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22.12.2024
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Sehr stilvoll! Mit diesem Schreiben (mir lag tatsächlich ein Original vor) lud man damals Personen aus der Umgebung von Grube Marga zur festlichen Einweihung der dortigen Kirche ein. Das war im Dezember 1914. Die im Text erwähnte Fest-Ordnung stellte ich vor ziemlich genau 10 Jahren hier vor. Dies erfolgte anlässlich der 100. Wiederkehr jenes historischen Ereignisses. Heute - also kurz nach dem 110. Jahrestag - folgt ein wenig mehr Material, wobei ich das Ganze thematisch eigentlich schon anno 2014 abgehandelt hatte. Meine nachfolgenden Gedanken werden zwar um die Briesker Kirche kreisen, werfen aber mehr Fragen auf als daß sie Antworten geben werden.

Okay. 110 Jahre ist jetzt nicht ein ganz so markantes Jubiläum wie 100 oder 125. Deshalb kochte man dieser Tage das Erinnern an diesen wichtigen Zeitpunkt in der Geschichte von Grube Marga/Brieske sowie der hiesigen Kirchengemeinde wohl eher auf Sparflamme. Am 18.12.2024 war im Vorraum der Kirche eine kleine Ausstellung mit Fotografien eingerichtet. Von 16 bis 18 Uhr hatte jeder Interessierte die Möglichkeit sich diese Exposition zu Gemüte zu führen. Was ich getan habe.

Senftenberg
Emil Weissgärber
Photograph
Senftenberg N/L
Aufnahme <= 1955
Sammlung Gerd Petsch
110 Jahre Kirchengeschichte in unter 2 Minuten! So lange brauchte ich, um mir einen Überblick zu verschaffen. Die mehrheitlich an Wäscheleinen drapierten Aufnahmen taugen in der Regel nicht die Historie der Kirche zu beleuchten. Das Augenmerk lag vielleicht mehr auf "Schönheit" und/oder "Kunst" als auf Illustration der 110-jährigen Geschichte des Gotteshauses.
Fotos in der Art der beiden hier links und rechts suchte man vergebens. Leider fehlte auch die Aufnahme von dem im April 1945 zerschossenen Kirchturm, die ich anderweitig schon einmal in miserabler Qualität gesehen habe.

Nicht aus 1945 stammt übrigens das Foto rechts, das Schäden an der Fassade dokumentiert. Ganz klar vor 1989 doch ich bin unsicher ob es nicht schon Anfang der 1980er war, als diese riesigen Schollen Putz abgingen. Solcherart Verfall setzte sich bis zur Wende ungebremst fort, wodurch 1990 die Fassade in einem erbärmlichen Zustand war. Diesem wurde erst durch die Rekonstruktion im Rahmen des "Aufbau Ost" Abhilfe geschaffen.

Abseits fotografischer Aufnahmen war die Präsentation von Dokumenten auch eher dürftig. Ein Pappaufsteller, der schon vor Jahren geschaffen wurde und vier aus der Ilse-Chronik von 1938 gescannte und ausgedruckte Seiten. Für mein Empfinden insgesamt ziemlich enttäuschend.

Senftenberg
Aufnahme <= 1989
Sammlung Matthias Gleisner
Mich hätte beispielweise interessiert, ob eine umfassende Dokumentation zu dem sagenhaften Schatz existiert, der sich in der Kugel unter dem Kreuz, dem sogenannten Turmknauf befindet. Schatz? Nein kein Gold, kein Silber, keine Edelsteine! Stattdessen historische Dokumente, die darin eingeschlossen wurden. Auf diesen Umstand wurde ich erstmals durch das Wolfgang Joswig'sche Buch "Marga - Die erste deutsche Gartenstadt" aufmerksam gemacht. Der Autor gibt dabei zu Protokoll, daß bei den Sanierungsarbeiten 1991/92 diese "Zeitkapsel" geöffnet wurde und dabei vier großformatige und gerahmte Diapositive gefunden wurden, die Ansichten von Marga anno 1913/14 zeigen. Und das in Echtfarben!
Die Dias wurden damals reproduziert und erschienen daraufhin in besagtem Buch. Um danach die Originale wieder ca. 40 Meter über dem Erdboden einzuschließen. Ehrlich? Ich halte das für keine gute Idee. Die Dias wurden mit der vor 35 Jahren zur Verfügung stehenden Technik reproduziert. Doch sehr wahrscheinlich wäre eine Digitalisierung der Ansichten heutzutage von sehr viel besserer Qualität und wir müssten die Aufnahmen nicht aus dem Joswig-Buch abscannen, welches bis zum heutigen Tag die einzige Quelle für die Farbfotos darstellt. Davon abgesehen ist der Lagerort, der keine stabilen Temperaturen gewährleisten kann, bestimmt nicht optimal. Wobei man zugeben muß, daß die Dias ja auch die vorangegangenen 75 Jahre mindestens so weit überstanden haben, daß sich noch verwendbar waren. Was ich persönlich schon für eine mittlere Sensation halte.
Ich verhehle nicht, daß ich mir hinsichtlich der vier Dias nichts mehr wünsche, als daß sie mindestens für einen state-of-the-art-Scan schnellstmöglich aus ihrem Gefängnis unter dem 2 Meter hohen Kreuz befreit würden. Doch bei welcher Gelegenheit sollte das in dieser luftigen Höhe erfolgen?

Nun waren die Dias nicht das einzige, das man 1991 im Turmknauf fand. Joswig schweigt sich dazu aus doch mir fiel vor einiger Zeit ein Artikel aus der "Lausitzer Rundschau" vom 12. Oktober 1991 in die Hände, der diesbezüglich etwas mehr Informationen liefert. Wobei der für heute relevante Teil lediglich aus zwei Abbildungen und der zugehörigen Bildunterschrift besteht. Siehe nachfolgendes Faksimile:

Ich habe Fragen!

