Ich finde die Aufnahme deswegen interessant, weil man hier sehen kann, daß
das Haus Bahnhofstraße Nr.15, welches vor Kriegsende noch so (siehe rechts)
aussah, möglicherweise durch Beschuß derart zerstört wurde, daß es abgerissen
werden mußte. Vom Nachfolgebau ist auf der Ansichtskarte weit und breit nichts
zu sehen. Dafür die Reste des Erdgeschosses.
In besagter Nr.15 befand sich die Senftenberger Volksbank. Das Haus hatte schon
1931 eine signifikante Veränderung der Außenhülle erfahren, nachdem das Haus
an die Senftenberger Vereinsbank verkauft worden war. Ich berichtete hier davon.
Oje jetzt bin ich von Post über Karich bei der Volksbank gelandet. Wie komme
ich nun wieder zurück zum Thema? Vielleicht mit einem Bericht des Senftenberger
Anzeigers, in welchem unter der Überschrift Untreue bei der Post
über kriminelle Machenschaften bei der Senftenberger Post geschrieben wurde,
was sowohl mit der Funktion des Postamtes als auch einer Bank (Anlegen des
ergaunerten Geldes) zu tun hat:
Umfangreiche Veruntreuungen eines Postbeamten aufgeklärt.
Der Dieb im Polizeigewahrsam.
Senftenberg, 12. März 1930
Gestern wurde der bei dem hiesigen Postamt tätige Postschaffner Hermann Tulle
festgenommen. Tulle stand in dem dringenden Verdacht, Paketdiebstähle verübt zu
haben. Nach anfänglichem Leugnen legte er schließlich unter dem Druck der Beweise
ein Geständnis ab. Nach den bisherigen Ermittlungen fielen Tulle 7 Pakete mit
Tabakwaren und ein Paket Strickwolle in die Hände. Ein Mithelfer, der frühere
Tabakwarenhändler und Postaushelfer Zö. von hier hat bei seiner der Festnahme
vorangegangenen Vernehmung ausgesagt, von Tulle verschiedentlich Tabakwaren, in
einem Falle auch Wolle gekauft zu haben. Tulle hat die Pakete während des Bahnhofsdienstes
verschwinden lassen und in abgestellten Postwagen verborgen. Nach Dienstschluß
hat er die Pakete dann mit in seine Wohnung genommen. Das hiesige Postamt kann
über die Zahl der gestohlenen Pakete noch keine endgültige Auskunft geben.
Vermutlich wird sich die Zahl noch erhöhen. Tulle wurde dem Amstgerichtsgefängnis
zugeführt. Er galt als fleißiger und tüchtiger Beamter. Unverständlich ist, daß
die Veruntreuungen nicht eher entdeckt worden sind.
Hierzu erfahren wir noch folgende Einzelheiten: Von dem Leiter des hiesigen Postamtes
wurde am 11.März bei der hiesigen Kriminalpolizei Anzeige erstattet, daß seit
einiger Zeit beim hiesigen Postamte Pakete auf unerklärliche Art und Weise
verschwinden. Es wurde Diebstahl vermutet und zunächst Anzeige gegen Unbekannt
erstattet. Der Verdacht richtete sich schließlich gegen den Postschaffner Herrmann
Tulle, der mit dem früheren Tabakhändler und Postaushelfer Zö. von hier
Beziehungen unterhielt. Der Verdacht verdichtete sich als ein an Zö. gerichtetes
Paket im Interesse der Aufklärung amtlich geöffnet wurde. Der Inhalt des Paketes
und ein an Zö. gerichteter Brief ließ gewisse Zusammenhänge mit den Paketdiebstählen
erkennen.
Eine Durchsuchung bei Zö. förderte mehrere Lagen roter Strickwolle zu Tage.
Nach der Herkunft der Wolle gefragt, erklärte Zö., die Wolle und vielfach auch Tabakwaren
von dem Postschaffner Tulle gekauft zu haben. Einen Teil der Zigaretten hat Zö.
in seinem früher betriebenen Tabakwarengeschäft in der Kaiser-Friedrich-Straße
verkauft, zum Teil hat er sie in Bekannten- und Verwandtenkreisen später unter
der Hand abgegeben. Die Aussagen Zö.s führten zur Festnahme Tulles, der sich gerade
im Dienst befand. Tulle gestand schließlich, verschiedene Diebstähle ausgeführt zu
haben, so ein Paket mit drei Kilogramm Strickwolle, das an die Firma N.Klein hier
addressiert war und eine größere Sendung Zigaretten für eine hiesige Tabakwaren-
und Weinhandlung.
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Eine Durchsuchung der Wohnung Tulles förderte noch
1700 Zigaretten, 300 Zigarren und drei Kilogramm Strickwolle
zutage. Tulle hat die Diebstähle ohne große Schiwerigkeiten
ausgeführt. Auf dem Transport der hier eingehenden Paketsendungen
vom Eisenbahnpostwagen zum Paketauto der Post hat er die
Sendungen, in denen er gangbare und wertvolle Waren vermutete,
verschwinden lassen. Ohne daß es aufgefallen war, versteckte er
die Sendungen in dem im Bahnhofstunnel abgestellten Pakethandkarren.
Nach Dienstschluß setzte er sich in den Besitz der Pakete und
nahm in seiner Wohnung den Vertrieb der gestohlenen Waren an Zö.
und andere Abnehmer, unter anderem an einen hiesigen Kaufmann,
vor, bis ihm gestern das Handwerk gelegt wurde. Weitere Ermittlungen
über den Umfang und die Zahl der Diebstähle, die mehrere Jahre
zurückliegen, sind noch im Gange.
Bei dem im Text mit Zö. mehr schlecht als recht anonymisierten
Komplizen Tulles handelte es sich um Herrn Fritz Zöfelt, der bereits
in der nächsten Ausgabe des Senftenberger Anzeiger sämtlichen
Anschuldigungen in die Sache verwickelt gewesen zu sein, widersprach.
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