Verlag Otto Lieske, Senftenberg / N.-L. Nr. 63462 Aufnahme <= 1938 Sammlung Erika Fischer
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Die nachvollziehbare, heisst: durch die lokale Presse belegte, Geburtsstunde des Senftenberger Tierparks schlug
im März des Jahres 1931. Der Senftenberger Anzeiger brachte am 09. März folgende Nachricht:
... Die Senftenberger Stadtverwaltung plant mit der Stadtparkerweiterung einen besonderen Anziehungspunkt
zu schaffen. Sie will einen Wildgarten errichten und diesen mit Rotwild, Rehen und allerlei anderem
Getier besetzen. Sollte der Plan zustande kommen, wird sich die Errichtung eines Gatters und die Einziehung des
Weges an der Südseite des Schloßwalls (zwischen der großen Eiche und der Laube in der Nähe der Fischbachbrücke)
notwendig machen. Das Pulvertürmchen soll als Vogelhaus Verwendung finden, rundherum wird das Gelände zu einem
Vogelgehege für verschiedene Arten Fasanen und Ziergeflügel hergerichtet. Hoffentlich gelingt es, die Vorarbeiten
zu diesem von dem verstorbenen Schöpfer des Stadtparks Rud. Neumann begonnen Werke noch in diesem Frühjahr in
Angriff zu nehmen.
Soweit der Plan. Wie wir heute wissen, wurde die Idee mit dem Pulverhäuschen schnell wieder fallen gelassen. Wie vom
Senftenberger Anzeiger erhofft, gingen die Arbeiten an der Umsetzung rüstig voran...
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Photo-Atelier Ernst Wenzel, Senftenberg, Calauerstr. 13, Tel. 283 Echte Photographie 734 Aufnahme <= 19?? Sammlung Fred Förster
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Gut drei Wochen später meldete der Senftenberger Anzeiger:
Der Magistrat hat in seiner Sitzung vom 31.März beschlossen, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel die
Einrichtung eines Wildparks im Stadtpark zu betreiben. Diese Maßnahme kann jedoch nur dann durchgeführt werden,
wenn sich die Allgemeinheit an der Beschaffung der Mittel in irgendeiner Form beteiligt. Der Wildpark selber soll
zwischen Elster und dem Gymnasium errichtet werden. Die dort zur Verfügung stehende Fläche wird eingezäunt. In
großen Teilen der Bevölkerung ist bereits für diese Einrichtung ein lebhaftes Interesse zu bemerken; insbesondere
haben die Tierzüchter, darunter besonders die Vogelzüchter, die Absicht, an diesem Werk, was der Allgemeinheit
dienen soll, mitzuarbeiten. Um dem Wilde, es handelt sich u.a. um vier von Forstverwalter Heusohn, Zschipkau,
angekaufte Hirsche, entsprechende Unterkunft zu gewähren, wird es vorerst notwendig, weitere Anpflanzungen vorzunehmen,
die gleichfalls den Tieren für die Sommermonate Aesung bieten.
Anfang Mai 1931 stritt man sich in einer Stadtverordnetenversammlung über die "geschaffenen Tatsachen". Einige
Stadtverordnete des bürgerlichen Lagers kritisierten, dass die Stadtverordnetenversammlung übergangen worden sei,
was Bürgermeister Lindemann und die Sozialdemokraten bestritten. Man klammerte sich an Formalien, namentlich der Frage,
ob es sich bei der Errichtung des Wildparkes um einen Eingriff in die Zweckbestimmung des Stadtparkes, nämlich
"zu Spaziergängen des Volkes" handelt oder nicht und ob man deswegen hätte die Stadtverordnetenversammlung befragen müssen.
Nach einigem Hin und Her, machte Bürgermeister Lindemann Zugeständnisse in Form des Versprechens, dass der Magistrat
eine entsprechende Vorlage nachreichen würde. Damit war die Opposition zufrieden und nahm von weiterem Störfeuer zunächst
Abstand.
