NeueresÄlteres
498 497 496 495 494 493 492 491 490 489 ♦ 488 ♦ 487 486 485 484 483 482 481 480 479 478 477 476 
640  600  550  500  450  400  350  300  250  200  150  100  50  1  
10.10.2021
1 Kommentar

Druckversion


Senftenberg
Verlag C.G. Grubann,
Senftenberg N.-L.
Aufnahme <= 1900
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberg
G.R. Ziethe, Senftenberg N.-L.
8524
Aufnahme <= 1900
Sammlung Georg Messenbrink
Senftenberg Senftenberg Senftenberg
Senftenberg Senftenberg Senftenberg
Senftenberg
Kein zweites Motiv wurde so oft wie die obige Aufnahme der westlichen Marktseite, die zur Jahrhundertwende entstand, auf Senftenberger Ansichtskarten verwendet. Zu den bereits 6 ½ archivierten Exemplaren gesellen sich oben weitere zwei. Und die gehören jetzt nicht unbedingt zu den schlechtesten Vertretern ihrer Zunft, wobei inhaltlich aber auch keine neuen Erkenntnisse zu Tage treten. Ich wollte die beiden Stücke aber nicht unter den Tisch fallen lassen, sondern irgendwie thematisch "abheften". Glücklicherweise kommt mir dabei eine Ansichtskarte zur Hilfe, die (ein weiteres Mal) auf das selbe Motiv zurückgreift, vom ganzen Drumherum aber deutlich mehr Spielraum für die Vermittlung von Stadtgeschichte bietet...

Senftenberg
Verlag: G.R. Ziethe, Senftenberg N.-L.
Aufnahme <= 1900
Sammlung Matthias Gleisner
Wie bereits gesagt: die Aufnahme selbst stammt aus 1899/1900 und damit steht fest, daß sie zeitlich nicht gerade viel mit der zusätzlich aufgebrachten Beschriftung zu tun hat. Diese verweist nämlich auf das 16. Sängerfest des Niederlausitzer Sängerbundes, welches im Juni 1904 in Senftenberg stattfand. Auf der vorliegenden Karte wird das Ereignis gleich einmal auf "Senftenberger Sängerfest" reduziert und der reichlich hingeschluderte Schriftzug erweckt den Eindruck, daß die Produktion ein Schnellschuß war und unter Zeitdruck erfolgte. Es handelt sich nämlich nicht um die offizielle Festpostkarte. Diese stellte ich vor vielen Jahren schon vor und sie hat anders als das heute präsentierte Stück etwas mehr Bezug zum eigentlichen Anlaß.
Senftenberg Es liegt der Verdacht nahe, daß der Schreibwarenhändler Ziethe, der für das Produkt verantwortlich zeichnete, auch ein Stück des großen Kuchens abhaben wollte. Immerhin reisten für die 2 Tage im Juni 1904 mindestens 800 Sänger aus der ganzen Niederlausitz an, die, wie damals üblich, einen Postkartengruß in die jeweiligen Herkunftsorte versenden wollten. Ob die Aktion erfolgreich war, kann man heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Fakt ist aber, daß von der offiziellen Festpostkarte heute noch vergleichsweise viele Stücke existieren während ich von dem Ziethe-Produkt nur ein einziges Exemplar kenne.

Über die Dinge, die auf dem Markt vor sich gingen, berichtete der Senftenberger Anzeiger einige Tage später:

