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Schon wieder ein Umzug!

Und dann noch einer, der auf der ungelaufenen und unbeschriebenen Fotopostkarte zusätzlich auch noch ohne signifikante Informationen daher kommt, aus denen man schließen könnte, worum es sich hier überhaupt dreht...
Aber derartige Fragestellungen reizen mich ja ungemein und es war dann doch leichter als zunächst vermutet. Hilfreich bei der Datierung war in erster Linie eine Reklame des Passage-Kinos...

Gefunden in der Ausgabe vom 8.September 1932, war es eigentlich nicht mehr schwer, ein paar Tage vor und zurück zu blättern, um die gesuchte Information zu finden. Gelandet bin ich beim 11. Lausitzer Katholikentag, der am 10. und 11. September in Senftenberg stattfand.

Senftenberger Anzeiger (09.09.1932)
Und was ich da herauslese, ist Der Stolz der 3.Kompagnie. Eine schnelle Internet-Recherche förderte eine Uraufführung am 21. Februar 1932 zu Tage, was die Aufnahme schon einmal nach unten deckelt. Als nächstes musste ich eigentlich nur noch das entsprechende Inserat im Senftenberger Anzeiger finden, um mich weiter heran zu arbeiten. Und voila da ist es!


Senftenberg
Aufnahme = 11.09.1932
Sammlung Fred Förster
Wenige Tage nach dem Ereignis berichtete der Senftenberger Anzeiger in einer Nachschau unter anderem auch über den Festzug...

Gegen 3 Uhr traten in der Nähe der Pfarrkirche die Organisationen zu einem riesigen Festzuge an. Im Festzuge mit drei Musikkapellen (das Stadtorchester, die Bergkapelle Marga, die Stahlhelmkapelle Sedlitz mit Tambourkorps) wurden auf zwei Rollwagen die originellen Nachbildungen des alten Senftenberger Kirchleins und der neuen, 1925 erbauten massiven Kirche mitgeführt. Große Aufmerksamkeit erregten auch die studentischen Abordnungen im Wichs vom Kartellverband katholisch-deutscher Studentenverbindungen aus Dresden, Leipzig und Berlin. Viele Bergknappen in Uniform marschierten ebenfalls im Zuge, der auf dem Markte vor den geistlichen und weltlichen Würdenträgern auf der Tribüne vorbeimarschierte und sich durch die Kreuzstraße zum Gesellschafthaus bewegte.

Ich gehe davon aus, daß die Aufnahme oben, welche die Kinder der katholischen Schule zeigt, nicht die einzige von diesem Festzug war und würde mir wünschen, daß vielleicht die interessanteren (z.B. solche mit oben genannten Nachbildungen) auch noch irgendwann auftauchen.
Da wir gerade an dieser Ecke Senftenbergs sind, möchte ich gleich dort anschließen und mich auf das Gebäude konzentrieren, das links noch ganz kurz in das Foto hineinragt und das die meisten, wenn überhaupt, nur als "Hugo Jentzsch" kennen...
Wie wir nachfolgend sehen, beherbergte das kleine Häuschen aber zeitweilig auch einmal das Städtische Verkehrsamt.

Senftenberg
Aufnahme <= 1940
Sammlung Familie Wendt
1950
Mit diesem Foto beschäftigte ich mich mehrere Stunden, denn ich hatte von Anfang an Zweifel an dem 1935, welches bisher mit dieser Aufnahme in Verbindung gebracht wurde. Herkunft: eine Bildunterschrift in dem Fotoalbum, in welchem das Bild verklebt ist. Je länger ich nach Hinweisen suchte, um so mehr schwand mein Vertrauen in die Richtigkeit dieser Jahresangabe. Sicher war im ersten Moment nur, daß die Aufnahme nach Anfang 1933 gemacht wurde, denn wir sehen (schon wieder) die Straßenbezeichnung "Kaiser-Friedrich-Straße" an der Hausecke.
Im Zuge meiner Forschungen kam ich irgendwann im Jahre 1937 an und fand folgenden interessanten und aussagekräftigen Artikel im Senftenberger Anzeiger:

