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10.03.2019
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Ich muß gestehen, es macht zunehmend Spaß sich auch mit DDR-Produktionen auseinanderzusetzen. Vor allen Dingen, da hierbei mein Detektivgeist verstärkt gefordert ist. Leider ist damit aber bald Schluß. Mangels Masse! Die fehlende Vielfalt ist aber nur eine der Hürden bei der möglichst korrekten Datierung der einzelnen Motive. Hinzu kommt, daß ich leider nicht über ausreichend Sekundärmaterial z.B. in Form der damaligen Tagespresse verfüge. Aber selbst wenn, würde mir diese groß weiter helfen? Wahrscheinlich nicht.
Heimatforscher vor mir sind schon auf die zahlreichen Nachauflagen von Ansichtskarten hereingefallen. Und Heimatforschern nach mir wird es genauso ergehen. Ich versuche, so gut es geht, dieses Durcheinander mit den Seriennummern aufzudröseln und nicht in dieselbe Falle zu tappen. Im Zweifel muß man halt die Auflage mit der kleinsten Jahresangabe aufstöbern. Aber auch das muß speziell für DDR-Produktionen nicht der Weisheit letzter Schluß sein.
Es gab in der DDR nur sehr wenige Ansichtskarten-Verlage. Waren in den Anfangsjahre tatsächlich noch mehrere Produzenten auf dem Markt, verringerte sich deren Zahl mit den Jahren immer mehr. Am Ende existierte, glaube ich, nur noch Bild und Heimat Reichenbach.
Führt man sich nun vor Augen, daß ein oder zwei Verlage für den gesamten Ausstoß an Ansichtskarten der DDR verantwortlich zeichneten und darüber hinaus das Ganze auch noch streng planwirtschaftlich erfolgte, kommt man zu dem Schluß, daß selbst die Erstauflagen notgedrungen auf Bildmaterial zurückgriffe, das schon ein paar Wochen, Monate, ja vielleicht sogar Jahre, alt war.
Die jahrelangen Wiederauflagen zeigen, daß Aktualität offensichtlich kein wichtiges Kriterium bei diesen Produktionen war. Die Entscheidung, welcher Ort, wann von einem der wenigen Fotografen aufgesucht wurde, lag in zentraler Hand. Entscheidungsträger vor Ort und lokale Wünsche hatten wahrscheinlich nur ein kleines Mitspracherecht. Wenn überhaupt!
Das kann man zum Beispiel an der offiziellen Ansichtskarte zum 700-jährigen Jubiläum Senftenbergs ablesen... Diese stelle ich heute zwar nicht vor aber soviel sei verraten: die darauf befindlichen Motive waren 1979 bereits mindestens 6 Jahre alt!
Aber genug der Vorrede, steigen wir ins pralle Leben ein!
Ansichtskarte Nummer 1 ist gleich so ein Fall. Erschienen im Jahr 1968 beinhaltet die Motivzusammenstellung Ansichten, die ich mittlerweile auf die Entstehungsjahre
  • <= 1961 - Paddelstation
  • <= 1963 - Bahnhofstraße
  • <= 1961 - HO-Kaufhaus
  • <= 1967 - Bahnhof
fixieren konnte. Alle diese Motive stellte ich bereits in der Vergangenheit vor. Neu ist lediglich die Ansicht des Planetariums links oben. Dieses Foto datiere ich aktuell auf = 1967 und diesbezüglich ist auch keine Luft mehr nach unten, denn das Planetarium wurde erst am 10. September 1966 eingeweiht.
Auf der Ansichtskarte sind somit Aufnahmen versammelt, die über einen Zeitraum von mindestens 6 Jahren reichen. Das ist aber nicht die einzige Besonderheit! Wir haben es bei diesem Exemplar mit einer von drei mir bekannten Senftenberger "Maxi-Karten" im Format A5 zu tun. Eine stellte ich bereits vor, die dritte, oben erwähnte 700-Jahre-Karte folgt irgendwann.
Senftenberg
VEB Bild und Heimat Reichenbach i.V.
6/1939
V 11 28 A 1/B 795/68
Aufnahme <= 1967
Archiv der Stadt Senftenberg
1967 ist auch das Stichwort für die zweite Produktion. Die Erstauflage hiervon erschien 1967 und unterscheidet sich von der hier abgebildeten 1968er Version in der Art des SENFTENBERG-Schriftzugs. Bei der Erstauflage sind die Buchstaben fetter gedruckt.
Egal in welchem Jahr diese Ansichtskarte aufgelegt wurde: die Farben waren in jedem Fall viel zu knallig. Ich habe digital einiges aus der Farbsättigung genommen um eine annähernde Natürlichkeit der Farben zu erreichen aber ich fürchte, es ist mir nicht vollständig gelungen. Das Ganze sieht immer noch ziemlich künstlich aus.
Ich stehe ohnehin auf dem Standpunkt, daß die Farben nachträglich hinzugefügt wurden. Egal ob in den Produktionsangaben etwas von Farbfoto steht oder nicht.

