Franz Kachel Senftenberg N./L. Gross-Räschen N./L. Aufnahme <= 1930 Dr.-Otto-Rindt-Oberschule Senftenberg
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Die vier hier abgebildeten Fotos umranken ein, zwei Fragezeichen. Was wir wissen: Die 4 Fotos wurden
kommentarlos auf die beiden Deckelinnenseiten der Chronik der Schule III (1909-1932) geklebt. Möglicherweise
würden die Stücke durch das physische Herauslösen auf ihren Rückseiten mehr Informationen preis geben. Dies
ist jedoch bislang nicht erfolgt.
Was ich vermute ist erstens, daß alle vier Aufnahmen von ein und demselben Ereigenis stammen. Bei den ersten
drei ist das wohl unstrittig. Aufnahme Nummer vier müsste demnach in die Richtung zeigen, aus welcher
ungefähr die ersten drei gemacht wurden.
Zweitens nehme ich an, daß die abgebildeten Szenen irgend etwas mit den jährlich stattfindenden Reichsjugendwettkämpfen
zu tun haben. Diese Wettkämpfe wurden im Jahr 1919 durch Carl Diem, seines Zeichens Generalsekretär des Deutschen
Reichsauschuss für Leibesübungen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Turnerschaft initiiert. Sie sollten von den
Schulen und Gemeinden gemeinsam ausgerichtet werden, wurden bis 1923/24 jedoch überwiegend von den Gemeinden
durchgeführt. Erst die große Resonanz, die die Reichsjugendwettkämpfe unter den Jugendlichen hervorief,
veranlasste die Kultusminister der Länder deren Ausrichtungen auch an den Schulen zu empfehlen. Vorgesehen war
ein leichtathletischer Dreikampf (Laufen, Werfen, Springen), der um eine Schwimmdisziplin erweitert werden konnte.
Außerdem waren ergänzende Wettkämpfe am Reck und Pferd möglich. Eines der grundlegenden Prinzipen war, die
Wettkämpfe nicht zu Wettkämpfen Einzelner, sondern zu einem festlichen Wettstreit von Mannschaften zu machen.
Und zu diesen, in der Regel zwischen August und September durchgeführten Reichsjugendwettkämpfen, finden sich beginnend 1924
handschriftliche Einträge in der Schulchronik, die zumeist durch Zeitungsausschnitte aus der lokalen Presse
ergänzt wurden.
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Die Frage nach dem konkreten Jahr, in welches uns die 4 Fotos versetzen, kann ich derzeit leider nicht
annähernd genau beantworten. Selbst das angenommene <= 1930 kommt mehr aus dem Bauch, als daß es dafür konkrete
Anhaltspunkte gibt. Ein Problem besteht darin, daß ich den Sportplatz nicht wirklich fixieren kann. Die Wettkämpfe
fanden nämlich zuweilen an verschiedenen Orten statt...
1925 - M.T.V. Platz an der Briesker Straße
1926 - Sportplatz der Freien Turnerschaft an der Mittelstraße
1927 - M.T.V. Platz an der Briesker Straße
1928 - Sportplatz der Freien Turnerschaft an der Mittelstraße
1929 - Sportplatz der Freien Turnerschaft an der Mittelstraße
1930 - Sportplatz der Freien Turnerschaft an der Mittelstraße
Wir haben also in dem Zeitraum 1925 - 1930 viermal den Sportplatz an der Mittelstraße in unmittelbarer Nachbarschaft
der Schule und zweimal den Sportplatz des Männer-Turn-Vereins an der Briesker Straße. Da ich den Damm auf dem vierten
Foto als Bahndamm interpretiere, kann es die Mittelstraße eigentlich nicht sein. Aber wo befand sich der Sportplatz des M.T.V.?
Auf dem Gelände, welches auch heutzutage noch einen Sportplatz beherbergt oder war es jener, der sich hinter dem
Schützenhaus entlang der Augustastraße zog? Ehrliche Antwort? Ich habe keine Ahnung! Es spricht ebenso viel für eine der
beiden Varianten wie dagegen.
