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Wenn die stille Zeit vorbei ist, dann wird es auch wieder ruhiger.
Traditionell bezeichnet man die Zeit, in der wir uns aktuell befinden, als "zwischen den Jahren". "Zwischen den Feiertagen" trifft es eigentlich besser und man ist sich auch uneinig,
wie lange dieses "zwischen den Jahren" überhaupt dauert. Eine Variante umfasst z.B. die 12 Tage zwischen dem 24. Dezember und dem 6. Januar. Egal! Sicher ist, daß dieser Zeitraum
immer wieder gern für Jahresrückblicke verwendet wird. Und das was ARD, ZDF, RTL und Sat1 können, kann www.gruss-aus-senftenberg.de schon lange!Damit das Ganze jedoch nicht ausartet, blende ich alle politischen, gesellschaftlichen und gesundheitlichen Themen aus und beschränke mich auf die heimathistorischen Dinge, die ich für gewöhnlich an diesem Ort abarbeite. Ja ich weiss, tendenziell bin ich eher negativ eingestellt... das hat nicht geklappt, dort hätte es besser laufen können, der hat mich ignoriert und überhaupt... bald ist hier sowieso Schluß... Aber eigentlich war das Jahr 2021 nicht so schlecht... es fing schon damit an, daß ich ein kleines Konvolut einzigartiger Stücke von Familie Forberger auswerten konnte. Die erste Hälfte des Jahres war ich stark mit meinem Zweitprojekt harun-el-raschid-bey.de beschäftigt, welches ja irgendwie auch mit Senftenberg zu tun hat. Obwohl eigentlich abgeschlossen, taten sich plötzlich neue Quellen auf, die zum Teil ein Umschreiben der Geschichte notwendig machten. Zu verdanken habe ich dies auch der Tatsache, daß immer mehr historische Dokumente online verfügbar gemacht werden und diese teilweise sogar nach Schlagworten durchsuchbar sind. Die Qualität der Suchergebnisse schwankt dabei zwar gewaltig aber besser als nichts ist es allemal! Auch konnte ich wichtige digitale Quellen in Empfang nehmen, die die Arbeit zukünftig noch weiter verbessern werden. Wider Erwarten tauchten im Laufe des Jahres einige extrem seltene Fotografien bei mir auf, die ich partiell natürlich so schnell es ging, vorstellte. Ein Highlight für mich war das aus der Versenkung aufgetauchte "Korkbild". Ich musste zwar ziemlich lange baggern, um an Detail-Fotografien zu gelangen, die meinen Qualitätsansprüchen genügten, aber letztlich konnte ich dieses Unikat aus dem Jahre 1889 der breiten Öffentlichkeit digital restauriert zur Verfügung stellen. Mein nächster kleiner Höhepunkt des Jahres 2021 war der Fakt, daß es mir gelang, den kompletten Stummfilm "Der Tunnel", der 1915 zu Teilen auf Grube Marga gedreht wurde, zu ergattern. Damit konnten die damit im Zusammenhang stehenden offenen Fragen geklärt werden. Auf die erst kürzlich von mir (wieder-)entdeckte "Fiebiger-Geschichte" bzw. deren Aufarbeitung bin ich eigentlich ganz stolz, auch wenn sie nicht 100%ig vollständig ist. Hier schrecken mich vergleichsweise hohe finanzielle Kosten bei gleichzeitig vagem Mehrwert von der Materialaquise noch ab.
Leider musste ich im Oktober eine, nicht nur für mich, niederschmetterende Nachricht verbreiten. Der viel zu frühe Tod Norbert Jurks riss nicht nur einen Menschen aus seiner Familie sondern
mir ging zugleich eine meiner "treuesten Seelen" verloren. Zeitweilig hatte ich danach starke Zweifel, ob das was ich hier mache nun noch einen Sinn hat. Norberts Bücher lebten in unterschiedlichem
Maße auch von dem, was ich in den letzten 10+ Jahren herangeschafft und aufbereitet hatte. Über das Jahr verteilt konnte ich auch diesmal wieder einige neue Materialsponsoren gewinnen. Auch wenn es nur wenige Stücke sind, die dabei herumkommen: alles kann helfen, die Senftenberger Bildgeschichte weiter zu vervollständigen. Schlußendlich legte mir die Katze kurz vor dem Jahresende noch einzigartige Fotos vor die Tür, die ich teilweise in der vergangenen Woche und auch heute vorstellen kann. |
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Womit ich dann wieder beim "normalen" Geschäft auf www.gruss-aus-senftenberg.de angekommen bin...
Wir haben es hier mit einer der von mir geschätzten Produktionen des Berliner Fotografen
Paul Klinke zu tun. Sehr schön. Sehr selten. Ich habe in der Vergangenheit mehrfach meine Theorie
verteidigt, daß sämtliche Klinke-Produktionen aus Senftenberg im Jahr 1910 angefertigt wurden. Dies
resultiert aus meiner Annahme, daß der der Berliner Fotograf (oder einer seiner Angestellten) sicherlich
nicht mehrfach hier war. Dazu war sein Aktionsradius einfach viel zu groß. Von ihm sind Produktionen
aus vielen verschiedenen Orten Preussens bekannt, so daß es sehr unwahrscheinlich erscheint, daß er
eine Stadt mehr als einmal aufsuchte, um den (vorrangig) dort ansässigen Geschäftsleuten seine Dienste
anzutragen. Zusätzlich lässt sich aus den abgebildeten Läden bzw. dem Wissen, wann diese an der entsprechenden
Stelle residierten, der Zeitrahmen einschränken. |
Paul Klinke, Berlin N.65, Müllerstr. 30.
