Hätte ich nicht gedacht! Es ist tatsächlich schon wieder fast zwei Jahre her, daß ich hier den
Tierpark Senftenberg etwas intensiver beleuchtet habe. Mittlerweile habe ich weitere Ansichtskarten bzw. Fotos aus dieser Ecke
angesammelt und möglicherweise ist das heute der Schlusspunkt unter dem Thema... ich kann bzw. möchte mir nicht vorstellen, daß
noch weitere Stillleben mit Rehen, Hirschen oder Enten existieren. Ausschließen kann ich es jedoch nicht.
Da es unter Umständen zu keinen Fortsetzungen mehr kommt habe ich so ziemlich alles Bildmaterial zusammengetragen, welches neben den
klassischen Ansichtskarten veröffentlicht wurde, insofern es den Zeitraum bis 1945 abdeckt und ich dessen habhaft werden konnte. Und
da gibt es verhältnismäßig viel, denn der Tierpark wurde in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre als so ziemlich einzige Attraktion
Senftenbergs vermarktet. Sowohl die Bürger der Stadt, wie auch Auswärtige wurden einerseits durch den Senftenberger Anzeiger,
andererseits durch diverse Publikationen der Sparte "Fremdenverkehr" (Wanderratgeber, Werbebroschüren) aber auch in den vier Heimatbüchern
"Der Kreis Calau" (1937-1940) immer wieder auf die Annehmlichkeiten und Reize der Anlage hingewiesen.
Welche Bedeutung man dem Senftenberger Tierpark in den 1930er Jahren beimaß, läßt sich daran erkennen, daß ein Drittel der knapp
einminütigen Senftenberg-Sequenz im Heimatfilm Land unter Pflug und Bagger dieser Einrichtung eingeräumt
wurde.
Wenn wir einmal ehrlich sind, so hatte Senftenberg bis vor einigen Jahren auch wirklich nicht viel mehr für den auswärtigen Besucher
zu bieten. Und heutzutage fällt es schwer, mit so einem kleinen Tierbestand das Publikum (immer wieder) anzulocken. Die Tierparks in Cottbus
und Hoyerswerda, beide erst in den 1950ern entstanden, liegen in kurzer Distanz und Senftenberg hat das diesbezügliche Alleinstellungsmerkmal
längst verloren.
Das stellte sich von Juni 1931 bis einige Jahre nach dem 2. Weltkrieg völlig anders dar, als der Senftenberger Tierpark, wie schon
angedeutet, der einzige in einem weiteren Umkreis war. Im Jahrbuch "Der Kreis Calau" von 1937 liest sich die Lobeshymne im typischen Duktus
jener Zeit wie folgt:
Der Senftenberger Tierpark.
Von Lehrer Karl Göpfert, Senftenberg.
Tiere sind Bilder des Lebens. Je mehr der große Schlichthobel
über die Welt hingeht, desto flacher wird sie, auf Kosten der
Höhen. Immer mehr verfällt die Schönheit unserer Heimat dem
Ruß und Rauch der hohen Schlote. Immer seltener, in immer
weitere Fernen werden die von den Plagen und Leiden der
Zivilisation unberührten Gebiete gerückt. Doch als naturnotwendige
Gegenwehr gegen diese Verödung und die alle Schönheit tötende
Vergröberung unseres Lebens setzt immer leidenschaftlicher
auch die Forderung nach dem Schutze der Heimat ein.
Aus diesen Gedanken heraus reifte wohl auch vor Jahren der
Entschluß der Senftenberger Stadtverwaltung, für das umliegende
Industriegebiet einen Tierpark zu schaffen. Die bodenfressenden
Bagger durchwühlen unsere Umgebung und verändern nicht zum
Vorteil das Landschaftsgepräge früherer Jahre.
Aus kleinen Anfängen heraus ist unser Tierpark entstanden.
Nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten und Ueberstehen der
Kinderkrankheiten hat sich die Einrichtung siegreich durchgerungen.
So wird der Tierpark mehr und mehr ein Anziehungspunkt sowohl
für die einheimische Bevölkerung als auch für die die Stadt
besuchenden Fremden werden. Es ist wiederholt beobachtet worden,
wie gerade Besucher aus größeren Städten, wie Berlin, Leipzig,
Dresden und anderen Städten sich ganz besonders lobend über
die Einrichtung und die gehaltenen Tiere ausgesprochen haben.
Sie stellten Betrachtungen über die Zoos ihrer Städte mit
unserem Tierpark an und fanden nur Worte des Erstaunens und
höchster Anerkennung über das, was sie hier gesehen haben.
