Ich denke wir sind uns einig, daß obige Zeichnung der Stadt-Kirche in Senfftenberg aus dem Jahr 1787 weitaus interessanter ist, als sämtliche
Ansichtskarten, die ich heute präsentieren kann. Doch bevor ich auf die Einstiegsgrafik zurückkomme, möchte ich den "normalen" Motiven, die natürlich
auch etwas mit der Senftenberger Peter-und-Paul-Kirche zu tun haben, den notwendigen Platz einräumen. Mindestens für Vergleichszwecke können
diese nämlich ganz gut herhalten...
69209 Aufnahme <= 1901 Sammlung Fred Förster
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Echte Photographie Trinks & Co. Leipzig O27 III / 18 / 20 / Za 1008 1 851 Bestell-Nr.17 Teco Aufnahme <= 1945 Sammlung Erika Fischer
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Während die beiden Außenansichten links und rechts schon seit längerem bekannt
sind und heute nur in einer jeweils leicht abgewandelten Variante präsentiert
werden, ist die Innenansicht neu.
Mir stehen bzgl. dieses Motivs zwei leicht unterschiedliche Produktionen
zur Verfügung, die aus technischer Sicht beide aus der Zeit nach dem 2.
Weltkrieg stammen. Die Fotografie selber muss jedoch älter sein, denn am
20. und 21.April 1945 wurde die Kirche durch Artilleriebeschuß schwer
beschädigt. Turm, Kirchendach und Kirchenschiff brannten vollständig aus.
Dabei wurden mit Sicherheit auch die Bleiverglasungen der Fenster zerstört,
die man im Hintergrund noch erkennen kann. Diese waren während der massiven
Umbaumaßnahmen an der Kirche im Jahre 1891 angeschafft worden.
Paulitz hierzu:
Die Verglasung der Fenster vollzog die Hofglasmalerei von Türck & Comp. aus Zittau und hat
sich besonders durch die fein und kunstvoll gemalten Altarfenster hohe Ehre eingelegt. Das mittlere
derselben, in einer dem Ganzen entsprechenden Umrahmung stellt nach einem Gemälde von
Pfannschmidt den „einladenden Christus" dar, wie er nach Matt. 11, 28 die Mühseligen und
Beladenen zu sich ruft, damit sie Teil haben sollen an den Gnadenmitteln der Kirche. Die unter dem
Bilde des Heilandes befindlichen Verzierungen sind die Symbole des heiligen Abendmahls, und
zwar die vollen Aehren das Brot darstellend und die rankenden Reben den Wein. Es ist dieses
Fenster eine der schönsten Zierden des Gotteshauses und kostete 1000 Mk.
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Verlag Schöning & Co., Lübeck 63453 Aufnahme <= 1940 Sammlung Matthias Gleisner
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Aufnahme <= 1945 Sammlung Matthias Gleisner
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Das intakte Kirchengebäude ist auch der einzige sichere Anhaltspunkt wenn
es um die Datierung der linken Ansichtskarte geht. Das Stück weist nicht
einmal einen Herausgeber aus.
Persönlich würde ich das Motiv auf Ende 1920er/Anfang 1930er eintakten.
Ähnlich der rechten Ansichtskarte, welche den Kirchturm aus einer eher
ungewöhnlichen Perspektive zeigt: Aufgenommen aus dem Haus Bahnhofstraße 11.
Im April 1945 brannte die Kirche zum letzten, aber nicht zum ersten Mal.
So wurde das Gotteshaus bei allen Stadtbränden arg in Mitleidenschaft gezogen:
Als 1509 die ganze Stadt Feuer fing, brannte auch das Dach der Kirche und des
Turmes nieder, wobei die drei Glocken zerschmolzen. - Bei dem großen Brande am
26. August 1641 brannte abermals das Kirchendach nebst dem Dache des Glockenturmes
ab, wobei Uhr und Glocken mit zerstört wurden. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648)
hatte die Stadt- und Kirchgemeinde Senftenberg völlig verarmen lassen. 20
Jahre dauerte das Sammeln von Kapital und Kräften, um die Kirche wieder aufzubauen.
Da kam der verhängnißvolle 5. September des Jahres 1670, und wenn sonst bei Sonnenuntergang die Glocken am
Feierabend zum Frieden und zur Ruhe läuteten, so läuteten sie an diesem Tage Sturm.
Es war dies zugleich ihr eigenes Grabegeläut. Eine furchtbare Feuersbrunst legte
wiederum binnen zwei Stunden die ganze Stadt nebst der wendischen Kirche in Asche.
Auch der kaum vollendete Turm der deutschen Kirche brannte ab, wobei die drei schönen
neuen Glocken und die Uhr zerstört wurden. Nur die deutsche Kirche selbst blieb wie
durch ein Wunder erhalten, obwohl dieselbe mitten in einem Flammenmeer stand, da
alle Gebäude ringsum in Flammen aufgegangen waren.
Bei dem großen Brande am 15. Mai 1717 brannte abermals das Dach der deutschen Kirche mit
dem Turme ab; doch wurde auch diesmal das Kirchengewölbe im Wesentlichen nicht beschädigt.
Der Turm aber stürzte ein und die Glocken zerschmolzen Ersterer wurde in der vorigen Weise nicht
wieder hergestellt, sondern, nachdem der Glockenstuhl und der notwendige innere Ausbau des
stehengebliebenen Mauerwerkes vollendet war, mit einem Dache versehen und hat diese Form auch
bis zur Renovation im Jahre 1891 behalten.
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Aufnahme und Verlag Kaufhaus Waldschmidt, Senftenberg Aufnahme <= 1931 Sammlung Norbert Jurk
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Was uns dann mehr oder weniger in die Entstehungszeit der obigen Zeichnung zurückgebracht hat.
