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06.01.2019
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Wenn ich ehrlich bin, muß ich zugeben, daß es dann doch nicht so viele Ansichten des Senftenberger Bahnhofsempfangsgebäudes gab, mit denen uns die DDR-Verlage beglückten.
Nach eingehender Beschäftigung mit diesem Thema, gehe ich davon aus, daß einerseits das immer noch herrschende gute Angebot (Händler, ebay) an alten Ansichtskarten auf denen man das Empfangsgebäude erkennen kann, zu meiner Fehleinschätzung führte. Andererseits wurden die Aufnahmen auch immer wieder gern in irgendwelchen heimatgeschichtlichen Publikationen verwendet, so daß sich bei mir der Eindruck verfestigte, daß es "Unmengen" derartiger Abbildungen gibt.
Falsch!
Im Grunde versammle ich hier und heute sämtliche Einzelbildproduktionen, die zwischen 1960 und 1973 erschienen und das Gebäude zeigen. Es sind ganze vier. Das fünfte Motiv ist eine private Fotografie, unterscheidet sich aber kaum von den kommerziellen Produkten. Wenn ich "sämtliche" schreibe, meine ich natürlich, sämtliche mir bekannte. Es kann sein, daß es noch ein oder gar mehrere weitere Ansichten gab nur müssen die derart obskur sein, daß sie mir bislang noch nicht einmal ansatzweise über den Weg liefen.
Außerdem möchte ich mich sogar postulieren, daß wir mit der 1973er Produktion das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Nach diesem Jahr wurde das Sujet scheinbar derart unattraktiv, daß in Folge keine einzige Abbildung des Gebäudes mehr auf einer kommerziellen Ansichtskarte erschien. Weder als Einzelbild noch als Bestandteil einer Mehrbildkarte. Und das bis heute!

Die hier versammelten Ansichtskarten decken einen zeitlichen Rahmen von 13 Jahren, vielleicht sogar etwas weniger ab. Sie sind von oben nach unten zeitlich aufsteigend angeordnet. Das die Jahreszahlen in allen Fällen wasserdicht sind, dafür würde ich mich nicht verbürgen. Es ist durchaus möglich, daß das eine oder andere Motiv noch nach unten datiert werden kann.
Im direkten Vergleich erkennt man einige bauliche Veränderungen am Gebäude selbst und vor allem am Bahnhofsvorplatz, die mich bei der Festlegung des Zeitstrahls unterstützten.
Aber der Reihe nach...

Die Aufnahme Nummer 1 stammt mit ziemlicher Sicherheit aus dem Sommer 1960. Anhaltspunkt hierfür ist das Filmplakat, das für den sowjetischen Spielfilm "Die Ballade vom Soldaten" wirbt. Der Film lief am 1. Dezember 1959 in den sowjetischen Kinos an und wurde am 7. Mai 1960 auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes gezeigt. In der DDR kam der Film am 10. Juni 1960 in die Kinos.
Der Aufsteller mit den Kinoplakaten bleibt uns übrigens für die nächsten drei Motive erhalten. Leider ist die Aufnahme von 1960 die einzige, die scharf genug ist, um einen Filmtitel zu erkennen.

1960 gab es demnach auf dem Vorplatz noch eine Säule, deren Funktion mir nicht ganz klar ist. Für mich sieht es so aus, als ob an den vier Ecken Fahnenstangen angebracht waren. Der Fahnenstoff scheint in unserem Fall jedoch zusammengewickelt zu sein.

Interessant sind auch die beiden Blumenkästen, die auf Beinen aus Birkenholz befestigt sind. Auch diese sehen wir noch zweimal. Unter anderem auf dem nächsten Motiv, welches ich in 1963 eintakte. Dies erfolgt im wesentlichen aufgrund der anderen Motive dieser Mini-Serie. Die Blumenkästen sind hier aktuell ihrer Bepflanzung beraubt, der Kino-Aufsteller ist ebenfalls vorhanden. Leider kann ich das Filmplakat nicht deuten. Diese merkwürdige Säule ist mittlerweile verschwunden.
Motiv Nummer 3. Die Privatfotografie. Mit ziemlicher Sicherheit zeitlich nach Motiv Nummer 2 aufgenommen. In den Kreis der Vorplatz-Objekte wird nunmehr ein Schaukasten aufgenommen, der offenbar eine relativ aktuell gehaltene öffentliche "Wandzeitung" beherbergte. Leider ist der Inhalt dieses Schaukastens in allen Instanzen zu unscharf und selbst bei digitaler Vergrößerung nicht wirklich zu verwerten. Die Blumenkästen sind auch hier noch erkennbar. Der Kino-Aufsteller sowieso. Bei dem dort erkennbaren Filmplakat (das untere) würde ich auf den Film "Johannes R. Becher" tippen.

