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Bisweilen, nach stuuuuuundenlanger "Pixelei", frage ich mich selbst, wofür ich mir das
eigentlich alles antue. Wie im heutigen Fall. Das Ausgangsmaterial ist alles andere als gut
erhalten. Während ich bei kommerziellen Ansichtskarten im Fall von "schwierig bis hoffnungslos"
lieber auf das Auftauchen eines weiteren und besser erhaltenen Exemplars warte, kann ich mir
bei Fotopostkarten wie der heutigen, diesen Luxus nicht leisten. Es ist ziemlich unwahrscheinlich,
wenn auch nicht ausgeschlossen, daß irgenwann ein zweites Stück des Weges kommt.
Für das Protokoll: bei vorliegendem Motiv musste ich ein wenig die Ränder beschneiden, weil die
digitale Restauration nicht die gewünschten Ergebnisse erzielte. Der Betrachter wird die fehlenden
Teile nicht vermissen und wer das Original nicht kennt, dem fällt es ohnehin nicht auf.
Und was haben wir nun vor uns liegen? Das einzige sichere ist der Ort der Aufnahme. Das Straßenschild
ist ja nun wahrlich nicht zu übersehen. Was das Ganze darstellt, ist etwas vage. Im ersten Moment
kamen mir Assoziationen von einem Erntedankfest, Stollenreiten oder ähnlichem. Die jungen Frauen in ihren
weißen Kleidern sind mir in einem historischen Senftenberger Film aus 1925 auch schon einmal als "Ehrendamen"
vorgestellt worden. Die Verbindung zu irgendwelchen landwirtschaftlichen Festivitäten wäre auch gar nicht so
weit hergeholt, war doch Jüttendorf mit seinen Scheunen der klassische Standort derjenigen Senftenberger,
die ihren Lebensunterhalt auf den Feldern und in den Wäldern rings um die Stadt verdienten.
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Aufnahme <= 1929 Sammlung Hans Hörenz (Gerda Staude)
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Die Frage nach dem wann beschäftigte mich ungefähr so lange, wie die digitale Aufbereitung an sich. Zunächst war ich guter Dinge, denn wie schon vor 4 Tagen
hätte mir ein an der Wand angebrachtes Wahlplakat helfen können. Die Betonung liegt auf "hätte", denn trotz intensiver Suche konnte ich im Internet keinen Nachweis
finden. Weder in der konkreten Gestaltung noch mit dem verwendeten Spruch Vergeßt ihn nicht, der Preußen schuf, dankt ihm und folget unserm Ruf! gefolgt von
der Aufforderung Wählt deutschnational! (nur unter starker Vergrößerung zu entziffern). Man findet zwar allerhand unterschiedliche Wahlplakate der Deutschnationalen
Volskpartei (DNVP) im Netz, aber das gesuchte ist nicht darunter.
Am nächsten kommt noch das rechts abgebildete Exemplar in Aussage und Gestaltung. Hier wird ebenfalls das Konterfei von Friedrich II verwendet. Leider fehlt hierzu
auch eine konkrete Jahreszahl denn darum geht es ja letztlich. Außerdem ist die Liste der Wahlen in der in Frage kommenden Zeit gut gefüllt...
- Nationalversammlung Januar 1919
- Reichstag Juni 1920
- Reichstag Mai 1924
- Reichstag Dezember 1924
- Reichstag Mai 1928
- Reichstag September 1930
- Reichstag Juli 1932
- Reichstag November 1932
- Reichstag März 1933
- Reichstag November 1933
Für mich sieht es so aus, daß "unser" Wahlplakat schon ein wenig lädiert ist und wir uns zeitlich nach einer Wahl befinden. Ich schließe auch jede Wahl nach
1930 aus. Die Aufnahme wirkt von ihrer Anmutung älter. Insgeheim tippe ich auf 1920. Das leite ich unter anderem aus dem Zustand der Straße ab. Das <= 1929 schlußfolgere
ich aus dem Straßennamen. 1930 gilt allgemein als das Jahr, in dem ihre Umbenennung (die nur drei Jahre anhalten sollte) stattfand. Aber wann genau?