Wie es bei diesen Reichsjugendwettkämpfen zuging, vermittelt ein zeitgenössischer Bericht.
Vom schönsten Wetter begünstigt, konnten am vergangenen Montag die hiesigen Volksschulen
gemeinsam mit der Mädchen- und Mittelschule die Reichsjugendwettkämpfe abhalten. Der
Vormittag vereinigte auf dem Turnplatz des M.-T.-V. etwa 425 Schüler und Schülerinnen,
die in Lauf, Sprung und Wurf um den Siegerpreis, das Diplom des Reichsausschusses für
Leibesübungen, rangen. Recht gute Leistungen wurden gezeigt. 100 Meter sind öfters in
15 Skd. gelaufen worden; die beste Zeit beträgt 14,4 Skd. Im Sprung erreichen viele Knaben
knapp die 4 Meter-Grenze; die besten Sprünge, von 2 Schülern erreicht, betragen 4,30 Meter.
Die besten Schlagballwürfe betragen 66, 65 und 63 Meter. Die Mädchen liefern ausgezeichnete
Resultate im Lauf und Sprung. Zeiten von 12 Skd. im 75 Meter-Lauf sind öfters zu finden;
beste Zeit 11 Skd. Sprünge von 3 Metern sind äußerst viel erreicht; bester Sprung 3,97 Meter;
3 Mädchen erreichen 3,90 Meter. Nur im Wurf sieht's böse aus. Oft genug hat der ungeschickte
Wurf eine der fleißigsten Kämpferinnen um den Preis gebracht. Um 3 Uhr zogen die Schulen, die
sich im Sternmarsch auf dem Marktplatz getroffen hatten, zum Festplatz. Hier begrüßte Herr
Schulrat Schmidt die Schüler und Schülerinnen und wies ihnen die hohe Bedeutung der Wettkämpfe
in ihrem körperlichen und sittlichen Wert auf. Dem Vaterlande wurde ein dreifaches Hoch
dargebracht und das Deutschlandlied klang aus Hunderten frischen Kinderkehlen. Danach führten
etwa 800 Schüler und Schülerinnen zufriedenstellend allgemeine Freiübungen vor. Im Wechsel
folgten sich Spiel, Volkstanz, Tauziehen. Leider mußten die Musterriegen am Barren und im
Stabhochsprung ausfallen, da die Schüler doch etwas zu überanstrengt waren nach dem vorhergehenden
Schlagballspiel.
Leider verzögerte die langwierige Berechnung der Kampflisten die Siegerverkündigung, und der
Himmel goß auch noch etwas Naß ins Eichenlaub. Dann ging es mit Musik und Lichterschein der
Lampions hinein in die Stadt. Herr Schulrat Schmidt schloß das Fest auf dem Marktplatze in
einer kurzen Ansprache, die in einem Hoch auf unser Vaterland ausklang. Der Gesang unseres
Deutschlandliedes verhallte, die Jungen und die Eltern gingen heimwärts, hoffentlich mit dem
Bewußtsein, daß die Reichsjugendwettkämpfe auch einen Markstein im Aufstiege unseres Volkes
bedeuten. - Leider wurde in der Nacht die zum Trocknen auf der verschlossenen Tribüne des
Turnerheims ausgelegte Reichsflagge gestohlen. Da das Tuch praktisch gar keine Verwendung
finden kann, liegen nur politische Momente vor. Einen recht bedauerlichen Tiefstand seiner
politischen Ansichten bekundet der Dieb. Es leiden hier am meisten die Kinder, denn ein Teil
des Ueberschusses muß zur Neuanschaffung der Fahne, die der Schule IV gehörte, verwendet werden
und geht so seinem eigentlichen Zwecke, Anschaffung von Spielgeräten, verloren.
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