Dies gilt im übrigen auch für die dritte Ansichtskarte. Im Original mit extremen Farben behaftet, habe ich hier digital die Farbsättigung um 40% reduziert um im Ergebnis eine halbwegs natürliche Colorierung zu erreichen.

Bei der intensiven Beschäftigung mit diesen beiden Stücken fiel mir noch so einiges mehr auf, was beim flüchtigen ersten Blick gar nicht einmal so ins Auge fällt...
Klassischerweise bestehen Mehrbildkarten mehrheitlich aus Motiven, die auch einzeln in normaler Größe erschienen. Da machen diese zwei Produktionen keine Ausnahme. Zumindest könnte man dies annehmen, was aber nicht zu 100 Prozent zutreffend ist. Die 1967er Karte ist hier bis auf die Marktansicht, von der ich leider noch keine Einzelbildvariante gesehen habe, recht gut dabei.
Zwei Motive der Karte von 1973 kann man auch einzeln finden. Die Ingenieurschule und die Bahnhofstraße. Aber stimmt das wirklich? Nein, denn bei beiden Ansichten handelt es sich um Alternativaufnahmen, die den sattsam bekannten Einzelbildvarianten sehr ähnlich sind. Aber nicht identisch. Und damit ist nicht der Unterschied schwarz/weiss zu farbig gemeint!
Und auch die beiden anderen Motive sind Alternativ-Versionen zu Einzelbildaufnahmen. Nur wurde in diesen Fällen der Blickwinkel jeweils merklich verändert.

Und hier sehen wir den "Zwillingsbruder" des Mehrbildkarten-Motivs mit der Ingenieurschule. Jetzt wo ich es geschrieben habe, sieht es auch jeder.
Oder?
Nachfolgend einige der Unterschiede (rot) und Gemeinsamkeiten (grün).

Senftenberg
VEB BILD UND HEIMAT - REICHENBACH i.V.
Echt Foto
Foto: Bild und Heimat (Darr)
V 11 50 A 1/B 274/73 01 06 11 091
Aufnahme <= 1973
Sammlung Erika Fischer
Senftenberg
VEB BILD UND HEIMAT - REICHENBACH i.V.
Farbfoto: Darr, Reichenbach i.V.
III/26/13 A 1/208/68 - 6167 4092
Aufnahme <= 1967
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberg
BILD UND HEIMAT - REICHENBACH (VOGTL.)
Farbfoto: Bild und Heimat (Darr)
III/26/13 A1/59/77-280059 01 06 0039
Aufnahme <= 1973
Sammlung Matthias Gleisner
Anhand der Gemeinsamkeiten und des identischen Blickwinkels kann man wohl davon ausgehen, daß beide Fotos im Abstand von wenigen Minuten gemacht wurden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Losung an der Fassade, die nur auf der schwarz-weiss-Variante klar zu erkennen ist. Was der VIII. Parteitag beschloß, wird sein. Wir erinnern uns alle lebhaft: Der VIII. Parteitag der SED fand im Juni 1971 statt. Die Verwendung der Vergangenheitsform "beschloß" bedeutet, daß der Schriftzug nach dem Parteitag angebracht wurde. Wieviel später steht in den Sternen. Der Spruch selbst gehörte wohl zu den offiziellen Losungen, die durch die Partei herausgegeben wurden. Das Jahr 1973 als oberste Grenze ist bereits gesetzt. Es könnte jedoch durchaus auch 1972 gewesen sein, als der Fotograf Heribert Darr durch Senftenberg streifte, um im Auftrag des Verlags Bild und Heimat Impressionen auf Film zu bannen. Die planwirtschaftlichen Zwänge taten dann ihr übriges um eine Veröffentlichung erst 1973 zu realisieren. Kann sein. Muß nicht!

Rücksprung auf die farbige Karte von 1967... Überraschung! Auch die Aufnahme vom Bahnhofsgebäude ist eine Abwandlung einer bereits bekannten Einzelbildkarte. Nämlich der hier rechts abgebildeten.

Unten wieder (einige) Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

Senftenberg

Ob die beiden Motive vom Ehrenmal und dem Planetarium (die Marktansicht ist ja bislang nicht als Einzelbildvariante nachweisbar) ebenfalls Alternativversionen sind, kläre ich sobald ich die einzelne Motive vorstelle. Aus heutiger Sicht: nein. Aber ich habe mich auch noch nicht intensiv damit beschäftigt, Wenn, dann sind die Unterschiede marginal.
Bedeutet also, daß uns die beiden farbigen Mehrbildkarten zukünftig noch einige Male über den Weg laufen werden.