Ich arbeitete in Folge einen ganzen Jahrgang Senftenberger Anzeiger von hinten nach vorn durch und studierte dabei jede Annonce und jeden Verkehrsunfallbericht, um
zu ermitteln, wann die Kaiser-Friedrich-Straße in Friedrich-Ebert-Straße umbenannt wurde. Abgesehen davon, daß in einigen Inseraten auch nach der Umbenennung noch die alte
Bezeichnung Verwendung fand, was zu leichten Irritationen führte, fand ich erstaunlicherweise keine öffentliche Bekanntmachung über den Vollzug des Namenswechsels.
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Obiges Inserat aus dem März bringt uns der Sache etwas näher, wenn auch der genaue Zeitpunkt, an welchem dann auch das Straßenschild ausgetauscht wurde, bis zum heutigen Tage
für mich nicht zu ermitteln ist. Ich kann mir das Stillschweigen in der örtlichen Presse nur so erklären, daß die ganze Umbenennung auf wenig Gegenliebe bei Teilen der Senftenberger
Bevölkerung stieß und man die Angelegenheit irgendwie totschwieg. Das würde auch gut zu der kurzen Notiz im Bericht über die Stadtverordnetensitzung vom 4. Februar 1930
passen, in der es heißt:
Der Antrag der SPD, die Kaiser-Friedrich-Straße in Friedrich-Ebert-Straße umzutaufen, begegnete selbstverständlich lebhaftestem Widerspruche bei den anderen Fraktionen
und wird gegen sieben Stimmen angenommen.
Ich gehe davon aus, daß man trotz widersprüchlicher Auffassungen das Straßenschild zeitnah ersetzte, weshalb die Aufnahme unter Berücksichtigung der Jahreszeit nur vor
1930 gemacht worden sein kann. Auch das dritte Schild im Bunde oben an der Hauswand, welches an sich schon merkwürdig ist, deutet auf die Zeit vor der Eingemeindung
Jüttendorfs im Jahre 1923 hin. Womit wir fast bei dem von mir insgeheim angenommenen 1920 angelangt sind...
Ich bleibe in jedem Fall an der Geschichte dran und werde ggf. Bericht erstatten. Für heute bleibt mir dann nicht viel mehr, als allen Freunden und Unterstützern von
www.gruss-aus-senftenberg.de ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen. Da uns Frau Holle in diesem Jahr einen Strich durch die Rechnung macht, möchte ich es wenigstens hier
digital in Senftenberg schneien lassen...
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Am Sonnabend, 26. Oktober 1935, wurde das Rathaus der Gemeinde Hörlitz gerichtet.
Aus diesem Anlaß begaben sich Bürgermeister Wernicke und der Gemeinderat um 16.30 Uhr
zum Neubau, um oben im neuen Dachstuhl die Fahne der Bewegung zu hissen und den
Richtkranz aufzustecken. Handwerksmeister, Maurer und Zimmerleute waren vollzählig
angetreten. Zunftgemäß wurde die schlichte Feier mit einem Choral eingeleitet. Die
Poliere sagten ihre Sprüche her, dann hielt Bürgermeister Wernicke eine Rede. Er
bat zum Schluß die Arbeitskameraden, die Aufbauarbeit genau so schlicht, einfach und
verbissen zu leisten, wie die Nationalsozialisten das Dritte Reich erobert haben.
Ein Sieg-Heil auf Führer und Vaterland schloß die einfache Feier. Anschließend waren
Gemeinderäte, Handwerker, Bauarbeiter und Bürgermeister zum Richteschmaus noch einige
Stunden kameradschaftlich zusammen.
Mit dem Bau des Rathauses in Hörlitz hat die Gemeinde Hörlitz den ersten Abschnitt
ihres Aufbau- und Arbeitsbeschaffungsprogramms erreicht. Von Oktober 1933 bis Oktober
1935 wurde mit den vorhandenen Mitteln planmäßige Aufbauarbeit geleistet. Die Feuerwehr
wurde neuorganisiert und erhielt zur größeren Schlagfertigkeit eine Magirus-Motorspritze
mit einem Dux-Mannschaftswagen. Auch wurde sie sonst noch mit moderner Ausrüstung
versehen. Dann ging es auf dem Wege der Notstandsarbeit an den Ausbau von vier Straßen
innerhalb des Gemeindebezirks; sie wurden mit bestem Material chaussiert und mit
Bürgersteigen versehen.
