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28.08.2022
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Wer schon etwas länger hier bei www.gruss-aus-senftenberg.de unterwegs ist, so wie ich , der wird bei Betrachtung der rechts abgebildeten Fotopostkarte vielleicht sagen "kommt mir bekannt vor". Und hat dabei recht! Es ist mittlerweile fast acht Jahre her, daß ich hier eine sehr ähnliche Aufnahme vorstellte. Nämlich diese hier:

Senftenberg

Damals legte ich mich, trotz Fehlen irgendwelcher sachdienlicher Hinweise auf dem Stück auf den 4. September 1910 fest. Und auch jetzt stehe ich weiterhin zu meiner damaligen Einschätzung. Das heutige Motiv, welches zweifellos bei derselben Gelegenheit geschossen wurde, enthält ebenfalls keinerlei Hinweise auf Ereignis/Datum und doch gerät meine Theorie hinsichtlich des Feldgottesdienstes anläßlich der 40-jährigen Wiederkehr des Sedantages nicht ins Wanken.
Vielmehr wird sie durch ein paar Details unterstützt. Wir erhalten zum Beispiel nunmehr den bildlichen Beweis für folgende Passage aus der damaligen Berichterstattung: Für die Aeltesten der Alten, welchen das Gehen und Stehen schwer fiel, welche aber es sich doch nicht nehmen ließen, noch einmal die erkämpfte Größe und Einheit des deutschen Reiches mitzufeiern, waren die weitgehendsten Vorkehrungen für Bequemlichkeit getroffen worden. Sie nahmen auf Stühlen in der Nähe der Kanzel Platz.

Senftenberg
Aufnahme = 04.09.1910
Sammlung Ursula Grasshoff
Leider ist es in meinem "Geschäft" eher die Regel als die Ausnahme, daß zusammengehörende Motive teilweise im Abstand von Jahren bei mir auftauchen und ich das Thema eigentlich schon abgehandelt hatte. Mich würde es im konkreten Fall übrigens nicht wundern, wenn sich irgendwann eine dritte Aufnahme von dem Ereignis materialisieren würde... die Personen links der Kanzel, die Veteranen, aber auch die Schüler der 1. Knabenklassen der hiesigen Schulen (der Raumverhältnisse halber konnte leider nicht weitergegangen werden, denen schon im Vorfeld vom "Senftenberger Anzeiger" freudige Aufregung über die gestattete Beteiligung am Feldgottesdienst, der für sie etwas noch nicht Erlebtes bedeutet attestiert wurde, und die nur teilweise auf (diesem) Bild sind, wollten sicher auch ein Souvenir von jenem Tag. Postkarten davon wurden übrigens im Nachgang für 15 Pfennig das Stück vom hiesigen Fotografen Artlich angeboten.
Hoffen wir also, daß da vielleicht tatsächlich noch einmal etwas an meine Tür klopft. Ob ich in diesem Fall irgendwelche neuen Erkenntnisse präsentieren könnte? Wohl eher nicht. Es sei denn, wir würden Eindrücke von den anderen Programmpunkten des zweitägigen Festes erhalten und nicht nur einen weiteren Ausschnitt von diesem Aufmarsch, für welchen es laut "Senftenberger Anzeiger" besonders wünschenswert ist, daß während der Feldgottesdienst-Predigt auf dem Marktplatz größtmögliche Stille herrscht.

Besagte Predigt hielt der evangelische Oberpfarrer Wilhelm Hintersatz, den wir in der Bildmitte erkennen können. Immerhin diesmal im Profil und nicht wie vor acht Jahren nur "von hinten". Wilhelm Hintersatz, obwohl 41 Jahre in Senftenberg als Seelsorger in der Deutschen Kirche und auch als langjähriger Schulinspektor tätig, war in meiner Wahrnehmung bis vor einiger Zeit bildtechnisch so eine Art "Phantom". Öffentlich zugängliche Fotos von ihm existierten nicht. Oder man wusste einfach nicht sicher, ob er es ist oder nicht.

Das änderte sich vor zwei Jahren schlagartig. Der Eine oder Andere wird mitbekommen haben, daß ich seitdem an Wilhelm Hintersatz einen ziemlichen Narren gefressen habe. Wobei dies in erster Linie den Sohn des Pfarrers, der ebenfalls Wilhelm hieß, betrifft und der weit über Senftenberg hinaus eine gewisse Berühmtheit erlangte. Seinen Lebenslauf versuche ich seit anderthalb Jahren auf möglichst unterhaltsame Art unter harun-el-raschid-bey.de nachzuzeichnen. Dabei mache ich aber auch nicht vor den restlichen Mitgliedern seiner Senftenberger Familie halt. Die Arbeit daran hält mich fast so sehr auf Trab wie www.gruss-aus-senftenberg.de da immer wieder neue Informationen auftauchen, die ich einarbeiten möchte. Oder muß! So konnte ich erst unlängst Dokumente einsehen, die die Person des Pfarrers Hintersatz in einem etwas anderen Licht zeigen, als dies in der bisher zugänglichen Berichterstattung (Senftenberger Anzeiger, Paulitz-Chronik) der Fall war. So war beispielsweise die Beziehung Hintersatz ↔ Senftenberg zeitweilig alles andere als harmonisch. Der Geistliche versuchte zwischen 1895 und 1900 mindestens fünf Mal vergeblich unserer Stadt den Rücken zu kehren, indem er sich auf vakante Pfarrstellen in anderen Orten bewarb. In dieser Zeit gab es ernste Auseinandersetzungen zwischen ihm und einigen Senftenberger Geschäftsleuten, die sogar vor Gericht ausgefochten wurden.
Ich möchte das Ganze jedoch nicht hier und heute ausbreiten. Wer Interesse an der kunterbunten Geschichte dieser Senftenberger Familie hat, der ist gut beraten, sich meinem oben genannten Zweitprojekt zuzuwenden. Dort laß ich alles, was ich aus den mir zugänglichen Dokumenten destillieren kann und das der Illustration der Historie dienlich ist, sukzessive einfließen.