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Gebrüder Grubauer...
gab es in Senftenberg nicht! Es gab die Gebrüder Grubann
(Buchdruckerei, Senftenberger Anzeiger) und die Gebrüder
Gebauer (Brennerei und Likörfabrik).
Der Schriftsetzer machte daraus Gebrüder Grubauer... mglw.
eine Falschinterpretation des (handschriftlichen) Auftrags.
Da ist entlang der Auftragskette wohl irgend etwas schief
gelaufen.
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Apropos "schief gelaufen!" : Den diesbezüglichen Vogel schiesst
das letzte Ansichtskartenexemplar für heute ab!
Falls jemand Probleme mit der Aufnahme hat... keine Angst,
das geht jedem Senftenberger so! Einem Auswärtigen fällt das
möglicherweise nicht einmal auf. Versucht sich ein "Eingeborener"
auf der Ansicht zu orientieren, merkt er relativ schnell, dass
hier etwas nicht stimmen kann...
Ganz einfach. Das Bild ist horizontal gespiegelt!
Glücklicherweise verfügen wir aber auch über die korrekte
Fassung und müssen somit nicht digital eingreifen, was mich
in der Tat vor einige Probleme gestellt hätte, denn die Aufschrift
ist ja nicht mitgespiegelt worden.
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Hansa-Luftbild Nr. 30367/4129 Freig. d. RLM. Aero-Bild-Verlag Leipzig C1 Gebr. Grubann, Buchdruckerei, Senftenberg, N.-L. u. Ruhland, Fernruf 510 10061 Aufnahme <= 1932 Sammlung Fred Förster
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