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21.11.2021
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Ende September fand im Senftenberger "Parkhotel" ein sogenannter "Alltagsstammtisch" statt, der vom Verein für Heimatpflege 1909 e.V. initiiert und durchgeführt wurde. Corona-bedingt war es nach meiner Erinnerung die einzige öffentliche Veranstaltung dieser Art, bei der sich geschichtsinteressierte (Ex-) Senftenberger zu einem bestimmten Thema austauschen können.
Ich besuche ganz gerne diese Treffen, da man dort vielleicht das Eine oder Andere erfahren kann, das man noch nicht wusste oder man trifft alte oder neue Gesichter, mit denen man zu anderen Themen plauschen kann. Besonders ziehen mich Veranstaltungen an, die mit unglaublich klingenden Aussagen beworben werden. Wie in diesem Falle mit "Ende der 50er Jahre gab es fast 30 Bäckereien in Senftenberg". Angesichts der Tatsache, daß es im Jahre 2021 lediglich noch eine Bäckerei in Senftenberg gibt, die das Handwerk "klassisch" betreibt, klingt das für sich natürlich schon einmal ziemlich "reißerisch". Ja ich weiß, auch Raddatz, Sternenbäck, Bubner, Dreißig und wie die Ketten alle heißen, nehmen für sich in Anspruch, Bäcker zu sein. Für mich sind das aber alles "Aufwärmbäcker", weshalb ich auch ganz froh bin, daß besagte einzige verbliebene Bäckerei, die Bäckerei Richter, in kurzer Schlagdistanz zu meinem Heim liegt und somit hoffentlich noch lange "echte" Brötchen für mein wochenendliches Frühstück gesichert sind.

Also fast 30 Bäcker ausgangs der 1950er Jahre... Kann das stimmen? Da ich erst 10 Jahre später auf die Welt kam, kann ich da nicht so wirklich mitreden aber ich habe mir mittlerweile einen ganz guten Überblick über die hiesige Geschäftswelt verschafft, daß ich zumindest leise Zweifel an dieser Aussage hatte.

Die Veranstaltung, die am 30. September über die Bühne ging, war gut besucht. Und wie das bei so Stammtischen ist... es wurde viel durcheinander gesprochen und nahezu jeder wollte etwas zu "seinem" Bäcker loswerden. Für meinen Geschmack fehlten der Veranstaltung ein wenig visuelle Eindrücke. Dabei ist doch gerade das Senftenberg Bäckerhandwerk vergleichsweise gut auf alten Fotos und Ansichtskarten dokumentiert worden. Aber bevor man mich fragt, hackt man sich scheinbar eher einen Arm ab...

Egal! Viel wichtiger ist doch: wurde die Aussage mit den 30 Bäckern Ende der 1950er bestätigt? Ich bin mir da nicht so sicher, da es zum Ende hin etwas unübersichtlich wurde und teilweise auch Bäcker einflossen, die nicht dem Senftenberger Kerngebiet zuzuordnen sind. Beispielsweise diese Bäckerei hier...

Experten haben es natürlich erkannt... es handelt sich um die Produktionsräume der Bäckerei am Markt in Grube Marga. Das Foto ist in schlechterer Qualität bereits vor knapp 20 Jahren einmal veröffentlicht worden. Nun also auch hier, vom Original abgenommen und digital restauriert. Die Aufnahme, die Bäckermeister Godo und seine Angestellten zeigt, stammt vermutlich aus 1912/13. Eine ähnliche Aufnahme findet man in der Chronik "Ilse Bergbau-Actiengesellschaft 1888 - 1913". Ich gehe fest davon aus, dass beide Fotos bei derselben Gelegenheit geschossen wurden.

Senftenberg
Aufnahme <= 1913
Sammlung Kathrin-Janette Bleisch
Während also Godo bzw. Nousch bei dem Stammtisch Erwähnung fanden, bin ich nicht mehr im Bilde ob die nebenstehende Bäckerei genannt wurde... Auch sie hätte aber nicht zum Senftenberger Kerngebiet gehört und deshalb außerhalb der Konkurrenz (also besagten 30) laufen müssen. Wer jetzt gerade gedanklich auf dem Schlauch steht, dem hilft ggf. nachfolgendes Inserat aus dem Senftenberger Anzeiger:
Aus der Annonce wir ersichtlich wo wir uns befinden und auch meine zeitliche Einordnung wird in gewisser Weise untermauert. Es scheint so, als ob der Geschäftsbetrieb bereits aufgenommen wurde, was ein Aufnahmedatum nach dem Januar 1939 am wahrscheinlichsten erscheinen lässt.
Rechts und links der kleinen Bäckerei fehlt weitere Bebauung, was nahelegt, dass das Haus eines der ersten war, welches in direkter Nachbarschaft zur bereits bestehenden "Frontkämpfersiedlung" errichtet wurde. Die ersten 12 Häuser besagter Siedlung wurden im September 1935 gerichtet.

Der Name Schroschk trat in Verbindung mit Backwaren noch anderweitig in Erscheinung. Herberts Vater Reinhold führte ab ca. 1908 in Brieske-Dorf eine Kolonialwarenhandlung mit angeschlossener Bäckerei. Das Geschäft wurde später vom zweiten Sohn Alfred Schroschk weitergeführt.

Und genau solche Detailfragen halte ich für nicht ganz unwichtig bei der Frage, ob das mit den 30 Bäckereien, die (so muss man das interpretieren) gleichzeitig in Senftenberg im Geschäft waren, stimmen kann.

Ich hätte mir gewünscht, daß eine Nachbereitung dieses Alltagsstammtisches stattgefunden hätte. Vielleicht hat es das auch, nur mir und sicher vielen anderen sind keine Ergebnisse bekannt gemacht worden...
Wie hätte das aussehen können? Für die beiden heute bildlich vorgestellten Bäckereien etwa so:

Grube Marga/Brieske, Markt
Ewald Godo → Fritz Nousch → Manfred Nousch → Lothar Haiasch → Leane Lösche

Grube Marga/Brieske, Schlageterstraße/Phillip-Müller-Straße
Herbert Schroschk → Helmut Keutel

Auf diese Weise ließen sich die Abfolgen (es gab ja in den seltensten Fällen neu aus dem Boden gestampfte Backstuben) der Meister für sämtliche Senftenberger Bäckereien darstellen, womit der Flut von Namen, die in diesem Zusammenhang auftauchen eine gewisse Ordnung verliehen würde und man letztlich definitiv sagen kann, wieviele Brot- und Backwarenproduzenten dereinst tatsächlich in Senftenberg tätig waren.

Es müsste einfach nur mal jemand tun!

Senftenberg
Aufnahme <= 1939
Sammlung Gerd Petsch
Wo wohl diese Kinder Brot einholen gingen?
Am Markt bei Nousch oder doch lieber bei Schroschk in der Schlageterstraße?