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Kunstverlag Reinhard Rothe. (F. Mühlbach) Meißen R 71693 Echt Photo Nr.1918 Aufnahme <= 1938 Sammlung Matthias Gleisner
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In den folgenden Wochen berichtete die Lokalpresse in regelmäßigen Abständen vom Fortschritt der Arbeiten und erwähnte
unter anderem weiterführende Pläne...
... Nach erfolgter Übersiedlung des Gymnasiums in den bevorstehenden Neubau ist in Aussicht genommen, auch das
Kommandantenhaus auf dem äußeren Schloßhof für die Zwecke des Tierparks nutzbar zu machen. Vorgesehen ist, darin
eine vogelkundliche Sammlung mit lebenden und präparierten Vögeln und ornithologischen Seltenheiten anzulegen und in
den unteren Räumen eine Milchtrinkhalle einzurichten.
Bezüglich der Finanzierung vermeldete man erfreut, dass aus den Kreisen der Einwohnerschaft die finanzielle Mithilfe
in Anbetracht der Umstände reichlich eingegangen ist und dass der Erlös aus dem Verkauf noch herzustellender
Postkarten für die Ausgestaltung des Tierparkes Verwendung finden könnte.
Senftenberger Anzeiger (Dezember 1931)
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... Die baulichen Arbeiten, so die Errichtung des Wildhäuschens an der Südseite des Walls aus dem bei der Ausholzung gewonnenen Material,
schreiten rüstig vorwärts, während der Bau der Umzäunung etwas ins Stocken geraten ist. Sicherlich wird sich dieser Mangel schnell beheben
lassen, so daß die Übergabe des Tierparks an die Öffentlichkeit nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. (28.Mai 1931)
Die Arbeiten zur Ausgestaltung des Tierparks im Rahmen einer Vergrößerung unseres Stadtparks stehen vor ihrer Vollendung. Sie sind soweit
gediehen, daß morgen vormittag die Besetzung mit Hirschen und Rehen vorgenommen werden kann. ... Weiterhin werden ein Rehbock und eine Ricke
noch in den Tierpark und ein Paar schwarze Schwäne in den Stadtparkteich eingesetzt. Die vorgesehene Besetzung des Vogelgeheges mit der
Einsetzung eines Waschbärenpärchens muß vorläufig noch zurückgestellt werden, da das Vogelgehege noch seiner Vollendung harrt. Für das
Wassergeflügel ist inzwischen am Ostufer des Stadtparkteiches ein Schutzhäuschen hergestellt worden. Alle für den Tierpark notwendig gewesenen
Baulichkeiten sind aus dem beim Ausholzen des alten Parks entfallenden Holz hergestellt worden. Die Außenwände tragen das natürliche Rindenkleid,
wodurch ein schöner, anheimelnder Eindruck erzielt wurde. (11.Juni 1931)
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Verlag Gebr. Grubann. Senftenberg N.-L. R. 71663 Echt Photo Nr.1915 Aufnahme <= 1938 Sammlung Norbert Jurk
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Angesichts der links abgebildeten Postkarte möchte ich darauf hinweisen, dass ich bei der Restauration absichtlich nicht korrigierend
eingegriffen habe... Zwar hätte ich einige wenige Übergänge kaschieren können, die bei der damaligen Manipulation der Motive, namentlich dem
Einsetzen von Tieren (und damit ist nicht das oben beschriebene "Einsetzen" gemeint) entstanden. Aber das hätte die unfreiwillige Komik auch
nicht abgemildert. Die Arbeiten wurden derart schlecht ausgeführt, dass es einen beim Betrachten der vergrößerten Versionen geradezu gruselt.
Ein feierliche Eröffnung des Tierparks gab es offenbar nicht. Zumindest berichtete der Senftenberger Anzeiger nicht darüber und
deswegen muss man davon ausgehen, dass die Übergabe an die Allgemeinheit schleichend ohne grosses Brimborium stattfand. Am 15. Juni schrieb man
über den vorangegangenen Sonntag: Im Stadtinneren bildete der neu eingerichtete Tierpark den Hauptanziehungspunkt. Die neue Umgegend und der
starke Menschenstrom an den Hauptwegen machte die Hirsche zeitweise unsichtbar, während das Rehwild sich oftmals den Blicken zeigte. Das
Schwanenpärchen hatte bereits einen Ausflug in die Sornoer Elster gemacht. Es konnte aber wieder eingefangen werden.
