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Alle heut vorgestellten Ansichtskarten zeigen Motive des Senftenberger Gesellschaftshauses. Sämtliche Stücke stammen aus der "Ära" Richard Preußer, denn sie tragen allesamt bild- oder adressseitig einen entsprechenden Hinweis auf den zu diesem Zeitpunkt aktiven Betreiber. Die Zeit, in der Preußer die Geschicke des traditionsreichen Hauses lenkte, lässt sich in zwei Etappen einteilen, die beide jeweils ca. 9 Jahre andauerten. Die erste Phase kann man auf August 1918 bis September 1929 fixieren. Nachdem im Mai 1918 im Senftenberger Anzeiger folgendes Inserat erschien...

Senftenberger Anzeiger (1918)

... konnte die gleiche Zeitung gut zwei Monate später vermelden:

- Senftenberg, 26. Juli. Das hiesige Etablissement zum Gesellschaftshause ist heute durch Kauf an den Restaurateur Herrn Richard Preußer aus Forst übergegangen und erfolgt die Übernahme sofort, da der bisherige Pächter Herr Kuba das bekannte Hotel zur Post-Calau erworben und übernommen hat. Herr Preußer und seine Gattin, welche bisher das städtische Restaurant und Rosarium auf der Wehrinsel in Forst gepachtet hatten, geht der Ruf tüchtiger Wirtsleute voraus und wollen sie das schöne Besitztum hier durch Verbesserungen und Neuerungen ertragfähig machen. Wir wünschen ihnen recht viel Glück dazu und vor allem, daß die hindernden Kriegsumstände in Fortfall kommen möchten.

Die erste aktive Wirkungszeit Richard Preußers ging im September 1929 zu Ende. In jenem Jahr wechselten die Betreiber einer ganzen Reihe von Geschäften und Lokalen (z.B. Weintraube, Waldhof). Ab dem 1. Oktober 1929 übernahm das Ehepaar Zocha die Bewirtschaftung des Gesellschaftshauses. Eigentümer des Hauses blieb weiterhin Preußer. Daraufhin erhielten alte Lagerbestände an Ansichtskarten einen Stempelüberdruck mit dem Namen Zochas (rechts abgebildet).

Senftenberger Anzeiger (1918)
Senftenberg
29559
Verlag O. Schlicke,
Dresden-A. 16
Aufnahme <= 1920
Sammlung Norbert Jurk
Senftenberger Anzeiger (1929)
Senftenberg
Fotografische Kunstwerkstätten,
Kunst- und Kopier-Anstalt Gebr. Herrmann
Görlitz i. Schl., Brautwiesenstraße 1
246
Aufnahme <= 1925
Sammlung Fred Förster
Senftenberg
Fotografische Kunstwerkstätten,
Kunst- und Kopier-Anstalt Gebr. Herrmann
Görlitz i. Schl., Brautwiesenstraße 1
243
Aufnahme <= 1922
Sammlung Fred Förster
Senftenberg
Fotografische Kunstwerkstätten,
Kunst- und Kopier-Anstalt Gebr. Herrmann
Görlitz i. Schl., Brautwiesenstraße 1
243
Aufnahme <= 1929
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberg
Otto Schlicke,
Dresden A-16
26
Aufnahme <= 1935
Sammlung Norbert Jurk
Zweieinhalb Jahre später, am 1. April 1932 übernahm die Familie Preußer wieder sämtliche Belange rund um das Gesellschaftshaus. Wilhelm Zocha und Frau wechselten daraufhin in die Betreiber-Rolle der Rats-Klause in der Kreuzstrasse 8 (ehemals Domaschke). Für erneute 9 Jahre war in Folge das Gesellschaftshaus untrennbar mit dem Namen Preußer verbunden, bevor im Dezember 1941 endgültig die Segel gestrichen wurden. In der zugehörigen Annonce im Senftenberger Anzeiger ist die Rede von 23 Jahren. Die kurze Zeit der Zochaschen Bewirtschaftung floss offensichtlich in diese Zeitrechnung ein.

Senftenberger Anzeiger (1941)

Aufgrund der aufgezeigten zeitlichen Abfolge können die vier oberen Ansichtskartenmotive der ersten Phase von 1918-1929 zugeordnet werden. Bezüglich der drei colorierten Ansichten gehe ich davon aus, dass diese, auch wenn derzeit noch 3 verschiedene Jahresangaben verwendet werden, eigentlich alle auf mindestens <= 1922 datiert werden können. Es scheint sich um eine ganze Serie von Gesellschaftshaus-Motiven zu handeln (ein viertes Motiv stellte ich schon vor längerem vor).
Senftenberg

Ohnehin halte ich diese Stücke für "das letzte Hurra" der klassischen Ansichtskarte. Mitte der 1920er Jahre war man schon nahezu vollständig in den schwarz/weiss-Stil übergegangen. Colorierte Ansichtskarten waren seitdem leider absolute Mangelware. Ein Beispiel der neuen Nüchternheit liefert die Zweibildkarte, die ich in die zweite Phase (1932-1941) einordne.

Preußers Nachfolger, Richard Koar betrieb das Gesellschaftshaus übrigens bis über das Ende des 2. Weltkriegs hinaus. Nach meinen Recherchen verschwand sein Name aus den einschlägigen Anzeigen Anfang September 1947. Das letzte Inserat aus dem Senftenberger Anzeiger mit einem Verweis auf Richard Koar bewirbt eine Veranstaltung am 09.09.1947 (rechts abgebildet).
Es kann sein, dass sich Koar in diesen Tagen Hals über Kopf aus der sowjetischen Besatzungszone in den Westen absetzte. Am 13. September 1947 sollte im Gesellschaftshaus und im Theater eine Veranstaltung des VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) stattfinden. In der Nachschau wurde von "technischen und organisatorischen Schwierigkeiten" berichtet, weshalb "diese Vorstellung nicht zur Durchführung gebracht werden (konnte), und auch die Samstagsvorstellung mußte zu einem großen Teil im letzten Moment improvisiert werden". Ob und welche Probleme auf Seiten des Theaters oder des Gesellschaftshauses lagen, wird leider nicht erörtert.
Solange mir keiner die wahre Geschichte erzählt, kann ich nur Vermutungen anstellen, ob Koar zu diesem Zeitpunkt schon mitsamt den Türschlüsseln das Weite gesucht hatte oder möglicherweise einer der damals üblichen Zwangsenteignungen zum Opfer fiel... Jedenfalls tauchte der Name Koar danach in keiner Anzeige mehr auf, zumindest was den Zeitraum bis Mitte 1950 betrifft, für den ich über eine Reihe von Annoncen verfüge... Aber das aufzuklären ist eigentlich (noch) kein Thema für mich, denn meine Zeitrechnung endet bisher im Jahr 1945.