Großstädte müssen notgedrungen ihre Tiere in den Zoos meistens
in verhältnismäßig kleinen Gehegen unterbringen. Für Klein- und
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Mittelstädte, die nicht so sehr mit Raum und Fläche zu rechnen
haben, sind Tierparks das Gegebene. Senftenberg ist in der
glücklichen Lage, anschließend an den schönen Schloßpark ein
Gelände zu besitzen, das allen Anforderungen zur Anlage eines
Parks genügt. Aus dem sumpfigen Vorlande der Sornoer Elster
ist durch sachgemäße Auffüllung und durch dem Auge wohltuende
Grünflächen mit jüngerem und älterem Baumbestande eine Stätte
geschaffen worden, die der Stadt zum Schmuck gereicht und zum
angenehmen Aufenthalt einladet. Sie verdient es, von allen, die
noch Liebe zur Natur und zu Tieren haben, fleißig besucht zu
werden. Die stetig wachsende Besucherzahl zeigt die Notwendigkeit
einer solchen Einrichtung. Die an der Grenze des Parkes
vorbeiziehende Elster spendet das unentbehrliche Wasser für
die Anlage und die Haltung der Tiere und ist somit eine wichtige
Lebensader für das Fortbestehen des Tierparkes.
Nach einem festen, einheitlichen Bauplan erfährt das Gelände
nach und nach seinen weiteren Ausbau und seine Vollendung.
Senftenberg, im Zentrum des an Naturschönheiten und Waldtieren
so armen Industriebezirk gelegen, kann den Anspruch erheben,
einen Tiergarten geschaffen zu haben, der für alle Schichten der
Bevölkerung zum Segen gereicht.
Unseren Kindern wird die Möglichkeit gegeben, Säugetiere und
Vögel in ihrer Eigenart und Formenschönheit kennen zu lernen.
Schulklassen von nah und fern besuchen den Park. Die Tierliebe
der Bevölkerung wird geweckt und gefördert. Außerdem aber ist der
Tierpark eine Erholungsstätte zur Entspannung der Nerven für
alle Industriebewohner.
Neuerdings finden wir in vielen großen Krankenhäusern bescheidene
Tierparks, weil von den Aerzten einwandfrei festgestellt wurde,
daß diese
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Senftenberg NL. Tierpark "Fasanerie" Druck und Klischee von Albert Heine K.-G., Cottbus Aufnahme <= 1937 Museen OSL
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Senftenberg NL. Tierpark "Zierteich" Druck und Klischee von Albert Heine K.-G., Cottbus Aufnahme <= 19?? Museen OSL
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kleinen Zoos außerordentlich aufmunternd auf die kranken Menschen
wirken. Sie lassen sie ihre Leiden vergessen und wirken außerordentlich
wohltuend und entspannend auf die Nerven.
Für den eiligen Besucher bietet der Tierpark von Senftenberg ein buntes
Bild, ein kleines unvergeßliches Erlebnis. Im großen Vogelkäfig schwirren
Wellensittiche in allen Farben durcheinander, dazwischen sehen wir einige
Waldvögel unserer Heimat, Gold- und Silberfasanen, Nilgänse. Links vom
Eingang folgen die Fasanenvolieren mit Wildtaubenarten, siamesischen
und japanischen Seidenhähnen, Zwerghühnern und Eichhörnchen. Anschließend
folgt ein moderner Affenkäfig, der mit Rhesusaffen besetzt ist. Weiter
treffen wir auf unserer Wanderung durch den Tierpark auf brasilianische
Urwaldschweine, europäische Wildschweine, Rothirsche, Damwild, Esel,
Karakulschafe, Heidschnucken, abessinische Langohrziegen, Sumpfbiber,
Waschbären usw. Auf den Teichen und Inseln und auf den Wiesen tummeln
sich im bunten Gemisch Nilgänse, japanische Höckergänse, australische
Rostgänse, kanadische Gänse, Smaragdenten, brasilianische Warzenenten,
indische Laufenten, japanische Zwergenten und Flugenten. Ein Storch
stolziert durch das Gelände. Prächtige Pfauen schlagen ihr Rad, Perlhühner
und Fasane folgen dem Besucher auf Schritt und Tritt. Enten tauchen,
fliegen weg, kehren wieder zurück und drängen sich zutraulich an den
Besucher. Ein kleines Erlebnis nimmt jeder mit, der den Tierpark
besucht, denn alle Tiere sind zahm und sehen in dem Menschen ihren
besten Freund. Die Tiere wirken erzieherisch auf alt und jung, denn sie
werben durch ihr Zutrauen für ihre Art in der freien Natur, die scheu
und heimlich ist und im Menschen ihren größten Feind erblicken. Sie
erinnern die Menschen daran, daß diese armen Tiere
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der Freiheit besonders in den bitter kalten Wintertagen oft große
Not zu erleiden haben und kleine Futtergaben oft bitternötig brauchen.
Die Tiere im Tierpark zeigen durch ihre Schönheit und Artverschiedenheit
ein Stück der gewaltigen Gottesnatur und zwingen den Menschen gerade
in unserer Industriegegend immer wieder zum Nachdenken über die
Gewalten, die um uns und über uns sind, die, wie all das Schöne,
auch uns betreuen.
So finden die Alten und Jungen beim beschaulichen, nachdenkenden
Gang durch den Park Anregung, Zerstreuung und Gesundung an Körper
und Geist. Sie lernen die Tiere in ihrer Art lieben, werden
naturverbundener, freier und froher. Manch einem ist die Wanderung
durch den Tierpark ein Gottesdienst in seinem Empfinden und Fühlen,
denn er fühlt sich bei den Tieren ganz nahe der ungeheuren Schöpferkraft.