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Drei Wochen später war der Tierpark erneut Thema in der Stadtverordnetenversammlung. Erstens echauffierte sich die bürgerliche Opposition über
die schlechte Bezahlung der (Notstands-)Arbeiter, die bei den Arbeiten im Einsatz waren und zweitens warf man Bürgermeister Lindemann vor, aussergewöhnlich
hohen Druck bei der Generierung der freiwilligen Spenden ausgeübt zu haben. Die Opposition glaubte, dass viele der Spender "unter dem Drucke der
Autorität oder zum mindesten in der Erwartung, später Aufträge von der Stadt zu erhalten, gehandelt hätten. Die Spenden seien aus einem gewissen
Hörigkeitsgefühle zustande gekommen. Aus der Angst, mit Lieferungen und Aufträgen nicht bedacht zu werden, habe mancher gespendet." Das Ganze
gipfelte schliesslich in persönlichen Beleidigungen, wonach man zum nächsten Tagesordnungspunkt überging.
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Verlag: Schöning & Co., Lübeck 63461 d Aufnahme <= 1938 Sammlung Fred Förster
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Der Senftenberger Anzeiger kam seinerseits nicht umhin, kommentierend in das ganze Hick-Hack einzugreifen:
Aus dem "Für und Wider" um den Tierpark, das wir allerseits mehr oder weniger leidenschaftlich erörtern hören, fällt uns immer wieder eine ganz
falsche Auffassung der Grundidee auf. Der Tierpark ist aus der Idee heraus entstanden, der Stadt Senftenberg, die in einer Sandwüste liegt, wie sie
keine zweite deutsche Stadt als Umgebung aufzuweisen hat, ein Stück Natur zu schaffen und zu erhalten. Die Industrie hat den Wald verschlungen und
mit ihm unsere heimatlichen Tiere und Waldvögel. Wo früher Rehe in Rudeln ästen, Hirsche schrieen, Auerhähne balzten, Hasen sprangen, Fuchs und Dachs
ihre Höhlen bauten, sehen wir teilweise öde Sandkippen, Tagebauten, sowie Fabrikschlote. Bagger rattern, Kohlenzüge rasen vorbei, über allem liegt
eine feine Schicht von Kohlenstaub und Sand. Daß unter diesen Umständen der Wunsch nahe lag, unserer Stadt wieder ein Stück Natur zu schaffen, ist sehr
verständlich und als menschenfreundliche Handlung zu begrüßen. Selbstverständlich ist nicht daran gedacht, exotische Tiere hier anzusiedeln. Nur unserem
deutschen Wild soll eine Heimstätte geschaffen werden, und zwar sollen nur solche Tiere und Vögel eingesetzt werden, die weder besonderer Pflege
bedürfen, noch hohe Unterhaltungskosten verlangen. Rehe, Damwild, Edelhirsche, Wildschweine sollen den Wildbestand bilden, Schwäne und Zierenten das
Wasser beleben, einheimische Vögel sollen die Volieren bevölkern. Zur Ergänzung des Bildes soll eine Sammlung ausgestopfter Tiere und Vögel angelegt
werden, die hauptsächlich beim Anschauungsunterricht in den Senftenberger und umliegenden Schulen dienen soll. Darüber wird sich alt und jung an dem
Anblick der lebenden Tiere erfreuen, ganz besonders, da es dazu in unserer Gegend sonst keine Gelegenheit mehr gibt. Natürlich kann der Aufbau des
Tierparks nur allmählich erfolgen, da die Stadt in der Hauptsache auf Geschenke angewiesen ist; es wird aber dauernd weiter daran gearbeitet, den
Tierpark soweit wie möglich auszubauen. Um das Bild zu beleben und besonders den Kindern Freude zu machen, soll demnächst ein Pärchen Rhesusäffchen
in den Tierbestand eingefügt werden. Der Sinn des soviel befehdeten Tierparks ist also, auch den Minderbemittelten ein Stück Naturbeobachtung zu
ermöglichen; das ist besonders in der heutigen Zeit notwendig, wo es vielen Menschen nicht mehr möglich ist, selbst kleinere Ausflüge in die Natur zu
unternehmen. Für diese ist aber der Tierpark besonders gedacht, ohne daß man die Andern dabei auszuschließen braucht, die die Möglichkeit haben, auf
Reisen Tiere in der Freiheut zu bewundern. Wenn auch für sie der Tierpark keine besonderen Anziehungspunkte hat, weil sie Schöneres kennen kennen, so
kann dadurch die tatsache nicht verwischt werden, daß hier ein dankenswertes Werk geschaffen worden ist, mit verhältnismäßig geringen Mitteln, aber
unter Aufwendung vieler liebevoller Arbeit, für die Beteiligten großer Dank gebührt.
