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30.09.2018
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Zwei Ereignisse fallen nahezu gleichzeitig auf das heutige Datum... Zum Einen die 2000. digital aufbereitete und archivierte historische Abbildung aus Senftenberg und Umgebung. Und zum Anderen der 7. Geburtstag von www.gruss-aus-senftenberg.de. Beides ist natürlich untrennbar miteinander verbunden. Ohne diese Internet-Seite hätte ich mich wahrscheinlich bezüglich meines Hobbies nicht in dem Maße weiterentwickelt, wie das mittlerweile der Fall ist. Mein persönlicher Anspruch (meine Frau spricht von "Zwang"), hier möglichst jede Woche in Form qualitativ hochwertiger Bilder und Informationen präsent zu sein, haben meinen Enthusiasmus eher beflügelt als gebremst. Und das auch jetzt noch, wo es aktuell immer schwieriger wird, noch unbekanntes Material aufzustöbern. Und auch meine Suchliste nimmt lediglich in homöopathischen Dosen ab.
Zur ganzen Wahrheit gehört nämlich auch, daß die Anerkennung meiner zeitintensiven Arbeit immer seltener in eine Bereitschaft mündet, Zuarbeiten zu leisten. Viele können nicht. Manche die könnten, wollen nicht. Die Gründe dafür sind sicher mannigfaltig. Eine Portion Bequemlichkeit dürfte aber in jedem Fall dabei sein.
Glücklicherweise ist mir noch ein kleiner, harter Kern an Unterstützern geblieben, auf den ich jederzeit zählen kann.
Und einem davon, meinem Vater, räume ich heute zur Feier des Tages den Raum ein, auch einmal auf Seite 1 zu publizieren. Und das außerdem aus gutem Grund, denn wann hat man schon einmal die Möglichkeit, historisches Bildmaterial, das zum Jubiläum traditionsgemäß musikalisch "aufgeladen" ist, quasi aus erster Hand besprechen zu können?

Rock on Harald!
Tutti-Frutti

Seit 1953 durften in der DDR nur Berufsmusiker Tanzmusik in Gaststätten oder auf sonstigen Veranstaltungen aufführen.
Auch in Senftenberg gab es viele Musiker, die schon vor dem Krieg und auch danach zur Aufbesserung ihrer spärlichen Orchester-Gage stetig oder gelegentlich im gepflegten Stil der traditionellen Salon- & Barmusik konzertierten und auch zum Tanz aufspielten.
Am 4. Juni 1953 wurde diese Anordnung gelockert und in Ausnahmefällen waren nun auch nebenberufliche Musikausübende zugelassen. Diese Regelung kam genau zum richtigen Zeitpunkt, denn in der zweiten Hälfte der 50er Jahre schwappte dank Radiosendern der Besatzungsmächte (AFN, BFN) sowie Radio Luxemburg und RIAS aus Westdeutschland die ROCK’N-ROLL-WELLE nach Deutschland herüber und dominierte bald darauf das Lebensgefühl vieler Jugendlicher in West und Ost gleichermaßen.
Als erste Senftenberger Kultband, die für die Propagierung des neuartigen Musikstils auf den Tanzsälen unserer Region frenetisch gefeiert wurde, galt das Orchester TUTTI-FRUTTI, benannt nach dem gleichnamigen Rock’n Roll Song von Little Richard.
Die jugendliche Musikformation wurde auch als Keimzelle nachfolgender Bands angesehen, denn aus ihr gingen z.B. BAKI, das JÜRGEN-HERZOG-SWINGTETT und die COMBO 64 hervor.

Im Sommer 1963 traf ich auf der Zugfahrt zu meinem Studienort Halle/Saale auf Manfred Schultze, unseren späteren Bandleader. Er hatte bei BAKI musiziert, erzählte von deren Auflösung und seinem Vorhaben, eine eigene Band aus der Taufe zu heben und fragte mich, ob ich mitmachen wolle. Ich willigte sofort ein und bald darauf begannen an den studienfreien Wochenenden die Proben für unser erstes Engagement in der HOG "Goldenes Ross". Zuerst sollte allerdings ein Name für unser Quartett gefunden werden. Das war nicht einfach, da die allerorts agierenden Kulturbonzen streng darauf achteten, dass keinerlei Anglizismen in der Kapellenbezeichnung enthalten sind. Beliebt waren deshalb die Anzahl der Musiker offerierende Bezeichnungen, wie Astoria-Trio, Veneta-Quartett, Hobby-Quintett oder Stern-Sextett.
Da auch unser Bandprojekt nicht gleich am Namen scheitern sollte, schlossen wir uns schnurstracks der "COMBO-BEWEGUNG" an. Unter diesem Kürzel zogen damals viele Kapellen, später sogar die zahlreichen, der Beatmusik huldigenden Gitarrengruppen, über die Saalbühnen der Region – denn sogar die damals überaus beliebte UVE-SCHIKORA-COMBO hatte ihn gewählt. Und das wollte schon was heißen!