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Gleichzeitig mit diesen Straßen wurde die Verbindungsstraße nach Zschipkau ausgebaut.
Die Arbeitsdauer für diese Straßen allein betrug 57 Wochen. Im Jahre 1934 wurden, um die
Wohnungsnot zu lindern, 3 Vierfamilienhäuser gebaut, die mit ihren Vor- und Hausgärten
vorbildliche Wohnstätten für den deutschen Arbeiter sind.
Das Denkmal für die Gefallenen des Weltkrieges wurde eine Schmuckecke für die Gemeinde.
Um die Wehrfähigkeit der deutschen Jugend zu heben, sah sich die Gemeinde veranlaßt,
einen modernen Kleinkaliber-Schießstand zu bauen, der sich freundlich und praktisch
in das Bild der Gemeinde fügt.
Um den Luftschutz besser auszugestalten, gründete der Bürgermeister in diesem Jahr
eine Sanitätskolonne, die mit modernster Ausrüstung versehen wurde; sie kann nun der
Einwohnerschaft im Ernstfall auch wirklich sanitäre Hilfe leisten.
Die Durchführung des gesamten Aufbauprogramms verursachte einen Kostenaufwand von
155 000 RM. Diese Summe wurde jedoch nicht aus Anleihen, sondern aus eigenen Mitteln
aufgebracht. Mit kurzfristigen Schulden ist die Gemeinde überhaupt nicht, mit langfristigen
im Verhältnis zum Gemeindevermögen nur unwesentlich belastet. Aber auch mit der Tilgung
dieser Darlehen ist in den letzen beiden Jahren begonnen worden.
Der Bau des Rathauses, der zugleich vier Wohnungen schafft, soll zugleich anspornen
zu weiterer uneigennütziger Arbeit in der Gemeinde und somit zum Segen für sie und das
gesamte deutsche Vaterland.
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Soweit der Senftenberger Anzeiger im Oktober 1935. Und sieht man einmal vom
schwülstigen Duktus des Artikels ab, erhalten wir hierin einige interessante
Informationen zu Baumaßnahmen in der Gemeinde Hörlitz (Flur), die es uns unter
Umständen leichter machen, das eine oder andere Ansichtskarten- und Fotomotiv
zeitlich einzuordnen.
Wir wissen nunmehr, daß das Richtfest des Rathauses Ende Oktober 1935 stattfand.
Über den Beginn der Bauarbeiten liegt uns derzeit keine Zeitangabe vor.
Ich gehe davon aus, daß man im Frühjahr des selben Jahres mit dem Rohbau begann,
denn in einem ähnlichen Zeitungsartikel aus dem Jahr 1934 ist noch nicht einmal
von einem Plan zu diesem Neubau die Rede.
Die beiden nebenstehenden Abbildungen zeigen besagtes Rathaus nach der Fertigstellung,
wobei das obere Motiv zeitlich vor dem unteren rangiert. Auffällig hieran ist das Fehlen
der beiden Fahnenmasten und der kleinen Grünanlage vor dem Bau.
Leztere fehlte mindestens noch im März 1936, denn zu dieser Zeit berichtete der
Senftenberger Anzeiger über die Vergabe von einer ganzen Reihe von Restarbeiten.
Ausstehend waren neben den Einfriedungsarbeiten auch noch Maler-, Tischler-, Schlosser-
und Schmiedeleistungen. Ebenso wie Glaser- und Fußbodenlegerarbeiten. Man wollte die
Arbeiten bis Mai 1935 abschließen um Anfang Juni die Einweihung des Rathauses zu vollziehen.
Der Juni und auch der Juli gingen ins Land ohne daß weiteres über den Fortschritt an
die Öffentlichkeit gelangte. Erst Anfang August erschien eine winzige Notiz über den
Umzug des Gemeindebüros in das neue Haus. Kein Wort über eine festliche Einweihung!
