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Als ich vor ein paar Wochen historische Motive ankündigte, "die die breite Masse noch nicht zu Gesicht bekommen hat" meinte ich nicht solche, wie ich
sie heute präsentiere. Definitiv nicht! Denn wenn man einmal eine ehrliche Bestandsaufnahme macht, dann wird man wahrscheinlich feststellen, daß die meisten
zu DDR-Zeiten produzierten Ansichtskarten aus Senftenberg mit einer ganz bestimmten Einrichtung der Stadt bestückt waren, nämlich der Bergingenieurschule "Ernst Thälmann.
Ich denke, es gibt mindestens 20 verschiedene Motive, die zumindest Teile der "Ing.-Schule" zeigen und die zwischen 1952 und den späten 1970ern, in denen dann langsam
der Senftenberger See sinnbildlich Oberwasser bekam, entweder als Einzelbildkarte oder als Bestandteil einer Mehrbildkarte unter die Leute gebracht wurden.
Da stellt man sich natürlich sofort die Frage, warum das so war. Aus kommerziellen Gründen hätte das durchaus Sinn gemacht. Immerhin studierten jedes Jahr viele hunderte
Studenten an der Schule, die zu einem großen Teil auch aus anderen Teilen der Republik oder gar aus dem Ausland stammten. Nachrichten in die Heimat sandte man in Ermangelung
von E-Mail oder WhatsApp damals noch via Postkarten. Und wenn man bei dieser Gelegenheit gleich noch einen bildlichen Eindruck von den Umständen des Studiums übermitteln kann - um so besser!
Aber der Kommerz spielte (nicht nur) bei der Ansichtskartenproduktion zu DDR-Zeiten kaum eine Rolle. Der Markt war relativ übersichtlich. Es gab nur einige wenige und darüber
hinaus zumeist staatliche Verlage. Die Produktionen waren im einzelnen auch nicht sehr attraktiv und in der Vergrößerung treten vielfach Mängel zu Tage, bei denen man sich
unwillkürlich fragt, ob die Hersteller überhaupt so etwas wie eine Qualitätskontrolle kannten.
Also alles in allem wenig Konkurrenzdenken und "Schielen auf den Markt". Dennoch kann man davon ausgehen, daß die Bergingenieurschule für viele Jahre das Vorzeigeobjekt Senftenbergs
war. Und das nicht nur in pädagogischer Sicht sondern auch hinsichtlich des Fremdenverkehrs. Besonders letzterem Umstand verdanken wir demnach den vergleichsweise hohen Ausstoß von
Ansichtskarten mit Motiven der Schule.
Doch genug der Vorrede! Nachfolgend habe ich einmal alles versammelt was ich zu dem Thema finden konnte und was in den gesteckten zeitlichen Rahmen fällt. 9 Ansichtskarten und 1 Foto aus
den Jahren 1952 bis 1961. Das meiste dürfte jedem Senftenberger sehr vertraut sein. Falls dem Einen oder Anderen ein Motiv fehlt, fällt dieses wahrscheinlich in spätere Zeiten. Wobei das
natürlich nicht in Stein gemeißelt ist. Einzelne Motive wurden über einen längeren Zeitraum immer wieder erneut aufgelegt und so könnten sich unter Umständen Exemplare, die ich aktuell in
die 1960er/70er einordne, noch als zeitlich früher herausstellen. Wobei die Chance dabei nicht allzu groß ist.
In Folge versuche ich die Zeitschiene, so wie sie sich für mich darstellt, beginnend bei den frühesten Aufnahmen bis zur letzten aus dem Jahr 1961 wiederzugeben.
F.Ribbeck Senftenberg Registrier-Nr. 17 Aufnahme = 1952 Sammlung Erika Fischer
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Zwei Ansichten mit einer fast identischen Sichtachse. Das linke Motiv,
eine Fotografie, rangiert zeitlich vor dem rechten. Es fehlen zum Beispiel
die Sträucher vor dem Gebäude.
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VEB VOLKSKUNSTVERLAG REICHENBACH I.V. Echte Fotografie Liz.-Nr. 172 A 5211/53/DDR Aufnahme = 1953 Sammlung Erika Fischer
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VEB VOLKSKUNSTVERLAG REICHENBACH I.V. V 11/28 A 246/55 DDR 6/198 Foto: Hoffmann, Groß-Gaglow Aufnahme <= 1955 Sammlung Erika Fischer
Bergingenieurschule "Ernst Thälmann" Internat
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Es folgen drei Ansichtskarten (links, rechts, rechts unten), die produktionstechnisch
zusammengehören. Man könnte es "Mini-Serie" nennen. Die Produktionen stammen
aller Wahrscheinlichkeit nach direkt aus dem Jahr 1955, denn erst in jenem Jahr
erhielt die Schule den Namen "Ernst Thälmann", so wie auf den bildabgewandten
Seiten zu lesen ist. Das bedeutet nicht zwangsläufig, daß die Vorlagen auch aus
diesem Jahr stammen müssen. Sie könnten auch schon früher angefertigt worden sein.
Der Spielraum dürfte jedoch sehr eng sein.
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VEB VOLKSKUNSTVERLAG REICHENBACH I.V. III/18/6 A 246/55/DDR 6/276 Foto: Hoffmann, Gr.-Gaglow Aufnahme <= 1955 Sammlung Erika Fischer
Bergingenieurschule "Ernst Thälmann" Kulturraum
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Verlag Felix Setecki, Berlin 6/5 V/II/28 T / 209/56-2000 Aufnahme <= 1955 Sammlung Erika Fischer
Bergingenieurschule "Ernst Thälmann"
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Von zwei unterschiedlichen Verlagen herausgegeben, bringe ich die beiden
Ansichtskarten dennoch in einen engen zeitlichen Zusammenhang. Anhaltspunkt sind dabei die
für mich nicht identifizierbaren baulichen Fragmente in der Nähe der Straße. Diese
findet man auf beiden Motiven, wobei ich die linke Karte zeitlich vor der rechten
eintakte. Links sieht die Baustelle insgesamt etwas unaufgeräumter aus.