Entsprechend unseres Gründungsjahres 1964 nannten wir uns COMBO 64 und starteten im März des gleichen Jahres mit stattlichen 100 Musiktiteln im "Gepäck" unsere erste Saison im "Goldenen Ross".
Um das tanzfreudige Publikum neugierig zu machen, stellten wir dieses Foto (siehe rechts) ins Fenster – allerdings etwas unscharf, damit unsere Gesichter nicht auf Anhieb zu erkennen waren.

Senftenberg
Heinz D. Kohlsche
SENFTENBERG NL
Schmiedestraße 1
Aufnahme = 09.1964
Sammlung Harald Gleisner

Die ersten entschlussfreudigen Gäste machten danach aber viel Mundpropaganda, was sich als sehr effektiv herausstellte, denn der "Laden" war immer voll. Das gemeinsame Musizieren machte uns großen Spaß, obwohl es ein harter Job bei sehr geringer Gage war. Wir spielten jeden Samstag von 18 bis 23 Uhr und Sonntags bis 24 Uhr und verdienten jeder 50, abzüglich Steuern 35 DDR-Mark. Da allerdings drei von uns nur „lausige Studenten" waren, wurde jede Mark dringend gebraucht...

Gerade dieses Lohn-Manko führte dazu, dass wir uns nach einer zweiten Saison im "ROSS" vom KLEINEN Saal verabschiedeten, um die gewinnträchtigeren GROSSEN Bretter, die angeblich die Welt bedeuten, zu erklimmen. Um dies zu bewerkstelligen, mussten wir natürlich unser bis dato gespieltes Repertoire gehörig umkrempeln, denn im HdW und Reichsbahnkulturhaus in Senftenberg, im Klubhaus "Tatkraft" Bückgen, Zollhaus Ruhland oder auf anderen großen Sälen von Welzow über Lauta bis Großthiemig wartete nun die BEAT–GENERATION auf elektrisch verstärkte Gitarrenklänge im Dreierpack plus Schlagzeug-Höllenmaschine. Wir waren allerdings dafür bekannt, die Lautstärkeregler nicht bis zum Anschlag aufzudrehen, wie es viele Newcomer-Bands praktizierten, um durch ohrenbetäubenden Lärm die minderwertige Beherrschung ihrer Gitarren bzw. der Singstimme kompensieren zu wollen.

COMBO 64 legte viel Wert auf reine GITARRENMUSIK, also "Tanzmusik ohne Texte", da englischsprachige Songs zu damaliger Zeit in der DDR von den Kulturbossen strikt abgelehnt wurden. Wir kopierten vor allem Titel von THE SHADOWS und THE SPOTNICKS.
Als Erkennungsmelodie hatten wir uns einen Titel von THE VENTURES erwählt: den Film-Titelsong "Exodus".
Wenn ich ihn mal rein zufällig höre, erinnere ich mich gern an "selige Combo-Zeiten": geschlossener Bühnenvorhang – Lampenfieber – wir beginnen zu spielen – danach öffnet sich der Vorhang – Beifall brandet auf… Grandios! Man muss es einfach mal erlebt haben! Unser zweites "Aushängeschild" waren Songs von den BEATLES, BEACH BOYS und BEE GEES mit dem für sie typischen mehrstimmigen Satzgesang. Dagegen hatten wir mit der harten Gangart der ROLLING STONES "nicht viel am Hut." Die Stones-Fans wurden dafür von der PAT B – BAND aus Annahütte ausreichend bedient.
Das Mitschneiden der Titel per Tonbandgerät, Abschreiben der Texte, Erkennen der Harmoniefolgen, Nachspielen & -singen war allerdings insgesamt leichter als die Beschaffung von Instrumenten, Verstärkern und Mikrophonen. Damit mussten aber alle Bands zurechtkommen, was allerdings nur ein schwacher Trost war.
Auf der Suche nach einer sog. "Brettgitarre" (ohne Resonanzkörper) reiste ich beispielsweise nach Berlin, Leipzig und Dresden – ohne Erfolg – und erstand letztendlich in einem kleinen Cottbuser Musikladen das einzige Exemplar, welches auf den Fotos zu sehen ist. Da es nirgendwo BASSgitarren zu kaufen gab, projektierte und baute sich unser Chef seine in Eigenregie – und die war echt bundrein und ist auf dem Foto rechts zu sehen. Das muss man erst mal so hinkriegen!

Weitere Details aus der COMBO 64 – HISTORIE enthülle ich auf der Kommentarseite.

The Ventures - "Exodus"
Senftenberg
Foto: Schulze
Sallgast
Reg.-Nr. 18/51
Aufnahme = 12.1966
Sammlung Harald Gleisner