Eine Produktion, zu der man kaum bzw. keine Informationen im Internet findet. Er wurde jedoch 1964 in Form eines Filmprogramms beworben. Gut möglich, daß dieser Film 1964 in Senftenberg lief und wir damit die Fotografie relativ gut datieren könnten. Es ist aber bislang nur eine Vermutung meinerseits.
Ziemlich sicher ist hingegen, daß die Aufnahme nicht später als 1965 gemacht worden sein kann. Das mache ich an nachfolgender Fotografie fest, von der ich leider nur eine vergleichsweise schlechte digitale Kopie besitze...

Diese Fotografie, die möglicherweise einstmals als Kandidat für eine Ansichtskartenproduktion gehandelt wurde, wartet mit zwei wichtigen Details auf. Erstens kann man bei Vergrößerung in dem Schaukasten erstmals etwas verwertbares erkennen... 20 Jahre Eisenbahn in Volkes Hand 1945 - 1965 steht dort in großen Lettern. Es ist sehr wahrscheinlich, daß wir uns aufgrund dessen nicht in 1964 oder 1966 sondern genau im Jahre 1965 befinden. Außerdem sieht man einige erneuerte, und deswegen hellere, Dachziegel am Bahnhofsgebäude. Diese Ziegel kann man auch auf Motiv Nummer 4 erblicken. Für unsere Privatfotografie bedeutet dies demnach, daß sie tatsächlich vor oder in 1965 angefertigt wurde. In jedem Falle nämlich VOR der Reparatur des Daches.
Senftenberg
VEB BILD UND HEIMAT REICHENBACH i.V.
Best.-Nr. 6/1086
III/18/6 A 3/61 DDR
Foto: Bild und Heimat (Darr)
Aufnahme = 1960
Sammlung Erika Fischer
Senftenberg
GRAPHOKOPIE H.SANDER K.G.
Berlin N 113
Echte Photographie
B 8/64
Best.-Nr. T 322
Aufnahme = 1963
Sammlung Erika Fischer
Senftenberg
Aufnahme <= 1965
Archiv der Stadt Senftenberg
Senftenberg
VEB BILD UND HEIMAT REICHENBACH i.V.
Echt Foto
V 11 50 A1/B930/71 01 06 11 005
Foto: Darr, Reichenbach (Vogtl.)
Aufnahme <= 1967
Sammlung Norbert Jurk
Senftenberg
VEB BILD UND HEIMAT - REICHENBACH i.V.
Echt Foto
Foto: Bild und Heimat (Darr)
III/18/98 A 1/B 307/73 01 06 11 099
Aufnahme <= 1973
Sammlung Matthias Gleisner
Nun zu Motiv Nummer vier. Dieses wurde in verschiedenen Jahren unter die Leute gebracht, teilweise auch als Bestandteil einer Mehrbildkarte. Aktuell kann ich das erste Auftauchen der Aufnahme auf 1967 fixieren. Gut möglich, daß das Foto schon einige Zeit vorher gemacht wurde. Kinoaufsteller und "Wandzeitung" sind immer noch vorhanden, dafür sind die beiden Blumenkästen auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Leider sind die Kinoplakate wie auch der Inhalt des Schaukastens zu unscharf, als das man daraus sicher etwas ableiten könnte.

Und damit sind wir auch schon beim fünften und letzten Motiv für heute. Wie oben geschrieben ist es das letzte Auftauchen des Empfangsgebäudes auf irgendeiner Ansichtskartenproduktion bis zum heutigen Tage. Der Kinoaufsteller hat mittlerweile Platz für eine Propagandtafel gemacht aber der Wandzeitungschaukasten ist immer noch da. Doch wie schon zuvor sind beide zu unscharf wiedergegeben, als daß man etwas brauchbares extrahieren könnte. Deshalb gilt bis auf weiteres das Jahr 1973 als Obergrenze.
Das Bahnhofsgebäude hat mittlerweile neue Fenster erhalten. Dafür fehlen an beiden Graten der Traufe einige Firstziegel. Die Umgestaltung der Vorplatzbeleuchtung kriegten wir auch nur in der DDR so hin!

Wer nun aber glaubt, das war es mit investigativer Heimatforschung zu Bahnhofsansichten, der wird nachfolgend eines Besseren belehrt...