In diesem Zusammenhang vielleicht auch ganz interessant... Was die äußere Gestalt des
Gebäudes betrifft, liegen mir insgesamt drei unterschiedliche Architektenentwürfe
vor, von denen jedoch keiner das Endergebnis auch nur annähernd repräsentiert!
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Verlag Paul Küster, Sallgast/N.-L. Aufnahme <= 1941 Sammlung Matthias Gleisner
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Auf links abgebildeter Ansichtskarte, deren Motiv wir bereits von einer Mehrbildkarte
(gleicher Hersteller) kennen, erhalten wir einen schönen Blick auf das Rathaus und die
Zschipkauer Straße. Wie man erkennen kann, hatte der eingangs zitierte Artikel, bzgl. des
"besten Materials" und den Bürgersteigen nicht übertrieben...
Der Flachbau links neben dem Rathaus ist übrigens das "Cafe Förster".
Was die zeitliche Bestimmung der Aufnahme betrifft, würde ich persönlich noch ein paar
Jahre abziehen, aber sicher ist das nicht. Ziemlich sicher hingegen ist das Datum der
zweiten Abbildung für heute...
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Aufnahme = 10.04.1938 Heimatverein Hörlitz
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Der Senftenberger Anzeiger im April 1938:
Hörlitz. Der Großdeutsche Tag wurde seiner Bedeutung entsprechend,
in unserem Ort besonders würdig begangen. Ab Mittag stand der Ort
in reichem Flaggenschmuck. Zum Gemeinschaftsempfang war der festlich
geschmückte Saal des Forsthauses Wilop, Hörlitz-Flur, überfüllt.
Unter schneidiger Marschmusik des Spielmannszuges Hörlitz und der
Bergkapelle Marga, fand anschließend der Fackelzug statt. Viele Einwohner
flankierten ihn, andere standen vor ihren mit Lichtern geschmückten
Häusern und brannten bengalisches Feuerwerk ab. Von den Bergen loderten
die Freudenfeuer zur Befreiung Deutsch-Oesterreichs. Um das Kriegerdenkmal
herum bewegte sich der Zug durch die Kreuzstraße zum Westausgang von
Senftenberg 2, wo sich der dortige Fackelzug dem Hörlitzer anschloß.
Am Gemeindeamt wurde durch den neuen Lautverstärker
der Gemeinde, mittels Schallplatten, der "Große Zapfenstreich" gehört.
Nach einer kurzen Pause ging es weiter bis zum Ausgangspunkt. Am Platz
vor dem Forsthaus Wilop angekommen, brachte Stützpunktleiter Pg. Herzing
das Sieg-Heil auf den Führer aus. Nach dem Deutschland- und Horst-Wessellied
löste sich der Fackelzug auf. Der ganze Abend legte Zeugnis ab von einer
mustergültigen Organisation der Parteileitung und wird für den Ort
Hörlitz stets ein großes innerliches Erlebnis bleiben.
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Wenn ich den Text richtig interpretiere, dann paßt die von mir blau markierte
Stelle natürlich nicht hundertprozentig zu der Fotografie. Immerhin ist in dem
Artikel von den Abendstunden des 10. April 1938 die Rede, während wir auf dem
Foto hellerlichten Tag vorfinden. Die an der Hausfront montierten Plakate, sowie
die in Stellung gebrachte "Verstärkeranlage" an einem Fenster der ersten Etage
mit Freiluftverkabelung zu den beiden Lautsprechern
( Stereo! ),
lassen jedoch kaum Zweifel daran, daß wir uns zeitlich genau an jenem Tag in
Hörlitz aufhalten. Ich gehe davon aus, daß man für das Foto mit allem was die
NSDAP-Ortsgruppe an Personal aufzubieten hatte, zweckmäßigerweise die Tagesstunden
ausnutzte und dabei möglicherweise die technische Ausrüstung einer Generalprobe unterzog.
Übrigens stimmte die Bevölkerung in Hörlitz (wie im ganzen Land)
zu 100% für Adolf Hitler und gleichsam für den Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich.
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