Im Zusammenhang mit der linken Ansichtskarte möchte ich auf ein Detail hinweisen:
eine der Fahnen links oben. Ich erkenne dort eine Flagge der Demokratischen Volksrepublik
Nordkorea. Und die hatte tatsächlich ihre Berechtigung an dem Gebäude. Immerhin
wurden ab 1952 an der Schule auch ausländische Studenten, die in erster Linie aus
Nordkorea, Vietnam, aber auch aus Südamerika stammten, innerhalb eines dreijährigen
Direktstudiums ausgebildet.
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VEB VOLKSKUNSTVERLAG REICHENBACH I.V. V 11/28 A 246/55 DDR 6/165 Foto: Hoffmann, Groß-Gaglow Aufnahme <= 1955 Sammlung Erika Fischer
Bergingenieurschule "Ernst Thälmann"
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VEB BILD UND HEIMAT REICHENBACH i.V. 6/529 Echt Foto 1145/59 L 8507 IV-14-45 A 246/59 Foto: Bild und Heimat (Kühn) Aufnahme <= 1958 Sammlung Matthias Gleisner
Bergingenieurschule "Ernst Thälmann"
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VEB VOLKSKUNSTVERLAG REICHENBACH I. V. Echt Foto 975/58 6/528 L 8506 IV-14-45 A 246/58 Foto: VKV (Kühn) Aufnahme <= 1958 Sammlung Matthias Gleisner
Bergbau-Ingenieurschule
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VEB BILD UND HEIMAT REICHENBACH i.V. Best.-Nr. 6/527 III/18/6 A 3/61 DDR Aufnahme <= 1958 Sammlung Erika Fischer
Bergingenieurschule "Ernst Thälmann"
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Die drei oben angebildeten Ansichtskarten gehören zu den Stücken, die in verschiedenen Auflagen kursieren. Sie wurden über mehrere Jahre mit immer neuen Seriennummern aufgelegt, was
zuweilen in einigen Publikationen zu falschen Zeitangaben führte. Ob das <= 1958 der Weisheit letzter Schluß ist, vermag ich nicht zu sagen. Was ich jedoch definitiv sagen kann, ist,
daß alle drei Motive eng zusammengehören. Die einzelnen Aufnahmen wurden an ein und demselben Tag gemacht. Ja ich gehe sogar so weit, daß ich behaupte, daß sie binnen einer
halben Stunde angefertigt wurden.
Die "Beweisführung" basiert dabei auf sich überschneidenden Details...
Fazit: wenn ich ein Motiv datiere, kann ich automatisch die beiden anderen nachziehen. Daß sich diesbezüglich noch etwas nach unten bewegt, ist eher unwahrscheinlich. Immerhin
sehen wir auf dem mittleren Motiv schon die Sporthalle "Aktivist", deren Aufbau offensichtlich in den letzten Zügen liegt. Nur ein Baugerüst am Giebel ist noch zu sehen. Laut
einigen Veröffentlichungen wurde die Halle, die übrigens damals die größte freitragende Halle Europas war, zwischen 1957 und 1959 aus einem alten Kohlenschuppen heraus aufgebaut.
Laut Forkert fand die Einweihung der Sporthalle am 31.Oktober 1959 statt. Das würde bedeuten, daß zwischen dem doch relativ weit fortgeschrittenen Bau hier auf der Ansichtskarte
und der Inbetriebnahme noch gut und gerne ein Jahr ins Land ging.
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VEB BILD UND HEIMAT REICHENBACH i.V. 6/1084 Echt Foto 31/61 V 11 28 A 3/61 - DDR Foto: Bild und Heimat (Darr) Aufnahme <= 1961 Sammlung Erika Fischer
Bergbau-Ingenieurschule
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Das macht mich tatsächlich etwas unsicher... <= 1959 für die drei Ansichtskarten ist unstrittig.
Das <= 1958 resultiert aus der Seriennummer des mittelsten Stücks und bin eigentlich zuversichtlich,
daß ich damit richtig liege. Hundertprozentige Gewissheit habe ich jedoch (noch) nicht. Was mir hierbei
ggf. in die Karten spielt: meine "Referenzkarte" ist noch mit der Verlagsbezeichnung
Volkskunstverlag Reichenbach erschienen. Nach meinen Recherchen wurde der Verlag 1959 in Bild und
Heimat Reichenbach umbenannt. Demzufolge dürfte die alte Bezeichnung maximal bis 1959 verwendet
worden sein.
Und ehrlich gesagt, die Sache mit dem ehemaligen Kohlenschuppen als Basis der Sporthalle ist mir auch
etwas suspekt. Was soll das für ein Schuppen gewesen sein? Und zu welcher Brikettfabrik soll er gehört haben?
Auf einer Luftaufnahme von 1930 ist an dieser Stelle alles freie Fläche...
Sehr dubios. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.
Kommen wir zum Abschluß noch zu einer Ansichtskarte, die die Ingenieurschule spätestens 1961 zeigt. Der
Spruch auf dem Transparent "Es lebe die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die Partei der
deutschen Arbeiterklasse!" ist leider zu unkonkret, um daran ein Datum festmachen zu können. Die Aussage
hatte ja praktisch bis 1989 Gültigkeit!
Der Aufsteller rechts in Straßennähe hätte hilfreicher sein können, ist jedoch viel zu unscharf wiedergegeben.
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