Was Unglücke in Braunkohlentagebauen angeht, so wurden von mir in der Vergangenheit die teilweise ausufernden Tagebaubrände mehrfach thematisiert. Doch
nicht nur das Feuer war und ist ein Feind der Bergleute. Auch Wasser macht(e) den Bergbautreibenden in vielerlei Hinsicht Probleme...
So waren die zahllosen Rutschungen in den Tagebauen unseres Reviers zum größten Teil auf zu viel oder zu wenig Wasser zurückzuführen. Rutschungen wie die,
deren Folgen wir auf den folgenden drei Fotopostkarten sehen, traten hauptsächlich im Abraum auf. Sie kamen im gewachsenen Gebirge und mehr noch auf Kippen vor
und führten zu unliebsamen Betriebsstörungen. Nicht nur der ruhige Fortgang der Arbeiten wurde durch sie unterbrochen, sondern es wurde vielfach auch Material an
Gleisen, Wagen, Lokomotiven und Geräten mitgerissen und zerstört. Es waren sogar nicht selten Menschenleben zu beklagen.
Laut Klein'schem "Handbuch für den Deutschen Braunkohlenbergbau" unterscheidet man zwei Hauptarten von Rutschungen: Abbrüche und Ausbrüche (auch Schiebungen genannt).
Abbrüche entstehen, wenn die der Luft ausgesetzte Fläche einer Böschung austrocknet, die bisher feuchten Massenteilchen ihre Kohäsion verlieren und infolgedessen,
der Schwerkraft folgend, abbröckeln. Dies tritt vor allen Dingen an überhöhten Böschungen von Hochbaggerstrossen ein und zwar sowohl bei Eimerketten-, wie auch
bei Löffelbaggern, weshalb es unter Umständen nötig ist, gefährlich überhängende Böschungsteile von oben herunterzustoßen. ... Auch auf Kippen bilden sich Abbrüche,
indem die am oberen rande anfangs steiler liegenden Massen nach unten rollen.
Ein Ausbruch ist dadurch gekennzeichnet, daß eine Böschung zunächst in ihrem unetern Teile Massenverschiebungen erleidet. Diese entstehen dadurch, daß die
hinter dem Böschungsrand liegenden, unter Druckspannung stehenden Gebirgsablagerungen oder Abraummassen den Widerstand der vor ihnen anstehenden Lagerstättenwand oder
des vor sie gekippten Abraums überwinden und sie hinausdrängen. Sebstverständlich stürzen dann auch Massen von oben nach. Bei den Ausbrüchen handelt es sich also um
mittelbare Wirkungen der Schwerkraft, insbesondere dadurch hervorgerufen, daß der Grundwasserspiegel hinter der Böschung ansteigt.
Aufnahme 11.1920 Sammlung Andreas Schild
Erdrutsch am 13.November 1920 - Grube Marga
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Aufnahme <= 19?? Sammlung Hans-Jürgen Tluste
Baggerrutsch Grube Anna-Mathilde
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Aufnahme 05.1922 Sammlung Frank Vogel
Dammrutsch der Eisenbahn Senftbg.-Calau bei Sedlitz in die Grube Anna-Mathilde
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- Grube Marga, 15. November. In der Nacht vom Sonnabend zum
Sonntag ereignete sich hierselbst ein Unglücksfall. Als der
Lokomotivführer Ernst Thomschke nachts 11,30 Uhr mit seinem
vollen Sandzug eine Spülkippe befuhr, kam dieselbe ins
Rutschen, die Maschine mit Zug wurde mit in den Abgrund
gerissen; Thomschke, welcher die Todesfahrt mitmachte, kam
mit einem Schrecken davon. Die Ursache dieser Rutschung
dürfte auf Ansammlung von Grundwasser zurückzuführen sein.
Senftenberger Anzeiger (1920)
Einige der Arbeiter werden sich im Nachhinein gegrämt haben,
daß der Fotograf nicht stärker darauf hinwies, daß er mit einer
sehr langen Belichtungszeit arbeitet.
Die eine oder andere Person rechts muß sich während der Aufnahme
stark bewegt haben. Anders sind die geisterhaften Schemen
und doppelten Köpfe nicht erklärbar.
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- Sedlitz, 1.Mai. (Ostelbisches Braunkohlensyndikat.) Wie wir
von der Verwaltung der Ilse Bergbau-Aktiengesellschaft in
Grube Ilse hören, ist am 1. Mai, morgens, an dem Eisenbahnkörper
der Staatsbahn Lübbenau-Kamenz, der durch den Tagebau des
Werkes Anna-Mathilde führt, infolge ungünstiger Ablagerungen
des Deckgebirges eine Erdrutschung entstanden, die die Eisenbahngeleise
auf etwa 50 Meter unterbrochen hat. Der Personenverkehr wird
durch Umsteigen aufrecht erhalten, während die Güterzüge aus
dem Senftenberger Kohlenrevier, welche für Berlin bestimmt sind,
unter Benutzung der Cottbus-Großenhainer Eisenbahnstrecke über
Cottbus geleitet werden. Unfälle haben sich bei der Rutschung
nicht ereignet. Die Wiederherstellungsarbeiten sind sofort in
Angriff genommen. Es steht zu erwarten, daß der normale Betrieb
der Eisenbahnstrecke in 10-14 Tagen wieder aufgenommen werden
kann. In dem Gruben- und Brikettfabrikbetriebe des Werkes
Anna-Mathilde tritt eine Verminderung der Produktion nicht ein.
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Wie man sehen kann, sind zwei der drei Fotos ziemlich gut zu datieren und darüber hinaus sogar noch
mit Hintergrundberichterstattung aus der damaligen Lokalpresse unterlegbar.
Leider tut uns das mittlere Exemplar diesen Gefallen nicht, da das Original außer der bildseitigen
Beschriftung "Baggerrutsch Grube Anna-Mathilde" (digital von mir entfernt) keine weiterführenden
Angaben enthält.
Ich vermute, daß wir uns, wie in den beiden anderen Fällen, in den 1920er Jahren bewegen. Darüber
hinaus wäre es auch ein Glücksfall wenn der Senftenberger Anzeiger über das Abrutschen von
"Bagger Nr.17" berichtet hätte, denn derartige Dinge passierten damals relativ oft. Und solange
Menschen dabei nicht zu Schaden kamen, war ein solches Ereignis in den meisten Fällen nur eine Randnotiz wert.
Der abgerutschte Abraumzug links war definitiv kein Einzelfall. Spätestens 2 Monate später stürzte
der nächste ab (siehe unten). Mir sind weitere Fotos mit ähnlichen Ansichten aus dem Tagebau Marga
bekannt, die ich jedoch leider bisher nicht im Original auftreiben konnte.
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- Sedlitz, 8.Mai. Nach beinahe achttägiger Unterbrechung
wurde am Sonntag der Verkehr an der Unglücksstelle wieder
aufgenommen. Unter Aufbietung aller zur Verfügung stehender
Kräfte hat die Betriebsverwaltung in der verhältnismäßig kurzen
Zeit den Bahndamm neu geschüttet und so befestigt, daß am
Sonnabend und Sonntag durch Probefahrten mit schweren Lokomotiven
die Verkehrssicherheit garantiert war. Nachdem der 9-Uhr-Personenzug
als erster die Strecke in Richtung Lübbenau befahren hatte,
konnte im Laufe des Tages auch der Verkehr auf dem zweiten Gleise
in Richtung Senftenberg aufgenommen werden.
Senftenberger Anzeiger (1922)
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