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Nachdem der zeitliche Aspekt der Aufnahme hinreichend beleuchtet wurde, wäre noch zu klären wo wir uns konkret befinden. Die richtige Antwort
ist für Gelegenheits-Senftenberg-Interessierte nicht ganz so leicht zu finden. Hierzu bedarf es eines Anfangsverdachts, eines scharfen Auges und ggf.
sekundäres Hintergrundwissen. Erschwerend wirkt, dass das Haus zwar noch existiert, sich aber 2021 stark verändert präsentiert. Sämtliche Schmuckelemente,
die 1910 noch die Fassade zierten, sind verschwunden. Das Ladengeschäft gibt es nicht mehr und auch die Fensteraufteilung ist mutmaßlich eine etwas
andere. Zumindest die Hausnummer stimmt noch. Nr.13 in der Calauer Straße. |
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Die dazu mitgelieferte Information "Vogels 1. Laden in Senftenberg N.L., i.d. Nähe von Calauer Str. 13-15", die sehr viel später auf die Bildseite geschrieben worden
war, gaben mir wenigstens ein größeres Maß an Sicherheit, daß wir uns tatsächlich irgendwo in Senftenberg befinden. Nur wo genau? Daß die Karte 1917 postalisch verschickt
wurde, passt eigentlich nicht, zeigt jedoch, daß man hinsichtlich der Datierung Poststempeln nur bedingt vertrauen kann. Wenn das Haus der erste Vogelsche Laden war und wir den
zweiten auf einem Foto sehen, welches sicher auf 1910 fixiert werden kann, dann können wir das 1917 eigentlich ignorieren. Da ich am mittleren Fenster (mindestens) Irma Vogel
erkenne und ich den Jungen links neben ihr für ihren Bruder Georg halte und darüber hinaus beide deutlich jünger erscheinen als auf der Aufnahme weiter oben, dann ist mein
veranschlagtes <= 1909 noch etwas konservativ. Realistisch dürfte maximal 1907 sein. Aber das kann ich eben nicht beweisen. Gut, die Zeitfrage wäre einigermaßen geklärt und
das wir tatsächlich vor Vogels Laden stehen ist auch unstrittig. Die Außenreklame für die Möbelhandlung und wenn man genau hinschaut gleichzeitig für die Buchhandlung im zweiten
Fenster von rechts, sind eigentlich Beweis genug. Bei der Ortsbestimmung war es alles andere als hilfreich, daß Hermann Vogel Zeitungsinserate offenbar für das Werk des Teufels hielt. Ich bin mehr als 10 Jahrgänge Senftenberger Anzeiger akribisch durchgegangen ohne eine einzige Anzeige für die beiden Geschäfte zu finden. Und dabei agierte Vogel ja nicht im luftleeren Raum! Die lokale Konkurrenz sowohl für Möbel als auch im Buchhandel war zahlreich und stark. Daß Vogel "normale" Anzeigen für Sonderangebote und dergleichen nicht schaltete kann man ja vielleicht noch durchgehen lassen. Daß er aber keine Meldung bezüglich Geschäftseröffnung und des irgendwann vollzogenen Umzugs an eine neue Adresse veröffentlichte, ist schon sehr ungewöhnlich. Das machte eigentlich jeder kleine "Krauter"! Auf diese Weise war das Rätsel nicht zu lösen. Wenn sich das gesuchte Haus ebenfalls in der Calauer Straße befand, dann muß es rechts in Richtung Ortsausgang gestanden haben. Warum? Weil die Sonne nicht von Norden scheint und demzufolge keinen Schattenwurf erzeugen kann, wie wir ihn auf dem Foto sehen. Man erkennt die Sonneneinstrahlung ganz gut an den Haaren der vor dem Haus postierten Kinderschar und in Kombination mit der relativ strikten Nord-Süd-Ausrichtung der Calauer Straße kann es also nur so sein, wie oben postuliert. Mehrere meiner "Außentermine" in der heutigen Calauer Straße brachten mich nicht weiter. Konnten sie auch nicht, denn das Haus steht seit längerem nicht mehr... Wobei dieses "seit längerem" gar nicht mal so lang ist. 2009 existierte es noch. Nur leider habe ich ein schlechtes Gedächtnis und bezüglich der Calauer Straße muß ich sagen: das war irgendwie nie so meine Ecke!
Glücklicherweise fuhr jemand im Sommer 2009 mit dem Auto durch Senftenberg, filmte die Fahrt und stellte das Resultat bei youtube ein. Worauf man heutzutage alles zurückgreifen muß...
und vor allem: kann! Heimatforschung anno 2021. Nachfolgend diejenige Sequenz aus dem Gesamtfilm, die des Rätsels Lösung bedeutete:
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