... Gegen ½3 Uhr hielt der Festzug seinen Aufmarsch vor der Rednertribüne auf dem Marktplatz. Hier trug der M.-G.-V. Senftenberg den Begrüßungschor "Gott grüße Dich" vor. Nach Beendigung des Gesanges bestieg der Festpräsident Herr Bürgermeister Ziehm die Rednertribüne. Er hieß alle Sänger und diejenigen, welche zum Feste unsere Stadt mit ihrem Besuch beehrt haben, namens der städtischen Behörden und Bürgerschaft herzlichst willkommen. Redner mahnte die erschienenen Sänger, auch ferner ihrer guten Sache treu zu bleiben und den echten deutschen Männergesang noch weiter auszubauen und zu pflegen. Unser Kaiser sei ein Verehrer des wahren deutschen Gesanges, und wie Se. Majestät sollte sich jeder Deutsche die Pflege des Männergesangs am Herzen gelegen sein lassen. Nachdem in das Hoch auf Se. Maj. den Kaiser begeistert eingestimmt worden und die Musik die Nationalhymne beendet, gedachte der Herr Präsident noch mit warmen Worten des Jubelvereins. Er wünschte dem M.-G.-V. Senftenberg ein weiteres Blühen und Gedeihen und schloß mit einem "Lied hoch". Auch der Bundesvorsitzende, Herr Hauptlehrer Schiller-Finsterwalde, gedachte in einer Ansprache des Jubelvereins.

Ab Anfang Juni 1904 bereitete der Senftenberger Anzeiger die Bevölkerung der Stadt auf das Sängertreffen der Niederlausitzer Chöre, welches der Einfachheit halber auch gleich noch als 50. Geburtstagsfeier des Senftenberger Männer-Gesangsvereins fungierte, vor. Es wurden 31 Vereine mit insgesamt 822 Sängern erwartet. Die schiere Menge an Teilnehmern brachte die Unterbringungskapazitäten schnell an ihre Grenzen. Es gelang nicht, sämtliche Beteiligte in "Bürgerquartieren" unterzubringen und man richtete deshalb 8 Massenquartiere ein. Für die beiden Veranstaltungstage wurde die Senftenberger Bevölkerung gebeten, Straßen und Häuser zu schmücken. Entsprechende Materialien wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt. Maßgebliche Lokalität war das Schützenhaus und die zugehörigen Freiflächen wo die beiden Festkonzerte stattfanden, bei denen sich die einzelnen Chöre ablösten und ihr Können vor den anderen Teilnehmern und dem interessierten Publikum unter Beweis stellten. Abends fand in den beiden Sälen ein großer Ball statt, zu dem die Sänger und ihre Quartierwirte freien Eintritt hatten. Sonstigen Besuchern wurde für einen Obolus von 30 Pfennigen Einlaß gewährt.
Ein weiterer Veranstaltungsort war der Senftenberger Marktplatz, der zu diesem Zweck mit ca. 30 grün umwundenen Masten versehen wurde, die untereinander mit Girlanden verbunden waren. Bevor sich die versammelten Chöre, die aus allen Ecken der Niederlausitz kamen, hier vereinten, zogen sie in einem Festzug durch die Innenstadt (beginnend auf dem Neumarkt über Schmiedestraße-Ritterstraße- Rathausstraße-Schloßstraße-Burglehnstraße-Kirchplatz-Baderstraße-Töpferstraße-Salzmarktstraße-Kurze Straße-Schmiedestraße bis zum Markt).
Von der Zusammenkunft auf dem Markt existieren zwei Fotos, die ich nachfolgend präsentieren kann:

Senftenberg
Aufnahme = 19.06.1904
Sammlung Klaus Hauptvogel
Senftenberg
Aufnahme = 19.06.1904
Sammlung Klaus Hauptvogel
Und wenn man das zugehörige Inserat richtig deutet, sind dies auch tatsächlich die beiden einzigen Aufnahmen von diesem Ereignis...

Er beglückwünschte den M.-G.-V. Senftenberg namens des Bundes und sprach die herzliche Mahnung aus, die Mitglieder des Vereins möchten weiter in dem Dienst des deutschen Liedes bleiben, dann werde nichts das Blühen und Gedeihen des Vereins beeinträchtigen. Gestiftet wurde dem Jubelverein von den Festjungfrauen eine Fahnenschleife, von der Stadt, dem Sängerbunde und der Ortsgruppe Forst je ein Fahnennagel, und vom benachbarten M.-G.-V. "Arion"-Annahütte ein Pokal. Zum Schluß dankte Herr Beigeordneter Jurisch noch namens des Jubelvereins für alle Geschenke und alle Beihilfe, namentlich den Festjungfrauen für ihre zahlreiche Beteiligung. Als dann bewegte sich der Festzug nach dem Festplatz, dem Schützenhaus. ...