Druckversion |
|||
Zugegeben, ich bin jetzt nicht der ganz große Fan von diesen "Arbeiterfotos". Im Vergleich zu Aufnahmen, die man so aus DDR-Zeiten kennt, versprühen diese meiner Meinung nach etwas mehr Charme. Vielleicht auch deshalb weil hier nicht die Arbeit und irgendwie "uniformierte" Werktätige in den Vordergrund gerückt wurden, sondern eine Pausensituation. Noch dazu in vielen Fällen mit "Typen". Standardisierte Arbeitsbekleidung war noch kein Usus, so daß jede Person individuell erscheint. Die Motivation war auch eine ganze andere: Während die Haus-und-Hoffotografen der Volkseigenen Betriebe zumeist mit einem Propaganda-Auftrag unterwegs waren, stellten die Fotografen dieser frühen Fotografien auf exakt jene Personen ab, die sie mit ihrer Kamera einfingen. Ihnen verkauften sie Abzüge der Aufnahmen und diese stellten damals sehr oft die einzige bildliche Darstellung von Angehörigen der Arbeiterklasse dar. In den Kreisen der Arbeiterschaft war der Besitz einer Fotokamera der pure Luxus und überhaupt fotografierte man damals ungleich weniger als heutzutage. Selbst Passbilder dürften die wenigsten von sich haben anfertigen lassen. Lichtbild-bestückte Ausweispapiere kamen erst langsam in Mode. Fotopostkarten wie die beiden obigen sind in aller Regel in einem sub-optimalen Zustand. Das hat zuweilen auch damit zu tun, dass der Aufbewahrung der Fotos nicht die notwendige Beachtung geschenkt wurde. Im Zweifel schleppten die Besitzer sowas auch mal ganz gerne in der Brieftasche mit sich rum und fingerten das Foto bei passender Gelegenheit mit schmutzigen Händen heraus, um den Bekannten und Verwandten zu zeigen, wo(mit) man sein Geld verdiente. Dies macht die digitale Restaurierung 100 Jahre später nicht leichter. 100 Jahre? Könnte sein... zwei weitere Umstände, warum ich die Dinger eigentlich nicht so mag: 1. den Exemplaren fehlen in den meisten Fällen zeitliche Angaben und 2. der örtliche Bezug ist mehr als vage. Daß die beiden obigen Fotos irgendwo hier im Senftenberger Raum aufgenommen wurden, ist möglich aber letztlich nicht hieb- und stichfest zu beweisen. Ich gehe innerlich jedoch davon aus, da sie aus dem Senftenberger "Dunstkreis" heraus den Weg zu mir fanden. Was offensichtlich ist: wir sehen auf beiden Fotos das gleiche Modell von E-Lok. Experten mögen mich bitte nicht köpfen falls ich falsch liege, aber ich würde sagen, daß es sich in beiden Fällen um eine 44t-Lok der Siemens-Schuckert-Werke handelt. Einmal die Lok mit der Nummer 5 und einmal die mit der 1, womit klar wird, daß es nicht einunddieselbe Lokomotive war. Während die linke Aufnahme wahrscheinlich in der Nähe von Wohnbebauung oder Produktionsanlagen gemacht wurde (wir sehen im Hintergrund einen Flachbau) entstand das rechte Foto in "freier Wildbahn". Bemerkenswert hieran finde ich die wenig vertrauenerweckende Situation des Gleisbettes. Da muß man sich nicht wundern, wenn es immer wieder zum Umstürzen von Zügen kam. Besonders wenn der Untergrund durch Witterungseinfluß zusätzlich Stabilität einbüsste und schnell einmal ganze Hänge "abgingen". |
|||
Ein Unfall der besonderen Art wird uns auf der Fotopostkarte rechts geboten. Glücklicherweise
ritzte der Fotograf ein Absturz der Elektr. Maschine der A.K.W. in Stadtgrube bei Senftenberg II in die
Fotoplatte. Der ungelenke, weil spiegelverkehrt ausgeführte, Schriftzug wurde von mir digital eleminiert aber
ich liefere ihn ja als Zusatzinformation mit. Leider fehlt eine zeitliche Angabe, mit der ich ggf. in der damaligen Lokalpresse nach einer Meldung hätte suchen können. Wenn ich nicht zufälligerweise auf eine Nachricht stoße, bleibt der Tag der Aufnahme und damit der Zeitpunkt des Malheurs weitestgehend im Dunkeln. Meine Interpretation der Situation: der Lokführer hat entweder die Bremse nicht rechtzeitig betätigt oder aber beim Anfahren die falsche Richtung gewählt. Ich bin mir ziemlich sicher, daß wir hier den Gleisstummel eines Kohlebunkers sehen über dessen Ende die Lok hinausgeschossen ist. Dabei wurde auch noch der erste Wagen mit dem Bremserhaus in Mitleidenschaft gezogen (er sieht leicht verdreht aus). Die einzelnen Bildbestandteile: der Waggon, die E-Lok (ebenfalls ein Modell der Siemens-Schuckert-Werke) und das was von der Konstruktion des Rohkohlebunkers erkennbar ist, erinnern mich sehr stark an ein Thema, welches ich hier vor dreieinhalb Jahren behandelte. Dort war ebenfalls von den Anhaltischen Kohlenwerken die Rede wobei wir u.a. einen visuellen Eindruck von den Gegebenheiten rund um die Brikettfabrik Marie 1 (Reppist) erhielten. |
Absturz der Elektr. Maschine der A.K.W. in Stadtgrube bei Senftenberg II
|
||
Die starken Parallelen führten dazu, daß ich die Aufnahme tatsächlich eine kurze Zeit nach Reppist, in die Brikettfabrik Marie I, verortete.
Letztlich kann ich aber die konkrete Angabe "Stadtgrube bei Senftenberg II" nicht ignorieren. Daß sich rollendes Material innerhalb eines einzelnen Bergbaubetriebs
(hier der A.K.W.) glich, ist kein großes Geheimnis. Dies traf aber in einem gewissen Maße auch auf Bestandteile von Produktionsstätten zu. Sollte die Brikettfabrik der Stadtgrube tatsächlich der Ort des Geschehens gewesen sein, dann kann die Aufnahme eigentlich nicht später als 1925 entstanden sein. Nach meinen Informationen stellte man den Betrieb der Fabrik in jenem Jahr ein. Übrigens passierte auch dem Fotografen, entweder schon bei der Aufnahme selbst oder aber bei der Entwicklung ein "Unfall". Dieser manifestiert sich bildmittig in einigen Fehlstellen, die sich auch digital nicht vernünftig beheben lassen. |
|||