Wie man dem handschriftlichen Vermerk entnehmen kann, wurde die Darstellung am 22. August
des Jahres 1787 angefertigt. Der Künstler ist bekannt: Es handelt sich um Johann Gottfried
Schultz (* 1734 in Görlitz, † 1819 in Niesky).
Ich stieß auf diese Zeichnung, und damit auf Schultz, während Recherchen im Senftenberger
Stadtarchiv. Dabei stolperte ich nämlich über einen alten Zeitungsartikel (wahrscheinlich
Lausitzer Rundschau, 1997), den ich der Einfachheit halber rechts als Faksimile wiedergebe.
Solche Artikel, zumal noch mit einer mir bislang unbekannten Illustration einer Senftenberger
Baulichkeit versehen, wecken natürlich sofort den Forscher in mir und so stellte ich
unverzüglich weitere Untersuchungen an.
Dabei konnte ich relativ schnell Informationen zusammentragen, die den Zeitungsartikel von
Dr. Rainer Ernst flankieren... Hatte Dr. Ernst 1997 noch leise Zweifel daran, daß es sich um "unser"
Senftenberg handelt, so kann ich diese Bedenken heute vollständig ausräumen.
Ich konnte nämlich nicht nur diese eine Darstellung der Stadt-Kirche ermitteln, sondern noch
zusätzliche Senftenberger Ansichten. Darunter eine mehrfarbige Darstellung des Schlosses, eine Zeichnung
des Senftenberger Wappens, eine weitere Außenansicht der Stadt-Kirche, sowie Detailzeichnungen
aus dem Inneren der Kirche.
Die Zeichnungen sind offenbar über mehr als einen der 13 Bände mit Schultzschen Zeichnungen verteilt.
Die Darstellungen der Kirche und des Schlosses sind alle mit 22. August 1787 datiert. Ob dies das Datum
war, an welchem Schultz in Senftenberg war, ist ungewiss. Dr. Rainer Ernst zweifelt dies ja in seinem
Text an und das nicht ganz grundlos... So befindet sich nämlich obige Zeichnung gemeinsam mit einer
Darstellung der Kirche von Reibersdorf (heute Rybarzowice, Polen) auf einer Seite. Das Reibersdorfer
Motiv ist mit 24. September 1776 untertitelt.
Das legt den Verdacht nahe, daß es sich bei jenem Band (Dr. Ernst schreibt von "Band 6") um so eine Art
"Best of" handelt, in dem Schultz Zeichnungen, die er über einen längeren Zeitraum angefertigt hatte,
nochmals ausführte. Diese These wird durch die zweite Kirchenansicht gestützt, die mir vorliegt.
Diese ist der obigen extrem ähnlich aber um ein paar Nuancen feiner ausgeführt. Bei dieser Zeichnung könnte
es sich demnach um das "Original" handeln, zumindest erscheint sie "originaler" als die Version aus dem Sammelband.
Da die ursprüngliche Version von Zeichnungen aus Tzschelln [4. August 1787] und Hoyerswerda
umgeben ist und an anderer Stelle für Ansichten aus Hoyerswerda und Spremberg die Daten 22. August 1787
bzw. 4. August 1787 auftauchen wage ich zu behaupten, daß der August 1787 als Zeitpunkt des Schultzschen
Aufenthalts in Senftenberg recht plausibel erscheint. Möglicherweise unternahm der Künstler eine kleine
Rundreise durch die Oberlausitz, klapperte mehrere Ortschaften in Folge ab und fertigte hierbei Zeichnungen
der lokalen Gegebenheiten an. Dabei streifte er auch Senftenberg.
Neben den Zeichnungen lieferte Schultz auch mehr oder weniger lange Texte zu den von ihm besuchten und
bildlich festgehaltenen Orten ab. Für Senftenberg liest sich dies folgendermaßen:
Senfftenberg
Eine avvisbare Stadt in der Niederlausitz an der Meißnischen Grentze, wie sie drum auch zum Meißnischen
Cräyße geschlagen worden ist. Ehemals gehörte diese Stadt mit Zubehör denen v. Schlieben und dann denen v.
Polentz. Einer dieses Geschlechts, der eiserne Polentz genanndt, verkaufte sie 1543 an den Churfürsten Moritz
von Sachsen, welcher dabey ein befestigtes Schloß außführen ließ. Die itzige Beschaffenheit dieses Schloßes
rührt noch von Johann George den ersten her. Von der Zeit an hat auch beständig ein Commandant daselbst gewohnet.
In dieser Kirche sind noch verschiedene Denkmähler von Commandanten die daselbst begraben sind zu sehen.
z.B. von Pflug, Buchner der zugleich Amtshauptmann war und 1687 starb. Zugl. ein alter Grabstein eines
Meß-Priesters mit dem Kelche in der Hand. Das Altar hat Joh. George III. renoviren laßen.
Dr. Rainer Ernst spricht in seinem Beitrag Schultz ein großes Maß an Genauigkeit in der Darstellung zu.
Dies möglicherweise durch Abgleich seines Gesamtwerkes mit der Realität bzw. Werken anderer Künstler.
Ich für meinen Teil unterstelle Schulz jedoch kleine Defizite bzgl. der korrekten Wiedergabe von Größenverhältnissen.
Können wir trotzdem davon ausgehen, daß das Schiff der Deutschen Kirche ausgangs des 18. Jahrhunderts diese
Art der Zweiteilung besaß, wie von Schultz skizziert? Spätestens 1890 ist davon nichts mehr zu sehen...
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