Senftenberger Anzeiger (07.07.1932)
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Senftenberg, 11. Juli.
Die Zentrale des Senftenberger Braunkohlenreviers stand am gestrigen
Sonntag im Zeichen Adolf Hitlers. Nahezu 2000 seiner Anhänger der vordersten
Linie waren aus dem Bereich der Standarte 52 herbeigeeilt, um im Rahmen
einer machtvollen Kundgebung für den Nationalsozialismus zu zeugen. Der
Aufzug der braunen Regimenter, der Umzug durch die Stadt vollzog sich in
mustergültiger Ordnung und in straffer Disziplin, die weit und breit größte
Anerkennung abrangen und die Größe der nationalsozialistischen Idee in
überaus eindrucksvoller Form unter Beweis stellte. Reibungsloser Ablauf des
umfangreichen Programms, in einzelnen Teilen über den vorgesehenen Plan
hinaus, die Verpflegung von über 1900 Parteimitgliedern verrieten beste
Organisation und treffliche Vorbereitung, die durch Opferwilligkeit der
Bürgerschaft weitgehendste Unterstützung fand. Das taktvolle und umsichtige
Verhalten der mit der Reglung des Verkehrs udn der störungsfreien Durchführung
betrauten kommunalen Polizei im Einvernehmen mit der Schutzpolizei hat nicht
zuletzt beitragen helfen, Reibungspunkte zu verhindern.
Die Kundgebung nahm Sonnabend durch ein Platzkonzert der Bergkapelle Grube
Marga unter Leitung von Kapellmeister Br. Torn auf dem von Zuschauern dicht
umsäumten Marktplatze ihren Anfang. Nach Einbruch der Dämmerung fand ein
Zapfenstreich statt, den zahlreiche Begeisterte erwarteten. Ihm schlossen sich
Manöverball im Schützenhause und im Gesellschaftshause an. Um 6 Uhr des
Haupttages kündete der Weckruf des Sturmes 44 die Hauptveranstaltung an. Im
Verlaufe des Vormittags wurde mit anschließender Besichtigung auf dem
Schützenhausplatze Appell abgehalten.
Soweit der Senftenberger Anzeiger mit dem ersten Teil der Nachschau
des am 9. und 10. Juli in Senftenberg stattgefundenen Nazi-Aufmarsches, der im
übrigen den Reichstagswahlkampf im Kreis Calau eröffnete. Zumindest aus Sicht
der Nationalsozailisten.
Die Fotos ganz oben untermalen das Ganze bildlich. Wann die Aufnahmen ganz konkret
gemacht wurden, ist fraglich...
Alle drei stehen in engem zeitlichen Zusammenhang und gehen örtlich ohnehin konform.
Da wir auf dem linken Foto die Bergkapelle von Grube Marga sehen, nehme ich an,
daß wir hier dem Marsch in Richtung des Marktplatzes beiwohnen, auf welchem danach
das oben angedeutete Platzkonzert stattfand. Während das Programm (links) vom
Sonntag (10.) spricht, berichtet die Lokalpresse von einem am Samstag (9.)
stattgefundenen Platzkonzert der Bergkapelle.
Was mich hierbei noch mehr verwundert ist, daß sich die Bergkapelle überhaupt zu
dieser Form der Unterstützung der braunen Gesellen hat hinreissen lassen. Immerhin
schreiben wir noch das Jahr 1932 und die NSDAP erreichte in den nachfolgenden
Reichstagswahlen vom 31. Juli zwar starke Zuwächse, war aber noch von einer absoluten
Mehrheit entfernt. Die sogenannte "Machtergreifung Hitlers" durch dessen Ernennung
zum Reichskanzler fand erst am 30. Januar 1933 statt. Danach und durch die
Gleichschaltung sämtlicher Lebensbereiche im Deutschen Reich hätte mich die Teilnahme
der Bergkapelle nicht überrascht, im Juli 1932 jedoch schon.
Senftenberger Anzeiger (09.07.1932)
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