Das Verkehrsamt Senftenberg


Eröffnung des Verkehrshauses.
Oeffentliche Geschäftsstelle des Wirtschafts- und Verkehrsvereins Senftenberg

Die geographische Lage Senftenbergs kann man nicht ändern, aber das, was man aus dieser Lage heraus für eine Gemeinde machen kann, das hat für ihren Verkehr und ihre Wirtschaft außerordentliche Bedeutung. So manche Gemeinde des deutschen Vaterlandes ist hier frühzeitig auf dem Plane gewesen. In unserer Heimatstadt ist man erst nach und nach dazu gelangt, zu erkennen, daß Senftenbergs Hauptstärke eben in seiner geographischen Lage als Mittelpunkt des Niederlausitzer Braunkohlenbezirks begründet liegt. Es mutet heute eigenartig an, wenn uns die alten Akten des Senftenberger Stadtarchivs erzählen, wie man schon bei Errichtung der ersten Eisenbahn die Hauptlinie Kassel-Warschau über Finsterwalde-Senftenberg-Spremberg oder der direkten Linie Berlin-Dresden über Senftenberg legen wollte. Die Bedeutung Senftenbergs endet aber noch nicht als Mittelpunkt des Niederlausitzer Braunkohlenbezirks, sondern geht darüber hinaus als ein Wirtschafts- und Knotenpunkt für Ostdeutschland. Man spricht ja wohl bisweilen von einem ostdeutschen, einem mitteldeutschen und einem westdeutschen Braunkohlenbergbau und all diese Erwägungen bringen auch Senftenbergs wirtschaftliche Bedeutung zum Ausdruck, besonders wenn man die Bedeutung der Deutschen Rohstoffwirtschaft im Vierjahresplan berücksichtigt.
All diese im Laufe der Zeit entstandenen Gedanken wurden von Senftenberger weitblickenden Kaufleuten gefühlt und fanden ihren Niederschlag in der Gründung des Senftenberger Wirtschafts- und Verkehrsvereins. Nach Ueberwindung mannigfacher Schwierigkeiten gelang es einen Kreis von Männern in diesem Verein zusammenzufassen und zu positiver Arbeit zu kommen. Es ist klar, daß in diesem Verein eine gewaltige Summe von Kleinarbeit geleistet werden muß, die nach außen niemals in Erscheinung treten wird, aber ohne welche ein Weiterbauen unmöglich ist. Immerhin können auch nach außen einige schöne sichtbare Erfolge verbucht werden. Es gelang, eine Wirtschafts- und Verkehrs-Werbeschrift erstmalig für Senftenberg herauszugeben, die außerordentlich rege verlangt wird und die deshalb in nächster Zeit verbessert und erweitert neu erscheinen soll und damit weiterhin für Senftenbergs Wirtschaft und Verkehr werben wird. Aus den übrigen Veranstaltungen sei nur die Vorarbeit herausgegriffen, die der Verein für die hiesigen metallverarbeitenden Gewerbe geleistet hat, indem es möglich wurde, in Senftenberg einen Leichtmetall- Verarbeitungslehrgang aufzuziehen. Lange vor der Spruchreife des 2. Vierjahresplanes konnten sich die Mitglieder mit dem Gedanken der Umstellung auf neue Rohstoffe vertraut machen. All die getroffenen Veranstaltungen, die meist einen erfreulichen Erfolg zu verzeichnen hatten, haben zweifelsohne an der Hebung der Wirtschaft und dem Verkehr in Senftenberg zu einem sehr großen Teile mitgewirkt.
Der Oeffentlichkeit weniger bekannt ist, daß der nachweisbare Fremdenverkehr in Senftenberg im letzten Jahre an Zahl 25 Prozent der Einwohnerzahl erreicht und überschritten hat.