Dieses Besinnen und gesammelte Empfinden kann die hastende, ratternde
und staubige Industriegegend in weitem Umkreis nicht wecken.
Der Tierpark wirkt schließlich auch noch erzieherisch für den
Tierschutzgedanken und hilft so dem großen Werk der selbstlosen
Tierschutzorganisationen. Unseren Singvögeln soll durch Anlage von
Vogelschutzgehölzen Heim und Schutz im Park geboten werden. Als
Ideal schwebt den Betreuern des Parkes, die über das Wohlergehen
der Tiere wachen, noch ein Tierasyl vor, wie es jeder Stadt nur
dringend anempfohlen werden kann.
Es liegt also noch manche Arbeit vor uns. Im Vertrauen auf den
gesunden Sinn unserer Bevölkerung und die tatkräftige Unterstützung
aller interessierten Kreise wird an der Verwirklichung der gesteckten
Ziele weitergearbeitet - zum Nutzen für unsere Mitmenschen und zum
Segen für unsere gefährdete Tierwelt.
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Senftenberg NL. Tierpark "Pony-Gespann" Druck und Klischee von Albert Heine K.-G., Cottbus Aufnahme <= 19?? Museen OSL
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Mühlbach's Postkarte, Verlag Reinhard Rothe, Meissen. R5353 Echte Photographie Nr. 1754 Aufnahme <= 19?? Museen OSL
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private Schnappschüsse von
einem Tierparkbesuch Mai 1941
(Sammlung Matthias Gleisner)
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Aufnahme <= 19?? Museen OSL
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Die Datierung aller heute vorgestellten Ansichtskarten und des einen Fotos gestaltet sich insgesamt schwierig. Lediglich eine der Karten
lässt sich auf <= 1937 festlegen, da die darauf befindliche Abbildung auch im Buch "Der Kreis Calau" (1937) verwendet wurde. Dort jedoch
spiegelverkehrt. Die zwei folgenden Exemplare gehören zusammen mit der ersten zu einer Art Serie, die sich jedoch nicht auf Tierpark-Ansichten
beschränkt. Mir liegen drei weitere Motive vor, die Innenansichten des Heimatmuseums präsentieren. Alle Karten dieser Serie haben das
heute noch gültige Postkartenformat, sind also etwas größer als der überwiegende Teil der Ansichtskarten, mit denen ich mich sonst so
beschäftige. Zudem sind sie vom Material her wesentlich leichter und biegsamer und dadurch nicht so wirklich für den Postversand geeignet.
Möglicherweise ein Grund dafür, dass keines der mir vorliegenden Exemplare postalisch gelaufen ist.
Ich könnte mir gut vorstellen, daß es sich um Bestandteile einer kleinen Sammelmappe handelt, die man damals im Heimatmuseum und dem Tierpark
käuflich erwerben konnte. Beweisen kann ich dies bislang jedoch nicht.
Aus dem einzigen halbwegs datierbaren Stück gleich auf die ganze Serie zu schliessen wäre auch zu schnell geschossen. Das Motiv mit der Pony-Kutsche
kann nämlich erst 1938 gemacht worden sein. Ende April dieses Jahres meldete der Senftenberger Anzeiger:
...
Neu eingeführt, fand das Fahren mit der Ponykutsche für unsere Kleinen großen Anklang bei jung und alt. ... Ein kleines Karussell diente
weiter zur Freude der Kleinen. Ponyreiten und -fahren, welche Lust für unsere Kinder! Daher soll jetzt täglich von 15 bis 19 Uhr das Gefährt
den kleinen Fahrgästen gegen geringes Entgelt zur Verfügung stehen. Daß die Ponys am Sonnabend einen Ruhetag haben müssen, um sich den
verstärkten Ansprüchen am Sonntag widmen zu können, wird der kleinen Kundschaft wohl einleuchten, ganz abgesehen davon, daß alles für den
Sonntag gründlich reine gemacht werden muß.
Während die zeitliche Bestimmung des Damwildes auf Ansichtskarte Nummer 4 relativ uninteressant ist, muß ich bezüglich der Datierung des
Fotos, welches aus einiger Entfernung das geschwungene Portal des Tierparks zeigt, leider immer noch die Waffen strecken. Bislang ist es mir
nicht gelungen, belastbare Informationen darüber zu finden, wann dieses Portal errichtet wurde. Die, von Isolde Rösler gemachte Aussage,
daß das halbrunde Fachwerkhaus mit Walmdach seit 1931 der Eingang zum Heimattierpark war zweifele ich bis auf Weiteres an. Die Anfänge
des Tierparks waren nämlich äußerst primitiv - man verwendete als Baumaterial Holz welches beim Ausholzen des alten Parks angefallen war. Es
ist daher schwer vorstellbar, dass dieses solide und schöne Entree bereits von Anbeginn an Ort und Stelle gestanden haben soll.
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