In der Bildunterschrift steht "viele Postkarten von Brieske"... Natürlich weckt eine solche Aussage meine erhöhte Aufmerksamkeit. Ich identifiziere auf dem Foto 4 Ansichtskarten (alle bekannt und Bestandteil des digitalen Archivs) und eine Fotografie. Bei letzterer handelt es sich offensichtlich um das Foto von der "Kaiserkrone", das nochmals separat reproduziert wurde. 5 Ansichtskarten/Fotos sind für meine Verhältnisse nicht "viele". Deshalb die Frage: befanden sich weitere Stücke in dem Knauf und wenn ja welche?
Die abgebildeten Bücher sind unstrittig. Zum einen die Chronik der Ilse-AG zu deren 25-jährigem Jubiläum und zum anderen die "Heimatkunde des Kreises Calau für Volksschulen" von Paulitz. Letzteres Büchlein - wie auch eine der Zeitungen - scheint etwas (wasser-)geschädigt. Beide Bücher sind nicht sooo selten. Die "Heimatkunde" vielleicht etwas mehr als die Chronik, die man eigentlich ständig im antiquarischen Buchhandel erstehen kann. Ich selbst besitze von beiden Publikationen ein Original.
Apropos "Zeitungen". Hat mal jemand auf die Erscheinungsdaten geschaut? Ich erkenne einen "Senftenberger Anzeiger" vom 25. September 1913 und einen vom 29. Januar 1927. Das passt in beiden Fällen mal so überhaupt nicht zum Dezember 1914! Aber es kommt noch dicker!
Die abgebildeten Geldscheine sind Zahlungsmittel aus der Hyperinflationszeit. Konkret handelt es sich um 500.000 Mark vom 1. Mai 1923, 20 Millionen Mark vom 25. Juli 1923 und schliesslich 100 Millionen Mark vom 22. August 1923.

Hat irgendwer eine plausible Erklärung für diesen Parforce-Ritt durch die Jahre? Ob in dem Gesamt-Konvolut irgend etwas aus dem Dezember 1914 (was jeder vermuten würde) stammt, ist unklar. Hierfür bräuchte man eben eine Dokumentation des Bestandes, so wie er 1991 vorlag. Was soll uns die Zeitung vom September 1913 erzählen? Wurde schon zu einem so frühen Zeitpunkt und noch mehr als einem Jahr bis zur Einweihung, die Zeitkapsel initial bestückt? Ich kann mir nicht vorstellen, daß im September 1913, also zweieinhalb Monate nach Grundsteinlegung bereits der Turm der Kirche so weit fertiggestellt war, daß man diesen mit dem Kreuz krönen konnte.
Die Zeitungsausgabe enthält übrigens nicht den Hauch einer Nachricht, die man irgendwie mit der Kirche in Grube Marga und/oder der Ilse-Bergbau AG als Hauptsponsor des Baus in Verbindung bringen kann. Gleiches gilt für die Nummer vom Januar 1927. Zumindest diese Ausgabe lässt den Schluß zu, daß die Zeitkapsel frühestens an jenem 29.01.1927 (nochmals) geöffnet worden war. Warum steht in den Sternen. Auch ob man erst bei dieser Gelegenheit die Inflationswährung von 1923 darin deponierte oder ob es zwischenzeitlich eine weitere Bestückung des Ganzen gab.
Viele Fragen - keine Antworten.

Vor 10 Jahren erwähnte ich übrigens auch, daß das Kirchengebäude - namentlich das Kirchenschiff - ursprünglich eine etwas andere Form haben sollte. Diese Information beruht meines Wissen aber nicht auf echten Entwürfen v. Mayenburgs sondern resultiert ausnahmslos aus dem Modell der Kolonie, das 1911 auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden präsentiert wurde bzw. einer Zeichnung, von der ich glaube, daß sie auf Grundlage eben jenes Modells angefertigt wurde.

Stichwort "Modell" - Stichwort "Hygiene-Ausstellung" - Stichwort "Sensation"... Zumindest für mich ist das Auftauchen des rechts abgebildeten Werbeartikels im Postkartenformat eine Riesensensation! Nach Jahren, in denen wir nur die eine einzige Perspektive auf besagtes Modell in Form von Ansichtskarten hatten, kommt nun quasi eine Komplettansicht des Modells zum Vorschein. Sie zeigt Grube Marga aus nord-östlicher Richtung und erstmals das was v. Mayenburg für den Süden und Südwesten der Gartenstadt geplant hatte. Ist doch ein Knaller, oder?
Nicht auszudenken, wenn dieser Plan tatsächlich bis zum Schluß realisiert worden wäre!

Wer genauere Vergleiche zwischen den (nunmehr) zwei Modell-Ansichten anstellt, wird merken, daß es da ein paar Differenzen gibt. So finden wir auf der heute vorgestellten Perspektive beispielweise die Gebäude des Gutes Viktoriahof nicht. Was hat das nun wieder zu bedeuten? Gab es mehrere Varianten des Modells? Welche Version wurde in Dresden tatsächlich gezeigt?
Schon wieder Fragen über Fragen...

Senftenberg
Aufnahme = 1911
Sammlung Matthias Gleisner
Um am Ende den Kreis etwas zu schliessen... So etwas geisterte anno 1932 - sogar deutschlandweit - durch die Presse. Gehört irgendwie auch zur Geschichte der Briesker Kirche, oder?

Gütersloher Volkszeitung (12. Mai 1932)