Nach den einschlägigen Bestimmungen konnte Senftenberg somit als "Fremdenverkehrsgemeinde" anerkannt werden. Das wird in vieler Beziehung für die wirtschaftlichen Kreise und schließlich der gesamten Bevölkerung von Nutzen sein.
Teils aus der Erkenntnis heraus, die nützliche Arbeit des Wirtschafts- und Verkehrsvereins auf eine größere Grundlage zu stellen und ihm noch größere Möglichkeiten zur Entfaltung zu geben, teils aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen über den Reichsfremdenverkehr, ist nun von der Stadt am 1. April 1937 ein städtisches Wirtschafts- und Verkehrsamt ins Leben gerufen worden.
Auch nach außen tritt das Verkehrsamt vor die Oeffentlichkeit mit einer Geschäftsstelle, die sich in einem schmuck vorgerichteten Hause Ecke Garten- und Kreuzstraße befindet.
Möge seine Lage an dem uralten Ausfallstor Senftenbergs nach Westen eine gute Vorbedeutung für die weitere Entwicklung sein. Der schmucke Bau hat ein freundlich, gediegen ausgestaltetes Empfangsbüro, in welchem dem Publikum Gelegenheit gegeben ist, Verkehrsschriften, Bücher, Werbeprospekte, Karten und dergleichen einzusehen, soweit sie nicht wie Werbeschriften gleich mitgenommen werden können. Auch ist den Besuchern die Möglichkeit geboten, sich des Fernsprechers zu bedienen. Es ist der Wunsch aller beteiligten Kreise und auch des Leiters des Verkehrsamtes, daß von den gebotenen Einrichtungen reichlich Gebrauch gemacht wird, und an der Bevölkerung, und an der Entwicklung der Bedürfnisse wird es liegen, wie weit die sonstigen verkehrstechnischen Erfordernisse ausgebaut werden können. Jedenfalls wird das Publikum die Gewißheit mitnehmen können, nach bestem Wissen und Gewissen beraten worden zu sein.
Gleichzeitig ist auch die Geschäftstelle des Wirtschafts- und Verkehsrvereins in dem Verkehrshaus untergebracht worden, um schon äußerlich zum Ausdruck zu bringen, daß die Aufgaben des Vereins noch erweitert und auf eine breitere Grundlage gestellt werden soll.
Er wird Pläne vorbereiten, Betrachtungen anstellen und Entschlüsse fassen, als ein Zeichen einheitlichen Willens unter dem Vorsitz des Bürgermeisters gemeinsam mit seinen Mitgliedern zum Wohle der Stadt und damit zugleich des Vaterlandes.

Damit dürfte klar sein, daß das Foto nicht vor April 1937 gemacht worden sein kann. Das schränkt den zeitlichen Korridor schon einmal weiter ein. Wenn ich mich derzeit auch nicht auf ein spezielles Jahr festlegen möchte, vermute ich doch, daß wir uns im Jahr 1939 befinden. Anhaltspunkt sind die Plakate im rechten Schaufenster. Diese werben dafür, Maulbeeren zu pflanzen und Seidenbau zu treiben. Und mit diesem Thema beschäftigte man sich in der damaligen Lokalpresse erst 1939. Ich glaube auch, daß man mit Beginn des 2. Weltkriegs am 1. September 1939 keine Reklame mehr für einen Kuraufenthalt in Franzensbad (linkes Schaufenster) machte. Ziemliche Gewissheit würden wir erlangen, wenn noch jemand das Programm des Cottbuser Stadttheaters für den vermeintlichen Zeitraum zur Hand hätte und man dort in enger zeitlicher Abfolge Vorstellungen von "Das Land des Lächelns", "Wenn der Hahn kräht" und "Othello" finden würde. Das sind zumindest die drei Dinge, die ich auf dem Aushang im rechten Schaufenster entziffern kann.

Bezüglich der blau markierten Textpassage oben, verweise ich auf Neues 234, wo ich besagten Prospekt dargestellt habe. Und auch von der im Text avisierten Neuauflage konnte ich mir in der Vergangenheit ein Exemplar sichern und werde dieses bei passender Gelegenheit ebenfalls zur Ansicht bringen.