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Photo-Atelier Ernst Wenzel, Senftenberg, Calauerstr. 13, Tel. 283 Echte Photographie c36 Aufnahme <= 19?? Sammlung Erika Fischer
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Während die Gruppe der Globetrotter und auf Safari gehenden Grosswildjäger, von der im letzten Teil des Kommentars die Rede war,
überschaubar war, wurde der neue Tierpark von der entgegengesetzten Bevölkerungsschicht, für die der Park im Wesentlichen
gedacht war, überaus positiv angenommen. Im Oktober meldet der Senftenberger Anzeiger:
Die steigende Besucherzahl läßt erkennen, daß das Interesse aller Bevölkerungsschichten für diese Einrichtung stätig steigt.
Sind doch bis zum 27. des Monats, also in einem Zeitraum von 3 Wochen, nicht weniger als 6781 Besucher gezählt worden. An den
beiden letzten Sonntagen waren es 1442 bzw. 1305. An den Wochentagen schwankte die Besucherzahl regelmäßig zwischen 2-300.
Dieser Besucheransturm führte gleichzeitig zu neuen Problemen...
Schaffung einer Bedürfnishalle im Stadtpark. Der überaus starke Verkehr im Stadtpark und im Tierpark macht die Schaffung
einer Bedürfnisanstalt notwendig. Um große Unkosten zu vermeiden, wäre die Frage zu prüfen, ob nicht ein Teil der im Hofe des
Schlosses befindlichen Anlage für das Publikum freigegeben werden könnte. Die Benutzer würden sicherlich gern bereit sein, einen
kleinen Beitrag zur Sauberhaltung usw. zu geben.
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Nach einigen Nachrichten über den Zuwachs des Tierbestandes einerseits und den positiven Effekt der Einrichtung, den man gut an
den konstanten Zahlen von rund 2000 Besuchern/Woche ablesen konnte, andererseits, verschwand der Tierpark in den Jahren nach 1932 nahezu vollständig
aus dem Fokus der lokalen Presse. Ab 1933 forderten ohnehin andere Themen großen Raum bei der Berichterstattung. Deshalb und vor allem
weil wir derzeit noch einige grosse weisse Stellen bezüglich des Senftenberger Anzeigers der 1930er Jahre haben, kann ich zum heutigen
Tag auch keine gesicherten Aussagen treffen, wann das Portal, welches auf der nachfolgenden Postkarte abgebildet ist, errichtet wurde.
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Kunstverlag Reinhard Rothe (F. Mühlbach), Meißen R. 4613 Nr.2301 Aufnahme <= 1941 Sammlung Matthias Gleisner
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Das Motiv, das wir schon in einer beschnittenen Variante, dafür mit einem zusätzlichen gefiederten Freund, kennen, kann sicher auf <= 1941
datiert werden. Bis auf Weiteres muss ich es auch dabei bewenden lassen, wenn ich auch vermute, dass das Gebäude 1937 oder 1938 errichtet wurde.
Wahrscheinlich hat der Senftenberger Anzeiger darüber berichtet, aber diese beiden Jahrgänge fehlen uns momentan leider vollständig.
Senftenberger Anzeiger (1939)
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